Wie für Motorrad-Rennfahrer Stefan Bradl die Saison zum Albtraum wurde
Motorrad-Rennfahrer Stefan Bradl will in der Königsklasse MotoGP starten. Doch sein Team ist pleite und der Vertragspartner sitzt im Gefängnis. Wie geht es weiter?
Stefan Bradl erlebt eine Saison wie einen Albtraum: zunächst Stürze, dann ein Kahnbeinbruch und jetzt ist offenbar sein Team pleite. Besitzer Giovanni Cuzari wurde jüngst verhaftet. Gegen ihn laufen Medienberichten zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bestechung, Steuerhinterziehung und Betrugs. Sponsoren des Teams erklärten daraufhin ihren Rückzug und stellten sämtliche Zahlungen ein. Die Teilnahme am US-Rennen musste das Team absagen. Nun zog der 25-Jährige aus Zahling im Landkreis Aichach-Friedberg die Konsequenzen:
Stimmt es, dass Sie den Vertrag bei Forward Racing gekündigt haben und wie kam es zu der Entscheidung?
Stefan Bradl: Es stimmt, ich habe gekündigt. Zuvor habe ich mich natürlich mit meinen Anwälten beraten. Der Teamchef, mein Vertragspartner, sitzt im Gefängnis. Es sind einige Paragrafen gebrochen worden. Das ist eine für alle äußerst ungünstige Situation, vor allem auch, weil das Team jetzt ein Rennen auslassen muss (den Lauf am 9. August in Indianapolis/USA, Anm. d. Red.). Und es sieht danach aus, dass es nicht nur bei einem Rennen bleiben würde. Sie zögern es jetzt ewig hinaus. Die Zukunftsaussichten für das Team sind schlecht.
Haben sich die Finanznöte bei vorhergehenden Rennen angedeutet?
Bradl: Nein. Es ist sehr plötzlich passiert, dass gleich nach dem Sachsenring-Rennen am 12. Juli der Teamchef Giovanni Cuzari verhaftet wurde. Dann hat die ganze Sache ihren Lauf genommen. Ich bin auch nur mit wenigen Informationen versorgt worden. Ich habe abgewartet. Man hat alles versucht, das Team weiterzuführen. Aber es war niemand da, der die Vollmachten hatte. Der entscheidende Mann sitzt in Haft und darf nichts sagen.
Wo ist Forward Yamaha beheimatet?
Bradl: Das Teambüro ist in Lugano in der Schweiz. Die Werkstatt ist in der Nähe von Mailand.
Wie oft geht ein Team in der MotoGP pleite?
Bradl: Das hat es schon immer wieder Mal gegeben. Aber so ein Fall, dass es während der Rennsaison passiert, mit Verhaftung und dem vollen Programm – das ist eher selten. Das Team ist jetzt mehr als fünf Jahre in der MotoGP und es gab nie die Befürchtung, dass etwas schiefläuft. Dass es jetzt ausgerechnet in diesem Jahr passiert, wo es für mich eh nicht so glücklich verläuft – schwierig.
Gibt es einen freien Platz in einem anderen MotoGP-Team?
Bradl: Ich bin drauf und dran, Kontakte herzustellen, und arbeite intensiv daran. Aber auf die Schnelle ist es schwierig. Jeder Tag zählt jetzt für mich.
Im Werksteam von Aprilia ist nach dem Ausscheiden von Marco Melandri ein Platz frei geworden, den am Sachsensring ein Testfahrer eingenommen hat. Ist das eine Option?
Bradl: Dazu kann ich nichts sagen.
Auch mit Pramac werden Sie in Verbindung gebracht…
Bradl: …auch dazu kann ich nichts sagen.
Schauen Sie sich auch in der Klasse tiefer, in der Moto2, um?
Bradl: Ich muss jetzt sehen, welche Möglichkeiten es für mich in der MotoGP gibt. Während der Saison sind das naturgemäß nicht viele, aber ich versuche alles. Das nächste Jahr ist jetzt für mich weiter weggerückt. Ich muss sehen, dass ich in der Saison 2015 noch zum Fahren komme. In so einer Situation war ich noch nie, und muss schauen, dass ich mit der besten Lösung herauskomme.
Wer führt die Verhandlungen?
Bradl: Zu neunzig Prozent mache ich das, deshalb bin ich zeitlich am Anschlag.
Wie verläuft der Heilungsprozess des Kahnbeinbruchs am rechten Handgelenk, den Sie sich beim WM-Lauf Ende Juni in Assen zugezogen haben?
Bradl: Der Kahnbeinbruch ist jetzt gut vier Wochen her. Ich bin mit der Entwicklung zufrieden. Am Montag war ich beim Medizincheck, die Röntgenaufnahme sah okay aus. Sollte ich am 9. August in Indianapolis fahren, dann tun mir die paar freien Tage bis dahin gut. Mit der Hand sehe ich das geringste Problem, viel schwieriger ist die Lage mit meinem alten Team und die Suche nach einem Startplatz. Ich bin einsatzbereit.
Unter dem Strich erleben sie ein Seuchenjahr…
Bradl: …viel schlimmer kann es nicht mehr werden. Zuerst die Verletzung, jetzt bin ich arbeitslos. Ich hoffe, jetzt wendet sich alles zum Guten.
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