Das Kükenschreddern soll ein Ende haben
Jedes Jahr werden 45 Millionen männliche Küken getötet, weil sie keine Eier legen. Landwirtschaftsminister Schmidt will das mit einer neuen Methode ändern. Die Frage ist nur: Wann?
Sie schlüpfen aus dem Ei, dann fahren sie auf einem Fließband in den Tod. In den Industrieschredder. Oder sie werden vergast. Jedes Jahr werden in Deutschland 45 Millionen männliche Küken getötet, weil sie keine Eier legen können, aber auch nicht zur Mast taugen. Die Industrie hat einen Namen für Tiere mit solch einem Schicksal: Eintagsküken.
Ein technisches Verfahren soll dieses Massentöten in deutschen Brütereien nun stoppen. Forscher der Uni Leipzig wollen bis Ende 2016 einen Prototypen entwickeln, der das Geschlecht eines Embryos nach drei Tagen Brützeit feststellen soll. Die männlichen Eier sollen dann automatisch vernichtet werden, bevor die Küken schlüpfen. Das Verfahren soll nach den Worten von Bundesagrarminister Christian Schmidt spätestens 2017 angewendet werden – auch in Bayern.
Vergast und dann als Viehfutter verkauft
Eine Autostunde nordöstlich von München, nahe Taufkirchen sterben jede Woche 1500 männliche Küken. Auf dem Geflügelhof von Paul Schopf werden sie vergast und dann als Viehfutter verkauft. Das ist deutschlandweit die mit Abstand gängigste Methode in Brütereien, teilt der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) mit. Eine legale Methode. Noch.
Für Schopf ist die Tötung auch ein Mittel, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Für die getöteten Küken bekommt er zwar nur je einen Cent – dafür kosten sie ihn auch nichts. Im Vergleich: Ein weibliches Küken, das später einmal Eier legen wird, ist laut Schopf etwa 75 Cent wert. Wenn das Verfahren der Leipziger Forscher serienreif ist, muss nach jetzigem Stand auch Schopf seinen Betrieb umstellen.
Für den Geflügelzüchter steckt dahinter eine gute Idee. Doch er fürchtet sich vor hohen Kosten. „Ich kenne die Technik nicht“, sagt Schopf. Für Großbetriebe könnten die Geräte noch erschwinglich sein. Aber auch für die kleineren? „Wir wollen auch noch von dem Geschäft leben“, sagt Schopf.
Professor Edmund Koch von der Uni Leipzig entwickelt das Verfahren mit. Er rechnet mit ein bis zwei Cent Mehrkosten pro Legehenne – dieser Betrag verteile sich über eine Lebenszeit von etwa einem Jahr und 300 gelegten Eiern, die Mehrkosten der Geräte bereits eingerechnet. Trotzdem findet auch Koch, dass die Politik den oft finanziell angeschlagenen Betrieben bei diesen Investitionen helfen müsse.
Männliche Küken für Mast genutzt
Christian Hetzenecker, der unweit von Mühldorf am Inn eine Bio-Geflügelzucht betreibt, ist schon einen Schritt weiter. Er ist in seiner Brüterei auf ein Verfahren umgestiegen, dass er „Zweinutzung“ nennt. Die männliche Küken werden dabei nicht vergast oder geschreddert, sondern für die Mast genutzt. Möglich ist das, weil Hetzenecker eine spezielle französische Geflügelrasse nutzt, bei der sich die weiblichen Tiere als Legehennen eignen – und die männlichen als Masthähnchen. Ein Nischenmarkt, wie man beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft betont. Hetzenecker müsste seinen Naturland-Betrieb somit nicht auf ein neues Verfahren umstellen. Trotzdem fragt er sich: Wer legt eigentlich fest, bis zu welchem Stadium ein Ei vernichtet werden darf und wann nicht mehr? Ab wann ist ein Embryo ein Lebewesen?
Drei Tage nachdem ein Ei gelegt wurde, könne es noch vernichtet werden, sagen die Leipziger Forscher. Zu diesem Zeitpunkt sei „noch kein Schmerzempfindungsvermögen des Hühnerembryos anzunehmen“. Danach richtet sich auch Bundesagarminister Schmidt, dessen Ministerium das bereits dreijährige Forschungsprojekt mit zwei Millionen Euro fördert.
Mehreren Bundesländern geht das nicht schnell genug. In Nordrhein-Westfalen will man das Kükentöten schnellstmöglich über den Bundesrat verbieten. Schmidt sagt: Sobald es ein Verfahren gebe, greife ohnehin das Tierschutzgesetz. Auch die Tierschutzorganisation Peta will nicht mehr warten – denn ohnehin ist unklar, ob Minister Schmidt den Zeitplan einhalten kann.
Professor Koch geht davon aus, dass bis zur Serienreife des Verfahrens noch einige Zeit vergeht: „Ich halte 2017 für sehr, sehr, sehr optimistisch.“ Und das, obwohl die Forschung bereits weit fortgeschritten sei. Schon heute lasse sich mit einem Laserverfahren herausfinden, ob sich in einem Ei ein männlicher oder weiblicher Embryo befindet. Dafür würde ein Loch in die Schale gebohrt, das später mit einem „Pflaster“ verschlossen wird. Das Verfahren „muss extrem steril passieren“, sagt Koch. Für die heranwachsenden Küken ließe sich dann „keinerlei Schaden“ feststellen. Auch Peta sieht in dem Verfahren „für die Küken einen kleinen Fortschritt“.
Was bleibt, ist also die Zeitfrage. Niemand kann verlässlich sagen, wann das neue Verfahren in Serie geht. Auch nicht Minister Schmidt.
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