Schlagloch-Soli: Eine Zumutung für die deutschen Autofahrer
Angesichts sprudelnder Steuereinnahmen ist Torsten Albigs Schlagloch-Soli eine irrwitzige Idee. Daher ist die hämische Kritik an dem Vorschlag berechtigt. Ein Kommentar.
Schneller hat die SPD selten eine unausgegorene Idee beerdigt. In einem Land, in dem die Liebe zum Auto gelegentlich pathologische Züge annimmt, überlegt es sich jede Partei zweimal, was sie den Autofahrern neben den hohen Benzinpreisen eigentlich noch alles zumuten will. Eine Pkw-Maut für Inländer gehört eindeutig nicht dazu – und der Schlagloch-Soli von Torsten Albig schon gar nicht.
Natürlich ist es nur ein Zufall, dass der Vorschlag des Kieler Ministerpräsidenten genau an dem Tag die Republik beschäftigt, an dem das Finanzministerium einen neuen Rekord bei den Steuereinnahmen vermeldet. Albigs wichtigstes Argument jedoch, ohne seine Sonderabgabe könne der Staat nicht genügend Geld in den Ausbau und den Erhalt seines Straßennetzes stecken, wird dadurch nicht minder eindrucksvoll entwertet.
Solange die gute Konjunktur dem Fiskus mit der Regelmäßigkeit eines Schweizer Uhrwerks zu unerwarteten Mehreinnahmen verhilft, verbietet sich jede Diskussion über eine weitere Belastung seiner Bürger. Die sieben Milliarden Euro, die Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr zusätzlich für das Sanieren von Brücken und Straßen veranschlagen, sind da – sie müssen lediglich durch Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden, zum Beispiel durch den beherzten Abbau von Subventionen.
Es gibt ja auch kein Pflege oder Flüchtlings-Soli
Es mag ein wenig zynisch klingen: Aber wenn das Albig-Prinzip Schule macht, könnte sich das halbe Kabinett bald entspannt zurücklehnen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe würde dann zur Finanzierung seiner Pflege-Reform einen Pflege-Soli einführen, Entwicklungsminister Gerd Müller einen kleinen Flüchtlings-Soli für die Opfer des syrischen Bürgerkrieges und Verkehrsminister Alexander Dobrindt einen Internet-Soli für schnelle Datennetze auf dem Land.
Albigs Abgabe von 100 Euro pro Auto und Jahr für einen Sonderfonds zur Sanierung von Straßen wäre am Ende ja nichts anderes als das Eingeständnis politischen Unvermögens. Sie würde nicht nur Millionen von Autofahrern empören und Dobrindts Maut-Pläne konterkarieren, für die Koalition wäre sie auch ein finanzpolitischer Offenbarungseid: Wie reagiert ein Staat, der seinen Bürgern schon in guten Zeiten in die Tasche greift und sie mit neuen Abgaben traktiert, erst in der nächsten Rezession?
Der Vorstoß könnte ein Weckruf sein
Wenn überhaupt, macht Albigs Asphaltsteuer nur als Autobahngebühr nach österreichischem, italienischem oder französischem Vorbild Sinn. Dazu aber müsste die Bundesregierung ihre Verkehrspolitik und deren Finanzierung radikal umkrempeln, wenn nicht sogar Teile des Straßennetzes privatisieren und die Kosten für den Bau und die Pflege von Autobahnen und Brücken mit einer allgemeinen Maut finanzieren.
Zu einer solchen Kehrtwende, für die es durchaus gute Argumente gibt, sind Union und SPD allerdings nicht bereit, was den Vorstoß aus Kiel noch kruder macht, weil ein politischer Profi wie Torsten Albig natürlich sehr genau weiß, was in Berlin möglich ist und was nicht.
Im günstigsten Falle war sein Vorstoß vom Wochenende deshalb nur eine Art Weckruf – mit dem Ziel, die Verkehrspolitik mit ihrem immensen Sanierungsstau im Berliner Verteilungskampf nicht noch weiter unter die Räder kommen zu lassen. Im ungünstigsten Fall arbeitet der ehrgeizige Albig auf eigene Rechnung, indem er sich nach dem Streit um die Energiewende mit einer weiteren Breitseite gegen die Bundespartei als eine Art Querkopf aus Kiel zu profilieren versucht, als neuer Steinbrück womöglich gar. Die harschen Reaktionen aus der SPD sprechen jedenfalls für sich. So heftig wie Torsten Albig hat sie schon lange keinen Genossen mehr abgewatscht.
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