Merkel-Besuch: Geldhahn bleibt für Griechenland geöffnet
Nach dem Athen-Besuch der Kanzlerin, ist klar: Die Idee, den Griechen den Geldhahn zuzudrehen und ihnen damit den Stuhl vor die Tür der Euro-Zone zu stellen, ist vom Tisch.
Im Sommer noch sah es im Fall Griechenland aus, als ob Angela Merkel mit dem Gedanken an ein Ende mit Schrecken spielte. Doch der Wind hat sich gedreht. Und spätestens jetzt, nach dem Athen-Besuch der Kanzlerin, ist klar: Die Idee, den Griechen den Geldhahn zuzudrehen und ihnen damit den Stuhl vor die Tür der Euro-Zone zu stellen, ist vom Tisch. Merkel hat dem griechischen Regierungschef Samaras zwar ein weiteres Mal klargemacht, dass sie auf der Erfüllung der Reformversprechen besteht. Aber ihr öffentliches Bekenntnis, sie wünsche sich einen Verbleib des völlig überschuldeten Landes in der Währungsunion, kommt einer Absage an Plan B – dem durch Einstellung der Zahlungen erzwungenen Austritt Griechenlands – gleich.
Milliarden Euro nach Athen pumpen
Man wird also kein „Exempel statuieren“, wie es der bayerische CSU-Finanzminister Söder vor ein paar Monaten vollmundig in Erwägung gezogen hatte. Man wird sich stattdessen weiter in Geduld mit den Griechen üben und den vor über zwei Jahren eingeschlagenen Kurs fortsetzen, das Land über Wasser zu halten – immer in der vagen Hoffnung, dass Hellas irgendwann wieder auf die Beine kommt und seine Zinsen aus eigener Kraft bezahlen kann. Man wird deshalb Ende November weitere 30 Milliarden Euro nach Athen pumpen – und zwar unabhängig davon, ob das jüngste Ultimatum etwas bewirkt hat und die Troika-Kontrolleure überhaupt nennenswerte Fortschritte feststellen konnten.
Risiken eines Austritts unkalkulierbar
Die ständige Versorgung mit frischem Geld ist umso fragwürdiger, als die von den Euro-Rettern pausenlos angemahnte „klare und glaubwürdige Umsetzung“ (Juncker) von Reformzielen trotz aller Zusagen nicht stattfindet. Zwar bürdet die griechische Regierung ihrem Volk eminente Sparopfer auf. Aber sie ist außerstande, eine gründliche Reform des maroden, aufgeblähten Staatsapparats zuwege zu bringen und die Steuern von Reichen einzutreiben. Die Chance, dass sich das wettbewerbsunfähige Land unter Euro-Bedingungen erholt und seine immensen Schulden zurückzahlen kann, ist denkbar gering. Wozu also die „Konkursverschleppung“, von der der Ökonom Professor Sinn spricht. Warum der unbedingte Wille, das einst wider besseres Wissen in die Währungsunion aufgenommene Land an Bord zu halten? Die wichtigsten Gründe liegen auf der Hand. Erstens sind die Risiken eines Austritts wegen des möglichen Dominoeffekts tatsächlich unkalkulierbar. Zweitens sind die Euro-Retter erpressbar. Mit jeder feierlichen Erklärung, wonach jedes Land unter allen Umständen in der Euro-Zone gehalten werden soll, verbessert sich die Verhandlungsposition der auf Hilfen angewiesenen Schuldenstaaten.
Bereitschaft zur Rettung Griechenlands
Allein bei einer Pleite Griechenlands wären auf einen Schlag 200 Milliarden Euro verloren – auf Kosten deutscher, holländischer oder französischer Steuerzahler. Wenn Angela Merkel nun keinen Zweifel mehr lässt an ihrer Bereitschaft zur Rettung Griechenlands, so hat das auch mit dem Versuch zu tun, weiter Zeit zu kaufen und die griechische Frage vor der Bundestagswahl in der Schwebe zu lassen. Ein Bankrott belegte ja nicht nur das Scheitern der Rettungspolitik, sondern bedeutete auch den Verlust von viel deutschem Steuergeld.
Der Kampf um die Rettung der Währungsunion bleibt eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Im besten Fall gelingt es, den Euro-Verbund zu langfristig erträglichen Konditionen zu erhalten. Im schlimmsten Fall droht nicht nur eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden, sondern durch die Gelddruckerei der Notenbank auch eine Entwertung des Geldes. Ein Ende der Krise ist so oder so nicht in Sicht.
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