EU-Gipfel: Starkes Signal oder Anfang vom Ende?
Beim EU-Gipfel in Brüssel einigt sich die EU auf eine "Fiskalunion". Die Briten lassen "Merkozy" beim Thema Vertragsänderung auflaufen - die Bundeskanzlerin ist trotzdem zufrieden.
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel nach elfstündigem Verhandlungsmarathon am Freitagmorgen in Brüssel vor die Journalisten trat, wirkte die deutsche Regierungschefin trotz Müdigkeit gelöst. Gerade hatten die Briten die Verhandlungen über Vertragsänderungen zur Euro-Rettung platzen lassen, eine gemeinschaftliche Lösung im europäischen Geist war gescheitert. Dass Merkel gute Miene zum bösen Spiel machte, hatte einen guten Grund. Die CDU-Chefin hatte sich in Brüssel einmal mehr durchgesetzt.
Der Gipfel verständigte sich auf einen der Schuldengrenzen und schärfere Sanktionen in der Eurozone einführen wird. Zur Gipfel-Einigung gehört auch, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM um ein Jahr auf Mitte 2012 vorgezogen werden soll. Zudem soll der IWF mit bilateralen Krediten um bis zu 200 Milliarden Euro aufgestockt werden, um sich stärker an der Rettung von Euro-Krisenstaaten zu beteiligen. All das war in . Das meiste war von ihr und dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy so vorbereitet worden.
Keine breite Basis: Billigend in Kauf genommen
Dass es keine breite Basis für diese Beschlüsse gab, nahm die Kanzlerin billigend in Kauf. Sie war vor allem mit einem Ziel nach Brüssel gereist: den Märkten ein Signal zu geben, dass die Politik in der Lage ist, die Euro-Krise zu managen. "Die 17 Staaten der Eurogruppe müssen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Und ich glaube, mit den heutigen Beschlüssen kann und wird das gelingen", sagte die Kanzlerin. Und Sarkozy sekundierte brav, dass man um die Eilbedüftigkeit der neuen Regeln wisse. Der neue Vertrag solle bis März ausgehandelt sein, erklärte der Franzose.
"Ich glaube, wir haben ein sehr, sehr wichtiges Ergebnis", schrieb Merkel den Aktienhändlern noch ins Stammbuch, auf dass sie es an den Börsen Anfang kommender Woche auch begreifen: Die EU hat die Warnungen von Experten und Ratingagenturen begriffen.
Nur, dass es eben nicht mehr die Europäische Union ist, die da handelt. Statt dessen werden sich die Bürger an das vergleichsweise hässliche Wort "Fiskalunion" gewöhnen müssen. Dahinter stehen die 17 Staaten der Euro-Gruppe plus mindestens sechs weitere Kandidaten, die zum Beispiel deshalb mitmachen, weil sie bald selbst den Euro einführen wollen.
"Zwischenstaatlicher Vertrag"
Die "17 plus 6" planen, einen "zwischenstaatlichen Vertrag" abzuschließen, ein Konstrukt und Wortgebilde, auf das man wohl auch nur im Bürokraten-Raumschiff Brüssel kommt. Ob solch ein Vertrag juristisch haltbar ist, das war am Freitagmorgen noch längst nicht klar, die Einschätzungen gingen auch bei den Brüsseler Institutionen weit auseinander.
Möglicherweise droht Merkel auch Ungemach im eigenen Land. Eine Zustimmung des Bundestages zu diesem Vertrag könnte - auch das gilt es noch zu prüfen - eventuell notwendig sein. Inklusive der Gefahr, dass deutsche Abgeordnete in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und die ganze Sache noch verzögern. Ob bei den Märkten tatsächlich das erhoffte Signal der Stärke ankommt, angedrohte Herabstufungen zurückgenommen werden - ganz sicher ist das im Morgengrauen keineswegs.
Unabsehbare Auswirkungen
Gänzlich unabsehbar sind die Auswirkungen auf die Europäische Union. Die "Idee Europa, die Zukunft des Kontinents", wie es Altkanzler Helmut einmal überschrieb, sie steht zumindest auf der Kippe. Denn es ging auch ein anderes Signal von Brüssel aus: Wenn wir uns alle nicht einigen können, dann machen eben ein paar alleine weiter.
Dieses Beispiel allerdings könnte Schule machen, Streitpunkte gibt es in der EU schließlich genug. Spalten statt zu diskutieren, absondern statt um eine Einigung zu ringen - das könnte der Anfang vom Ende der EU sein. (dapd)
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