Linksruck in Berlin: Jan Stöß wird neuer SPD-Landeschef
Die Sozialdemokraten in Berlin wählen einen neuen Landeschef. Entgegen dem Rat des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit...
Er warf das ganze Gewicht seiner Person und seines Amtes in die Waagschale. Er warnte, er bat, er flehte, er appellierte. Doch am Ende war alles vergebens. Klaus Wowereit Klaus Wowereit, seit elf Jahren Regierender Bürgermeister von Berlin, der seine SPD drei Mal hintereinander zur stärksten Partei in der Hauptstadt gemacht hat, musste beim Landesparteitag am Samstag eine schwere Schlappe einstecken. Mit einer überraschend klaren Mehrheit von 123 zu 101 Stimmen wählten die Delegierten den engsten Vertrauten des Regierenden Bürgermeisters, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, als Chef der Berliner SPD ab und bestimmten den Sprecher der Partei-Linken, Jan Stöß, zum . Und das, obwohl sich Wowereit in einem kämpferischen Auftritt für die Wiederwahl Müllers ausgesprochen hatte.
Jan Stöß gewinnt gegen Michael Müller
Doch die Appelle des Regierungschefs, der die „hervorragende Arbeit“ Müllers an der Spitze der SPD hervorhob und an die drei Wahlsiege 2001, 2006 und 2011 unter dessen Führung erinnerte, verhallten ungehört. Die Niederlage des 47-jährigen Müller, der wie Wowereit aus dem eher konservativen und bürgerlichen Bezirksverband Tempelhof stammt und für einen pragmatischen Kurs der Mitte steht, hatte sich schon im Vorfeld des Parteitags abgezeichnet. Denn der 38-jährige Verwaltungsrichter Jan Stöß, Chef des traditionell linken Bezirksverbandes Friedrichshain-Kreuzberg, hatte nicht nur die mitgliederstarken linken Bezirke geschlossen hinter sich, sondern punktete auch im Lager der Pragmatiker und Rechten sowie der Parteijugend.
Müller hätte zu wenig kommuniziert
Mit seiner Forderung nach einer inhaltlichen Erneuerung der seit elf Jahren regierenden Partei und seiner Kritik am ungeliebten Bündnis mit der CDU stieß Stöß auf unerwartet starke Resonanz an der Basis. „Es reicht nicht, nur dafür zu sorgen, dass es Ruhe gibt“, sagte er mit Blick auf Müller, der es stets als seine Hauptaufgabe verstanden hatte, seinem Freund und Weggefährten Klaus Wowereit den Rücken frei zu halten und als Fraktionschef im Abgeordnetenhaus dafür zu sorgen, dass die Partei den Regierungskurs unterstützt und die Kompromisse mit dem Koalitionspartner mitträgt. Zur Belohnung hatte ihn Wowereit im Herbst vergangenen Jahres zum Senator für Stadtentwicklung gemacht, womit Müller endgültig in die Kabinettsdisziplin eingebunden war. In der Partei hieß es, die SPD verliere an Profil und werde in der Hauptstadt als eigenständige politische Kraft kaum mehr wahrgenommen. „Michael Müller nimmt die Partei nicht mit“, er entscheide „im kleinen Kreis“ und kommuniziere zu wenig, lauteten die Vorwürfe.
Jan Stöß fordert deutliche Abgrenzung von der CDU
Das Unbehagen an der Basis nahm der Parteilinke Jan Stöß zum Anlass, seinen Hut in den Ring zu werfen und Müller herauszufordern. „Ich will eine unabhängige SPD mit einem klaren Profil“, forderte er unter dem Jubel seiner Anhänger bei seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag. Die Berliner SPD müsse sich deutlich vom Koalitionspartner CDU absetzen und sich wieder für linke Bündnisse öffnen. Ausdrücklich betonte Stöß, dass sich seine Kandidatur nicht gegen Wowereit richte („der beste Regierende Bürgermeister seit Willy Brandt“), sondern dass es ihm ausschließlich um Inhalte gehe. Als Parteichef wolle er den Senat „auch mal antreiben“.
Gleichwohl warnte Wowereit auf dem Parteitag vor der „inneren Zerstörung“ der SPD und davor, Partei, Fraktion und Senat gegeneinander auszuspielen und die SPD-Senatoren als „ein feindliches Lager“ zu betrachten: „Sie machen sozialdemokratische Politik, und zwar jeden Tag in der Koalition.“ Am Ende fiel die Niederlage für Müller und damit auch für Wowereit deutlicher als erwartet aus.
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