„Ich habe 36 Lieblingsvereine“
Andreas Rettig ist seit 1. Januar 2013 Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga. Vorher war er sechs Jahre Manager des FC Augsburg. Jetzt ist er zur Neutralität verpflichtet.
Herr Rettig, Sie sind als neuer DFL-Geschäftsführer bei den Medien derzeit sehr gefragt…
Rettig: Mein Amtsantritt war mit viel Rummel verbunden. Aber das ist hier keine One-Man-Show.
Sie sind seit 1. Januar offiziell im Amt. Was macht der DFL-Geschäftsführer den ganzen Tag?
Rettig: Ich muss erst mal das Unternehmen kennenlernen. Mein Arbeitsbereich heißt Spielbetrieb und Lizenzierung. Dazu gehört auch das Thema Fans und Sicherheit.
Ist da noch Raum für Gedanken an den FC Augsburg?
Rettig: Als DFL-Geschäftsführer bin ich zur Neutralität verpflichtet. Seit dem 1. 1. habe ich 36 Lieblingsvereine. Der FCA ist einer davon.
Berührt Sie die aktuelle Entwicklung beim FCA nicht dennoch stärker als die bei anderen Klubs?
Rettig: Als jemand, der sechs Jahre bei diesem Verein war, würde ich sagen, ich verfolge die Entwicklung interessiert.
Das klingt nicht besonders heißblütig...
Rettig: Das Kapitel Augsburg ist für mich logischerweise beendet. Ohne Groll, im Gegenteil. Ich habe weiter ein Auge auf den Verein, aber aus einem anderen Blickwinkel heraus.
Gab es zuletzt noch Kontakte zur Führungsspitze des FCA?
Rettig: Natürlich habe ich nach sechs Jahren nach wie vor zu Präsident Walther Seinsch und Geschäftsführer Peter Bircks einen vertrauensvollen kurzen Draht. Bis zum 31. 12. konnte ich auch Einschätzungen abgeben, seit dem 1. 1. kann ich das nicht mehr. Das verbietet meine Pflicht zur Neutralität.
Demnach waren Sie bis 31. 12., also auch in der Zeit der Personalwechsel auf Ihrem ehemaligen Manager-Posten, noch als Ratgeber eingebunden...
Rettig: Der FCA braucht meine Ratschläge nicht. Abgesehen davon aber habe ich noch immer private Kontakte nach Augsburg. Am Donnerstag beispielsweise haben mich Bekannte aus Augsburg zu einem gemeinsamen Karnevalsabend besucht.
Der Karneval ist dem Rheinländer Rettig mit dem Wechsel in die DFL-Zentrale in Frankfurt wieder näher. Am nächsten aber sind Ihnen derzeit die Fußball-Fans und das Thema Stadionsicherheit. Diese Woche gab es ein Treffen mit Fan-Vertretern. Was ist der aktuelle Stand?
Rettig: Zunächst einmal muss man sagen, dass wir als Deutsche Fußball-Liga in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht haben. Das gilt allerdings auch für Medien, Polizei, Fan- und Vereinsvertreter. Das ist ja ein sehr heterogenes Geflecht. Vieles hat sich hochgeschaukelt, bis es am Ende zu den bekannten Fan-Protesten kam. Wir müssen jetzt in kleinen Schritten wieder aufeinander zugehen. Das hat diese Woche stattgefunden.
Was heißt das inhaltlich?
Rettig: Vertrauen aufbauen.
Was ist derzeit das größte Problem in den Diskussionen mit den Fans?
Rettig: Das beginnt schon mit der Frage, wer ist der Fan? Ist das der Familienvater mit zwei Kindern oder sind das die Ultras? Das erschwert die Kommunikation. Sprechen die einen, sagen die anderen, diese Gruppe kann nicht für uns sprechen.
Gibt es Themen, die für die DFL nicht verhandelbar sind?
Rettig: Pyrotechnik, Gewalt, Rassismus, politischer Extremismus – diese Punkte sind für uns kein Diskussionsgegenstand.
Apropos Rassismus: Sie selbst haben Kevin-Prince Boateng für seine Aktion gelobt, nach rassistischen Schmähungen das Spielfeld zu verlassen. Fifa-Chef Sepp Blatter hat Boateng, mit Verweis auf mögliche zukünftige Fälle dieser Art, dafür kritisiert. Verstehen Sie Blatter?
Rettig: Ich bleibe dabei, dass Boateng in dieser Situation Zivilcourage bewiesen hat. Wir sollten jetzt nicht schon wieder darüber diskutieren, was in ähnlichen Fällen zukünftig geschehen könnte...
Der deutsche Fußball bleibt in seinen großen Arenen von rassistischen Aktionen verschont. In tieferen Klassen ist das anders. Haben DFB und DFL darauf ein Auge?
Rettig: Das ist ja kein DFB/DFL-Thema, sondern ein gesellschaftliches Problem, das viel mit Werteverlusten zu tun hat. Wir alle müssen in der Aufklärung und der Prävention mehr leisten. Liga und DFB haben sich klar dazu bekannt, mehr Geld für Fan-Projekte bereitzustellen, unter der Voraussetzung allerdings, dass die Länder und Kommunen nicht aus der Förderung aussteigen.
Der Sittenverfall schon im Jugendfußball ist beträchtlich und trifft häufig die Schiedsrichter, weshalb deren Zahl abnimmt. Müssen Sie sich, als derjenige, der für die Schiedsrichter zuständig ist, Sorgen machen?
Rettig: Es fehlt der Respekt vor Autoritäten. Das trifft nicht nur Schiedsrichter, sondern auch Eltern, Lehrer und Polizisten. Es gibt kaum noch Leitlinien. Wenn ich früher als junger Fußballer auf den Trainingsplatz ging, hab ich die Ball-Netze getragen. Das war eine Form des Sich-hoch-Dienens. Heute fragt ein junger Spieler, warum muss ich das machen, und die Trainer müssen einen wöchentlichen Materialdienst bestimmen.
Nicht weniger bedeutsam für die DFL sind die Vorgänge bei 1860 München, wo ein Machtkampf zwischen Investor und Präsidium stattfindet. Wie wertvoll ist in einer solchen Lage die 50+1-Regel, die dem Klub die Entscheidungsfreiheit sichert?
Rettig: Sie sorgt für stabile Verhältnisse im deutschen Fußball. Die Ansprechpartner der DFL sind in den Klubs die Präsidenten oder Geschäftsführer, nicht die Investoren. Grundsätzlich sind Investoren herzlich willkommen, sie dürfen aber nicht die Entscheidungshoheit der Klubs unterlaufen.
Löwen-Investor Hasan Ismaik hat diese Woche angekündigt, sein Verhandlungspartner sei jetzt die DFL, er werde sich an die Liga wenden. Hat er sich schon gemeldet?
Rettig: Nein.
Nächste Woche startet die Rückrunde. Welche Partie werden Sie sich ansehen?
Rettig: Düsseldorf gegen Augsburg. Ich drücke beide Daumen. Einen für Fortuna Düsseldorf, einen für den FC Augsburg.
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