Konkurrenz aus dem Netz bringt Taxifahrer in Bedrängnis
Ein Trend verändert die Wirtschaft: Teilen statt besitzen. Das bekommen auch alte Branchen wie das Taxigewerbe zu spüren. Und wirft Fragen zur Moral dieser Ökonomie auf.
Das Geschäft läuft schon lange nicht mehr so gut wie damals. Damals – damit meint Franz Pietsch die Zeit Ende der achtziger Jahre, als die amerikanischen Soldaten noch in Augsburg stationiert waren. Selbst am Ende einer langen Schlange am Taxistand in der Sheridan-Kaserne konnte es Pietsch kaum wagen, schnell zum 50 Meter entfernten Hotdog-Stand zu spurten, wollte er keine Kundschaft verpassen. Für die Taxler waren es paradiesische Zustände.
Pietsch, Taxiunternehmer aus Augsburg, ist seit 1987 in diesem Geschäft tätig. Doch so wenig Kunden wie während der Pfingstferien habe er noch nie erlebt: „Da bekommt man richtige Existenzängste.“ Pietsch ist 51 Jahre alt, seine Haare glänzen silbrig-grau. Doch sein spitzbübisches Lächeln lässt ihn jünger wirken.
Anfang der neunziger Jahre, so erzählt er, lief das Geschäft während der Nachtschichten noch so gut, dass man es sich leisten konnte, bereits um vier Uhr morgens Schluss zu machen und nach Hause zu fahren. „Das ist heute nicht mehr drin.“ Als Familienvater mit zwei Kindern muss Pietsch seine Schichten – in der Regel von sieben bis weit nach 21 Uhr – voll ausnutzen, um über die Runden zu kommen. Ohne die Unterstützung seiner Frau, die eine Teilzeitstelle bei der Post hat, wäre es wirklich knapp.
Taxen nehmen sich gegenseitig das Geschäft weg
Sorgen bereitet Pietsch, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Konkurrenten auf den Markt drängten und sich die Taxen so gegenseitig das Geschäft wegnehmen. Am Wochenende strömten die Taxen vom Land nach Augsburg und kreisten nachts um die Feiermeile der Maximilianstraße und fischten dort die Kundschaft ab. Schuld daran ist in Pietschs Augen die Politik. „Die Landratsämter haben die Lizenzen rausgegeben wie warme Semmeln“, schimpft er.
Seit kurzem lehrt aber zusätzlich eine neuartige Konkurrenz aus dem Internet nicht nur Taxler das Fürchten. Die sogenannte „Shared Economy“ stellt die althergebrachten Geschäftsmodelle vieler Branchen auf den Kopf. Dabei geht es nicht mehr darum, Eigentum zu besitzen, sondern Zugang zu Dingen und Dienstleistungen zu erhalten.
Harald Heinrichs vom Institut für Nachhaltigkeitssteuerung der Leuphana Universität Lüneburg hat den Trend näher erforscht. Vor allem große Konzerne und innovative Start-ups witterten hier ein Geschäft. „Das ist schon Big Business“, sagt er und prophezeit „extrem hohe Wachstumsraten.“
Die Politik soll nicht bloß zuschauen
Manche Experten glaubten, dass dieses Modell die Wirtschaft revolutionieren werde. So weit will Heinrichs nicht gehen. Wichtiger sei aber, dass die Politik nicht als untätiger Zuschauer „am Spielfeldrand“ stehen bleibe. Denn die Shared Economy bringt viele neue Geschäftsmodelle hervor, stellt aber auch viele alte infrage. „Dabei entsteht ein ziemlich großer Graubereich.“
Denn wer im Internet über die Plattform Airbnb (sprich: „äir bi en bi“) eine günstigere Übernachtungsgelegenheit als im Hotel oder als Pendler Mitfahrgelegenheiten zum Unkostenbeitrag anbietet, greift das Geschäft des Übernachtungs- und Personenbeförderungsgewerbes an.
So etwa das Portal Uber („Juber“ ausgesprochen). Über eine App bietet Uber Mitfahrgelegenheiten vom Taxidienst bis zum Limousinenservice an – und verspricht dabei, günstiger zu sein als die regulären Taxen. Uber ist inzwischen in mehr als 120 Städten weltweit vertreten, darunter New York, London, Paris, Hamburg und Berlin. Der Wagen wird nicht mehr per Handzeichen, sondern per Smartphone-App geordert. Bezahlt wird über die App – der Kunde hinterlegt bei Uber seine Kreditkartendaten. 20 Prozent des Fahrpreises gehen an Uber. Klingt nach einem Geschäft, bei dem es nur Gewinner gibt.
Auch Banken investieren in die Geschäftsidee
Lukrativ ist es in erster Linie aber für die Vermittler. Das zeigt sich auch daran, dass Investmentbanken wie Goldman Sachs inzwischen in sie investieren. Uber wird derzeit von privaten Risikokapitalgebern mit rund 17 Milliarden Dollar bewertet, Airbnb mit zehn Milliarden.
In München gibt es seit kurzem den Dienst Uber-Pop. Im Prinzip kann sich jeder über 21-Jährige mit Führerschein dafür als Fahrer bewerben. Voraussetzung ist ein makelloses Führungszeugnis und ein ordentliches Auto ab Baujahr 2005, wie Uber auf seiner Webseite schreibt.
