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Asyl
05.05.2017

Die Flüchtlingshelfer aus Augsburg - und ihre Ziele

Vor 25 Jahren fanden sich in Augsburg ein paar Idealisten zusammen, die eine Asylunterkunft bauen wollten. Daraus ist nie etwas geworden. Aus dem Verein "Tür an Tür" schon.
Foto: Julian Leitenstorfer (Symbolfoto)

Vor 25 Jahren fanden sich in Augsburg ein paar Idealisten zusammen, die eine Asylunterkunft bauen wollten. Daraus ist nie etwas geworden. Aus dem Verein "Tür an Tür" schon.

Amelie Kraus ist vorbereitet. Sie hat Stifte bereitgelegt und den Stapel Arbeitsblätter – Einstufungstest Deutsch, Niveaustufe 1 bis 5. Alles andere, was in den nächsten Minuten passiert, kann die 24-Jährige nicht absehen. Wie viel von den Testaufgaben die Frau mit dem Kopftuch versteht, die jetzt an ihren Tisch kommt. Ob sie überhaupt ihren Namen schreiben kann. Oder ob sie sich stattdessen mit Händen und Füßen verständigen muss. „Sprechen Sie deutsch?“, fragt Amelie Kraus also. Mahsume Ahmadi rückt das Kopftuch zurecht, lächelt verschämt. „Ein bisschen“, sagt sie. Die junge Frau auf Afghanistan beginnt mit dem ersten Blatt, schreibt die Artikel vor die Wörter. Die Küche, das Kind, der Kopf. Konjungiert die Verben. Herr Müller wohnt in Augsburg. Er fährt nach Italien. „Das war zu einfach“, meint die Lehrerin.

Es geht weiter: Nominativ, Akkusativ, Fragen formulieren, Sätze im Perfekt bilden. Auf Blatt 4, wo Mahsume Ahmadi beschreiben soll, was die Katze auf dem Bild tut, ist Schluss. „Das ist zu schwer“, sagt die 36-Jährige und es wirkt, als müsste sie sich entschuldigen. Amelie Kraus weiß, dass es anders sein kann. So wie bei der Asylbewerberin am Tisch nebenan. Auf die Frage, woher sie stammt, wie sie heißt, wann sie hierhergekommen ist, antwortet die Afghanin nicht. Sie versteht nicht, was der Lehrer von ihr will. Dann nimmt er ihren Pass, notiert die Angaben, erklärt ihr, dass sie in zwei Wochen wiederkommen soll, zum Kurs für Flüchtlinge, die erst das Schreiben lernen.

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Gut möglich, dass Amelie Kraus sie unterrichtet. Die Lehramtsstudentin gibt hier, beim Augsburger Verein „Tür an Tür“, Deutsch-Kurse für alle Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf staatlichen Unterricht haben. Auch Asylbewerber, die bei null anfangen, sind dabei. „Das ist am Anfang schwierig“, sagt die 24-Jährige. Dann spricht Kraus in einfachen Sätzen, behilft sich mit Gesten, wiederholt die Wörter immer wieder – bis sie hängen bleiben. Seit vier Jahren ist Kraus Mitglied bei „Tür an Tür“, seither unterrichtet sie in ihrer Freizeit Flüchtlinge – ehrenamtlich. Natürlich, sagt sie, geht es ihr um Berufspraxis, schließlich will sie von Herbst an Deutsch als Fremdsprache unterrichten. „Aber vor allem tue ich etwas Sinnvolles. Und es macht mir Spaß.“

Drüben im „Tür an Tür“-Café sitzt Edith Stockmann mit ihren Damen, wie jede Woche um diese Zeit, in der Mitte einen Korb voller Wolle. Die Handarbeitsgruppe hat Stockmann vor ein paar Jahren gegründet, als sie in Rente ging – als Treffpunkt für alle, die gern stricken, vor allem aber für Flüchtlinge, die ihr Deutsch verbessern wollen. Bei Trang Hguyen, 32, hat es funktioniert. Mittlerweile spricht die Vietnamesin besser Deutsch, als sie strickt – und das ist wichtig für ihre Arbeit als Köchin, erklärt sie. Jetzt aber soll es um die Feier gehen, um den Wandteppich aus vielen kunterbunten Türen, die Hguyen, Stockmann und die anderen Frauen gestrickt, gestickt und gefilzt, gewebt und gehäkelt haben. Es ist ein Geschenk, das sie heute Abend übergeben wollen, wenn „Tür an Tür“ seinen 25. Geburtstag feiert.

