Europa statt Klassenerhalt? Der FCA wird übermütig
Dass man beim FCA bis zuletzt am Saisonziel Klassenerhalt festgehalten hat, ist ein typischer Fall von Augsburgertum. Jetzt plötzlich geht der Blick nach Europa. Wird der Verein übermütig?
Das Wesen des Augsburgers ist schwer zu ergründen. Wer es dennoch versucht, muss dicke Bretter bohren. Der Augsburger ist lieber für sich als mit anderen. Kommt ein anderer und fragt, ob noch ein Platz frei sei, entfährt dem Augsburger ein gegrummeltes „Mhm“. Die Rechnung für den Leberkäs mit Kartoffelsalat und einem Riegele rundet er gerne von 9,95 auf zehn Euro auf. Er weiß, wie man sein Geld zusammenhält. Als überzeugter Pessimist macht er auf einen Schritt vor zwei zurück. Das alles bewahrt ihn vor Luftschlössern und großen Tönen.
Was kaum einer weiß: Das Augsburgertum ist ansteckend wie die Grippe. Macht nicht einmal vor Franken und Niederbayern halt. Das erklärt, warum die Führungsspitze des FC Augsburg um Manager Reuter und Trainer Weinzierl noch penetrant die 40-Punkte-Marke als klassenerhaltendes Saisonziel beschworen hat, als die Mannschaft schon längst in Richtung Europa unterwegs war. Ein besonders schwerer Fall von Augsburgertum. Andere sagen auch: ein sympathischer.
Weinzierl erklärt den Abstiegskampf für beendet
Inzwischen ist der FCA auf einem Spitzenplatz bei beeindruckenden 38 Punkten angelangt. Sichere 16 Zähler vom Abstieg entfernt, aber auch noch zwei Punkte vom 40er-Ziel. Jeder Augsburger hätte sich deshalb gut vorstellen können, wie Weinzierl und Reuter dort oben noch um den Klassenerhalt zittern. Andererseits zeichnet es echte und angelernte Augsburger aus, sich dem Erfreulichen hinzugeben, wenn es einem lange genug zulächelt.
So wie Markus Weinzierl, der den Abstiegskampf nun mutig für beendet erklärt hat. Einigen Augsburgern vielleicht noch zu früh. Die anderen dürften jetzt ungeniert den FCA und Europa in einem Satz nennen. Dazu Rom, Manchester, Valencia oder Sevilla einstreuen.
Mit dieser Perspektive bleibt der FC Augsburg das größte Phänomen dieser Bundesliga-Saison. Hätte es dafür noch einer Bestätigung bedurft, dann haben sie die vergleichsweise bescheiden ausgestatteten Augsburger mit dem 1:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg geliefert. Die Wolfsburger sind derzeit, neben dem FC Bayern, das Beste, was die Bundesliga zu bieten hat. Das aber ist noch zu wenig, um in Augsburg zu gewinnen. Man muss das nicht erklären können. Den Augsburger kann ja auch keiner erklären. Es muss reichen, ihn zu beschreiben.
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