Tom (Name von der Redaktion geändert) war einer der Ersten, die sich als Fahrer meldeten. Er streckt zur Begrüßung seine Hand aus dem geöffneten Beifahrerfenster seines silbernen Renault Clio und lächelt warmherzig. Tom ist etwa 30 Jahre alt und trägt eine runde Brille. Die Fahrt geht vom Tierpark Hellabrunn in Richtung Hauptbahnhof. Fahrpreis 9,74 Euro. Ein normales Taxi kostet 15,10 Euro.
Verkrustete Strukturen aufbrechen
Tom ist begeistert von der Sharing-Idee. Es gefällt ihm, Teil einer Bewegung zu sein, die die verkrusteten Strukturen der alten Branchen aufbricht. „Ich bin einer, der gegen den Strom schwimmt“, sagt er und lacht. Sein Lachen wirkt ein wenig, als wäre er über sich selbst überrascht. Für ihn liegt die Zukunft in der Sharing-Wirtschaft. Er ist überzeugt, dass „die Welt nur überleben kann, wenn wir teilen“.
Ob er von den Einnahmen als Fahrer für Uber leben kann, kümmert Tom wenig. Der wirtschaftliche Aspekt stehe bei ihm nicht im Vordergrund, sagt er. Er mache die Fahrten nur nebenher. Zurzeit sei er aber arbeitslos. Inwieweit seine Angaben richtig sind, lässt sich nicht überprüfen.
Klar ist, dass sich dieses Geschäftsmodell am Rande der Legalität bewegt. Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es, sobald die Fahrer einen Gewinn erwirtschaften, müssten sie sich an das Personenbeförderungsgesetz halten. Denn dann, stellt Ministeriumssprecher Michael Siefener klar, „handelt es sich nicht um eine private Gefälligkeitsfahrt“, sondern um ein genehmigungspflichtiges Gewerbe, bei dem die entsprechenden Nachweise über die Eignung und Sicherheitsvorkehrungen erbracht werden müssten.
Die Einnahmen versteuern? Warum denn?
Tom fährt bislang ohne eine solche Genehmigung. Er hält es bislang auch nicht für nötig, seine Einnahmen zu versteuern.
Uber kümmert das alles wenig. Das Unternehmen komme seiner Steuerpflicht nach, lässt es ausrichten. Ob die Fahrer ihre Einnahmen dem Fiskus melden, bleibt deren Sache. Sie seien schließlich „unabhängige Dienstleister“.
Ähnlich hält es Uber mit der Versicherung. Auf seiner Webseite beteuert Uber zwar, „höchste Priorität ist die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Kunden und Partner“. Daher würden die Fahrer zusätzlich zu ihrer privaten Versicherung durch eine weitere Versicherung abgesichert.
Inwieweit sich die Fahrer im Alltag tatsächlich an diese Bedingungen halten, wird aber nicht überprüft. Tom hat eigenen Angaben zufolge eine Vollkaskoversicherung für sein Auto abgeschlossen. Eine Insassenversicherung fehlt ihm derzeit aber noch. Er will sie bald abschließen. „Sicher ist sicher“, sagt er.
"Taxizentralen haben Entwicklung verschlafen"
Die Proteste der Taxifahrer gegen Uber kann Tom nicht nachvollziehen. Die Taxizentralen hätten früher auf die neue Entwicklung reagieren können, meint er: „Die haben das verschlafen. Jetzt lassen sie sich den Markt abgraben. Aber so sind die Gesetze des Marktes.“
Doch der Kampf um Kunden wird mit ungleichen Waffen geführt. Denn Firmen wie Uber oder Airbnb müssen sich keine Gedanken über Sozialbeiträge machen. Was mit dem Uber-Fahrer passiert, wenn er einmal krank ist, ist, salopp gesagt, dessen Problem. Auch das Thema Mindestlohn, das dem Taxigewerbe Sorgen bereitet, spielt für Uber keine Rolle.
Mit den Angeboten, die Uber auf diese Weise unterbreitet, kann Taxiunternehmer Pietsch nicht mithalten. Allein die Versicherung koste ihn rund 2600 Euro im Jahr, zählt er auf.
Stadtrat entscheidet über Preiserhöhungen
Hinzu kommt, dass die Taxi-Gebühren von der Politik festgelegt werden. Pietsch kann nicht wie Uber zu Stoßzeiten, wenn das Angebot knapp wird, den Fahrpreis anheben. Wenn die Taxigenossenschaft in Augsburg eine Erhöhung vorschlägt, entscheidet letztlich der Stadtrat. Bis die höheren Gebühren tatsächlich bei Pietsch ankommen, vergeht sehr viel Zeit. „Wir hinken da immer hinterher“, ärgert er sich.
Kommt der Mindestlohn, würden viele Taxiunternehmer ihr Geschäft aufgeben müssen, prophezeit Pietsch. Einen fest angestellten Fahrer kann er sich schon jetzt nicht leisten. Er beschäftigt lediglich Aushilfsfahrer auf 400-Euro-Basis. Dabei erfüllten die Taxen einen öffentlichen Auftrag. „Wir haben eine Beförderungs- und Fürsorgepflicht“, betont Pietsch.
Inzwischen bewegt sich die Politik. Im Bund sei man sich einig, gegen Geschäftsmodelle wie Uber-Pop „vorzugehen und sie zu untersagen“, kündigt Ministeriumssprecher Siefener an. Gegenwärtig würden die erforderlichen Beweise für ein solches Verbot gesichert. „Allerdings“, räumt Siefener ein, „erweist sich das in der Praxis als schwierig.“
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