Mahbubur Rahman, 63, kommt aus Bangladesch. 1989 hat er das Kirchenasyl in Augsburg unterstützt. Es war der Auslöser für „Tür an Tür“.
Foto: Ulrich Wagner

Wer die Geschichte dieser Flüchtlingsinitiative verstehen will, muss weiter zurückgehen. Und sich mit Mahbubur Rahman, 63, unterhalten. Rahman flüchtete in den 1970er Jahren aus Bangladesch, das nach dem Unabhängigkeitskrieg von Militärputschen und Unterdrückung geprägt war. Es war die Zeit, als weniger als 50.000 Menschen im Jahr Asyl in Deutschland beantragten. Zehn Jahr später war die Situation eine andere. Die Flüchtlingszahlen stiegen deutlich, 1989 kamen 121.000 Asylbewerber – aus der Türkei, Polen und Jugoslawien, Indien, Afghanistan und Bangladesch. Und Augsburg machte bundesweit Schlagzeilen, weil sieben Männer aus Bangladesch, die abgeschoben werden sollten, Zuflucht in der Kuratie-Kirche im Stadtteil Göggingen suchten. Es war einer der ersten Kirchenasyl-Fälle in Bayern – und einer, der für die Flüchtlingshilfe in Augsburg prägend war.

Rahman, der damals für seine Landsleute gedolmetscht hat, sagt: „Die Menschen waren neugierig, sie wollten helfen.“ Sie brachten Tischtennisplatten, kamen mit ihren Kindern vorbei. In der Kirche wurde gespielt, gekocht, diskutiert. Matthias Schopf-Emrich, einer der Unterstützer von damals und heute einer von fünf „Tür an Tür“-Vorständen, sitzt in seinem Büro und sagt: „Diese Willkommenskultur habe ich nie mehr so stark erlebt wie damals – vielleicht noch 2015.“

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Nach einem Jahr wurde der politische Druck in Bayern zu groß, das Kirchenasyl wurde nach Hildesheim verlegt. Die Bewegung aber, die in Augsburg entstanden war, sollte aus Sicht der Ehrenamtlichen fortgeführt werden. Denn Probleme gab es genug: Die Asylzahlen stiegen weiter, 1992 kamen fast 440.000 nach Deutschland. Die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt waren dramatisch überbelegt. Allein im Fabrikschloss, einer alten Lagerhalle mit notdürftig abgehängten Räumen und Containern, waren zu Höchstzeiten 1200 Männer untergebracht. „Das hatte den Charakter eines Slums. Diesen Lärm und Gestank kann man sich nicht vorstellen“, sagt Schopf-Emrich. Kirchliche Organisationen weigerten sich, Berater hinzuschicken. Also lieferten die Ehrenamtlichen einen Vorschlag: eine Wohnanlage, in der Flüchtlinge und Studenten zusammenleben. Weil es einen Träger für das Projekt brauchte, gründeten sie 1992 „Tür an Tür“.

Gebaut aber wurde die Wohnanlage nie – obwohl es ein Konzept, einen Plan und einen Platz dafür gab. Nach dem Asylkompromiss 1992 sanken die Flüchtlingszahlen rapide, die Staatsregierung gab kein Geld mehr für das Vorhaben.

Matthias Schopf-Emrich, 63, hat „Tür an Tür“ mitgegründet. Der Flüchtlingsberater des Diakonischen Werks ist einer der Vereinsvorstände.
Foto: Ulrich Wagner

Schopf-Emrich schüttelt den Kopf, als könnte das alles nicht wahr sein, und erzählt, wie frustrierend das damals war. Wie der Helferkreis das Projekt feierlich beerdigte, mit Sarg, Blasmusik und einem gemieteten Bagger auf dem Bauplatz. Und wie verrückt der Lauf der Dinge manchmal ist. Weil die Caritas auf genau dieser Fläche nun eine Asylunterkunft eröffnet hat – 25 Jahre später.

