Es könnte "weitere schlechte Nachrichten geben"
Der Pferdefleisch-Skandal geht weiter: Der britische Umweltminister rechnet mit weiteren Fällen. Die Lebensmittelkonzerne schieben sich derweil gegenseitig die Schuld zu.
Offenbar noch kein Ende im Skandal um Pferdefleisch in Tiefkühlgerichten. Nach Ansicht des britischen Umweltministers Owen Paterson könnte es "weitere schlechte Nachrichten geben". Das sagte der Politiker am Samstag nach Gesprächen mit Herstellern und Vertretern der Lebensmittel-Aufsichtsbehörde FSA. Erst Ende kommender Woche erwarten die Behörden darüber Klarheit, in welchem Umfang Pferdefleisch in Fertigkost gelangt ist.
Tausende dachten, Rind zu essen - in Wirklichkeit war es Pferd
Tausende Menschen haben ohne ihr Wissen Pferdefleisch gegessen, seit Tagen kommen in Großbritannien neue Details ans Licht. Die Aufsichtsbehörde vermutet hinter dem Skandal kriminelle Machenschaften. Die Polizei hat bislang keine Ermittlungen aufgenommen. Hersteller sind jedoch verpflichtet worden, ihre Rindfleisch-Produkte zu testen.
In Deutschland sind bislang keine Fälle
Auch in Deutschland hat der Skandal Folgen: Das Düsseldorfer Verbraucherschutzministerium verschärfte als Reaktion auf den Eklat die Produktkontrollen. Allerings ist in Deutschland bislang kein Pferdefleisch in Tiefkühlprodukten aufgetaucht.
Konzerne schieben sich gegenseitig die Schuld zu
Dennoch weitet sich der Skandal weiter auf Europa aus und wird nun auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen: Nach dem Fund von Pferdefleisch in Lasagne in Großbritannien nahm die betroffene Marke Findus am Freitag auch in Frankreich und Schweden Fertiggerichte aus dem Handel.
Findus klagt gegen Unbekannt
Der französische Lebensmittelkonzern Findus hat eine Klage gegen Unbekannt wegen "Betrugs" angekündigt. Die Klage werde am Montag eingereicht, erklärte der Chef von Findus France, Matthieu Lambeaux, am Samstag. "Wir sind getäuscht worden."
Spanghero will ebenfalls klagen - gegen den rumänischen Lieferanten
Das fleischverarbeitende Unternehmen Spanghero mit Sitz in Südwestfrankreich, das das Pferdefleisch aus Rumänien bezogen hatte, kündigte seinerseits eine Klage gegen den rumänischen Lieferanten an. "Wir haben Rindfleisch mit der Herkunftsbezeichnung Europa gekauft und wieder verkauft," sagte Spanghero-Chef Barthélémy Aguerre am Samstag. Auf die Frage nach dem rumänischen Lieferanten sagte Aguerre, er habe den Namen nicht dabei.
"Legaler Vorgang"
Der Vorsitzende des rumänischen Lebensmittelhändler-Verbandes Romalimenta, Sorin Minea, bekundete sein Unverständnis. "Ich bin mir sicher, dass der Importeur wusste, dass es sich nicht um Rindfleisch handelt", sagte Minea. "Pferdefleisch hat einen besonderen Geschmack, eine besondere Farbe und eine besondere Beschaffenheit." In Rumänien gebe es drei Pferde-Schlachthöfe, von denen Fleisch nach Frankreich und Italien geliefert werde. "Das ist ein legaler Vorgang, der nach den geltenden Regeln erfolgt", sagte Minea.
Auch NRW verschärft seine Kontrollen: Keine Fälle in Deutschland
Die britische Lebensmittelaufsicht ordnete Tests aller Fertigmahlzeiten an, die laut Verpackung Rindfleisch enthalten, die deutschen Behörden weiteten ihrerseits die Kontrollen aus. So verschärft Nordrhein-Westfalen seine Aufsicht. Denn offenbar waren Pferdefleisch-Burger auch bei Lidl und Aldi im Sortiment - allerdings bislang nur in Großbritannien und Irland.
Sprecher von Lidl und Aldi in Deutschland versicherten, dass Produkte in Deutschland nicht betroffen seien. Hamburger von Tesco hätten zu bis zu 29 Prozent aus Pferdefleisch bestanden, hieß es von der FSAI. Die Spuren seien nicht gesundheitsschädlich, aber auch nicht erklärlich. Am Mittwoch begannen weitere Untersuchungen. "Verbraucher müssen nicht besorgt sein."
Pferd statt Rind
Der britischen Behörde für Lebensmittelsicherheit FSA zufolge wiesen Lasagne-Packungen von Findus einen Pferdefleisch-Anteil von bis zu hundert Prozent auf, obwohl auf dem Etikett Rindfleisch angegeben war. Einem Findus-Sprecher zufolge wurden die Produkte vom französischen Hersteller Comigel geliefert und inzwischen aus dem Handel genommen. Comigel teilte am Abend mit, das Pferdefleisch stamme aus Rumänien. Es sei vom fleischverarbeitenden Unternehmen Spanghero mit Sitz in Südwestfrankreich an Comigel geliefert worden.
Die luxemburgischen Gesundheitsbehörden teilten mit, das aus Frankreich stammende Fleisch sei für Comigel von der Firma Tavola mit Sitz in Luxemburg verarbeitet worden.
Findus rief Tiefkühlprodukte zurück
In Frankreich rief Findus am Freitag drei Tiefkühlprodukte zurück: Bolognese-Lasagne, Hackfleisch-Kartoffelpüree-Auflauf und Moussaka. Von ihnen gehe aber keine Gesundheitsgefahr aus, erklärte das Unternehmen. In Schweden rief Findus nur ein Lasagne-Produkt zurück.
In Großbritannien, wo der Verzehr von Pferdefleisch im Gegensatz zu anderen Ländern wie Frankreich tabu ist, schlug der Skandal hohe Wellen. Premierminister David Cameron sprach von einem "sehr schockierenden" und "vollständig unannehmbaren" Vorfall.
Fleischlieferant Comigel weist Schuld von sich
Bereits Mitte Januar hatte der Fund von Pferdefleisch in Tiefkühl-Hamburgern von Supermärkten in Großbritannien und Irland für Verunsicherung bei den Verbrauchern gesorgt. Die FSA forderte alle Händler und Hersteller auf sicherzustellen, dass in ihren Produkten auch das enthalten sei, was auf der Verpackung stehe. Die Behörde schloss zudem rechtliche Schritte gegen Comigel nicht aus.
Comigel machte seinerseits einen seiner Lieferanten verantwortlich und erklärte, sich rechtliche Schritte gegen diesen vorzubehalten. Comigel zählt auch Deutschland zu seinen wichtigsten Lieferländern. Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums sagte, die Kontrolldichte im größten Bundesland sei verschärft worden. "Wir haben angeordnet, dass die Kontrollstellen einen verschärften Blick bei der Produktkontrolle machen. Bisher ist noch nichts aufgefallen." Die Lebensmittelkontrolle ist in Deutschland Sache der Bundesländer. afp/dpa/AZ
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