Wechsel-Wahnsinn beim FCA
In den letzten Tagen bis zum Transferschluss hatte Stefan Reuter keine ruhige Minute. Mit der Verpflichtung von Milik und Hong ist er sehr zufrieden.
Es waren 90 Minuten, die Stefan Reuter auf der Auswechselbank des FC Augsburg am Mittwochabend im Bamberger Fuchs-Park-Stadion richtig genoss. Zwar riss ihn die Leistung seiner Bundesliga-Profis beim 5:0 (1:0)-Sieg im Freundschaftsspiel gegen den Regionalligisten FC Eintracht Bamberg 2010 nicht gerade zu Jubelstürmen hin, doch endlich hatte der Manager etwas Ruhe.
Transfermarkt: geschachert, geboten, geblufft
Es klingelte einmal kein Handy, er musste keine Verhandlungen führen, nicht um Vertragsmodalitäten feilschen, so wie er es in den letzten Tagen fast rund um die Uhrgetan hat. Seit Montag, 18 Uhr, ist das Transferfenster geschlossen, der Wechsel-Wahnsinn bis Anfang Januar vorbei. „In den letzten Tagen bekommt man noch einmal hunderte von Mails. Jeder Berater, der noch einen Spieler hat, der nicht untergekommen ist oder wechseln will, meldet sich“, beschreibt Reuter die Angebotswelle, die nicht nur über ihn hereingebrochen ist.
Bis zuletzt wurde zwischen Beratern, Spielern und Vereinsmanagern geschachert, geboten, geblufft und sich geeinigt. „Es ist unvorstellbar. Offensichtlich warten ganz viele auf die letzte Woche und dann kommt erst Bewegung rein“, staunte selbst der transfererfahrene Reuter über die Dynamik der letzten Minuten. Reuter, 46, selbst Objekt von Millionen-Transfers (Nürnberg – München, München – Turin, Turin – Dortmund), kennt das Geschäft aus Spieler- und Manager-Sicht.
Mischung aus Poker und Dominospiel
Doch wenn hunderte von Millionen Euros erst kurz vor Toresschluss wie bei den Transfers von Gareth Bale (von Tottenham zu Real Madrid) und Mesut Özil (von Real zu Arsenal) über den Tisch gehen, wird es selbst einem erfahrenen Trader wie Reuter schwindelig: „Was jetzt noch für Transfers zustande gekommen sind, ist unglaublich.“ Auch der FCA war bis zum Schluss an der Mischung aus Poker und Dominospiel beteiligt. Über die eigenen Finanzen schweigt sich Reuter allerdings in bester Augsburger Kaufmanns-Manier aus.
So ging die Ausleihe von Arkadiusz Milik von Bayer Leverkusen und der Transfer von Jeong-Ho Hong relativ spät über die Bühne. „Wir haben natürlich im Vorfeld viele Gespräche geführt, vieles lässt sich aber erst im letzten Moment finalisieren“, sagt Reuter. Wie bei Milik. Bayer gab erst grünes Licht, als es mit Eren Derdiyok in Hoffenheim Ersatz gefunden hatte. Wenn ein Stein fällt, reißt er andere mit. Am Ende hat Reuter die Spieler bekommen, die er auch wollte: „Ganz klar, die hatten wir die ganze Zeit im Kopf.“ Sowohl Milik, 19, als auch Hong, 24, erfüllen das neue Anforderungsprofil des FCA. „Es sind genau die Spieler, die ihr Potenzial zeigen wollen. Junge Spieler, die sich in der Bundesliga beweisen wollen.“
Milik und Hong erst später einsatzbereit
Doch die FCA-Fans müssen sich noch ein wenig gedulden, bis sie Milik und Hong in Aktion sehen können. Milik kuriert derzeit noch eine Muskelverletzung aus und absolviert in Augsburg ein Reha-Programm und Hong muss länger in der Heimat bleiben als geplant. Dort absolviert Südkorea zwei Freundschaftsspiele heute gegen Haiti und am Dienstag gegen Kroatien. Der FCA und Hong hatten gehofft, dass er freigestellt wird und schon diese Woche zurückkommt. Doch der Verband legte sein Veto ein. Jetzt wird Hong wie die anderen Nationalspieler am Mittwoch in Augsburg erwartet.
Aristide Bancé, 28, hingegen trainiert schon in Düsseldorf. Sehr zur Freude von Reuter. Auch bei diesem Transfer wurde verhandelt bis zum Schluss. Eigentlich wollte Düsseldorf mit Tolga Cigerci von Wolfsburg einen defensiven Mittelfeldspieler holen, doch als der sich für die Hertha entschied, war plötzlich Bancé das Objekt der Begierde.
Und der FCA ihn los. Vorerst. Ein Jahr ist Bancé ausgeliehen. Ein Kompromiß. Mehr war nicht drin. So deutlich würde es Reuter nie sagen. Das will er nicht und darf er auch nicht. Bancé hat schließlich bis 2015 noch Vertrag beim FCA „Wir waren da relativ offen und die Konstellation war so, dass Düsseldorf gesagt hat, sie würden ihn gerne ausleihen. Es ist für den Spieler eine gute Möglichkeit. Er hofft noch auf die Weltmeisterschaft. Ich bin überzeugt davon, dass er in der 2. Liga viele wichtige Tore schießen wird“, sagt Reuter, der Diplomat.
Reuter hat kein Verständnis für Spekulationen
Auch Andreas Ottl und Michael Parkhurst sollen auf der Verkaufsliste gestanden haben, wurde spekuliert. Reuter hat dafür kein Verständnis: „Darüber werde ich nie etwas sagen. Das gehört sich nicht. Es sind Spieler von uns. Die Verträge sind von zwei Seiten unterschrieben.“ Fakt ist: Ottl und Parkhurst sind noch da. Und vielleicht bald wieder wichtig. Reuter: „Oft geht es schnell im Fußball. Auch wenn einer mal im Hintertreffen ist, auf einmal macht er zwei gute Spiele, dann ist er wieder in aller Munde.“
Jetzt herrscht Ruhe. Man kann sich wieder aufs Wesentliche konzentrieren. Auf den Sport. Das war zuletzt schwierig. Darum fände es Reuter gut, das Transferfenster zu verschieben: „Man sollte vielleicht darüber nachdenken, ob man das Ende der Transferperiode nicht auf Ende Juli legt.“
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