Dem Verein hat dieser Rückschlag nicht geschadet. „Wir haben die negative Energie in Ideen umgewandelt“, sagt Schopf-Emrich rückblickend. Und was auf diese Weise in den letzten Jahren entstanden ist, kann sich sehen lassen. Der Verein übernahm 1995 das Augsburger „Wohnbüro“, eine auf die Unterstützung von sozial benachteiligten Wohnungssuchenden spezialisierte Beratungsstelle, vier Jahre später kaufte man das Augsburger Europadorf, gründete Netzwerke und Beratungsstellen. Heute geht es vor allem darum, die Lebensbedingungen und die Integration von Flüchtlingen zu verbessern, es geht um Wohnraum für Migranten, um berufliche Qualifikation und darum, die Sprache zu verbessern.

Für manche ist "Tür an Tür" so etwas wie eine neue Aufgabe

2012 zog der Verein in das alte Straßenbahndepot an der Wertachstraße, vor drei Jahren entstand hier so etwas wie Augsburgs Vorzeige-Café. Nicht nur, weil die Besucher für Kaffee, Kuchen oder die Gemüselasagne, die es an diesem Tag gibt, nicht zahlen müssen. Sie spenden, was sie wollen. Sondern, weil auch alle, die hier arbeiten, das ohne Gegenleistung tun. Wie der junge Syrer, der immer Falafel macht. Wie Pia und Annika hinter der Theke. Oder Ruth Geiger, 69, die jeden Dienstag da ist. Dann bringt sie Kuchen mit, Schwarzwälder, Nussecken, heute Rührkuchen mit Äpfeln und Streuseln. Und sie kocht für 40 bis 50 Personen. Denn mittags essen hier nicht nur Flüchtlinge, die zum Deutschkurs kommen, Ehrenamtliche oder Studenten, sondern auch Mitarbeiter der nahegelegenen MAN und der Arbeitsagentur.

Amelie Kraus, 24, gibt bei „Tür an Tür“ Deutsch-Unterricht für Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf staatliche Kurse haben.
Foto: Ulrich Wagner

170 Mitglieder hat der Verein, etwa 150 Freiwillige engagieren sich in verschiedenen Bereichen – auch jetzt, anderthalb Jahre nach der großen Flüchtlingswelle, auch jetzt, wo weniger Asylbewerber kommen. Matthias Schopf-Emrich macht es Mut, dass nach wie vor so viele Helfer gibt. Und das, sagt er, unterscheidet diese Flüchtlingskrise von der Mitte der 90er Jahre. „Es gibt viel mehr Ehrenamtliche als damals, viel mehr Rückendeckung aus der Gesellschaft.“ Jetzt gehe es darum, dieses Engagement zu halten.

Für manche ist „Tür an Tür“ so etwas wie eine neue Aufgabe. Für die kochende Ruth Geiger zum Beispiel. Früher hat sie als Anwaltsgehilfin gearbeitet, war eine Zeit lang in Afrika. Jetzt will sie helfen. „Mir ist es immer gut gegangen. Da will ich gerne etwas abgeben.“ Manche finden in der Rente wieder mehr Zeit für das Ehrenamt. So wie Gabriela Klusch, 64, die schon die Anfänge des Vereins begleitet hat und heute mit Mahbub, einem jungen Afghanen, Hausaufgaben macht, mit einer Irakerin Lesen übt und auch bei der Handarbeitsgruppe mitarbeitet. „Für mich ist das hier wie ein Familienkreis“, sagt sie.

Mahbubur Rahman, das Gründungsmitglied, hat sein Engagement in der Familie weitergegeben. Seine Tochter Parboni gibt bei „Tür an Tür“ Tanzstunden für Flüchtlinge, er begleitet Asylbewerber bei Behördengängen. Seine Familie, sagt er, fühle sich verpflichtet, diesem Land etwas zurückzugeben. „Eines darf man nicht vergessen“, sagt er. „Dieses Deutschland ist ein Golddeutschland, weil es so viel Offenheit für Flüchtlinge gibt.“

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