Enttäuschung über Draghis Plan
Der Chef der Europäischen Zentralbank will den Euro retten. Doch wie viel Geld er dafür in die Hand nimmt, bleibt offen. In Italien und Spanien herrscht Ratlosigkeit
Frankfurt am Main Die Europäische Zentralbank (EZB) steht als Euro-Retter bereit. Wann sie abermals eingreift, um angeschlagene Mitgliedsländer wie Spanien oder Italien zu stützen, ließ EZB-Präsident Mario Draghi gestern aber weiter offen. „Die hohen Risikoprämien für einige Staatsanleihen sind nicht akzeptabel“, sagte er in Frankfurt. Die Währungshüter wollen daher in den nächsten Wochen im Schulterschluss mit den Regierungen ein Konzept erarbeiten, wie die Europäische Zentralbank (EZB) gemeinsam mit den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM die Lage entspannen kann.
Bei den Regierungen Italiens und Spaniens löste die abwartende Haltung der EZB im Kampf gegen die Schuldenkrise Ratlosigkeit aus. Draghi hatte ein sofortiges Eingreifen der EZB auf den Anleihemärkten ausgeschlossen, stellte aber Anleihekäufe bei klammen Staaten in Aussicht – unter der Bedingung, dass die Regierungen Finanzhilfen beim Rettungsfonds EFSF beantragen.
Italiens Ministerpräsident Mario Monti sagte auf die Frage, ob Italien einen solchen Antrag stellen werde: „Wir werden uns überlegen müssen, ob wir das tun werden oder nicht.“ Sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy vermied es, auf die Frage eine konkrete Antwort zu geben. Er wies nur darauf hin, dass er die Entscheidungen der EZB für „sehr positiv“ halte.
Spanier und Italiener hatten darauf gehofft, dass die EZB sofort mit dem Kauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten beginnen würde. Als diese Hoffnung nicht in Erfüllung ging, reagierten die Anleger enttäuscht und lösten einen Höhenflug der Risikoaufschläge bei spanischen und italienischen Anleihen aus. Die Renditen der spanischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sprangen sogar wieder über die Marke von 7,0 Prozent. Diese gilt mit Blick auf die langfristige Finanzierung eines Staates als nicht verkraftbar. Der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen aus Italien stieg um 0,29 Prozentpunkte auf 6,19 Prozent.
Bereits seit Monaten müssen die klammen Länder Spanien und Italien Investoren extrem hohe Zinsen für Staatspapiere bieten. Das erschwert den beiden Euro-Schwergewichten den Reformkurs. Die EZB kann bislang nur eingeschränkt helfen: Sie darf Bonds nur auf dem Sekundärmarkt erwerben, also etwa von Banken. Die Rettungsfonds dagegen könnten Anleihen direkt von Staaten kaufen. Die EZB hatte sich aber in der Vergangenheit mit einem Trick beholfen. Im Mai 2010 legte sie gegen deutschen Widerstand ein Kaufprogramm für Staatsanleihen auf. Aktuell hat sie Staatspapiere im Wert von 211,5 Milliarden Euro in der Bilanz. Das Programm ruht seit Mitte März. Nun ist nicht ausgeschlossen, dass die Notenbank es wiederbelebt.
Vor allem Deutschland ist gegen die Anleihenkäufe
Widerstand gegen erneute EZB-Anleihenkäufe kommt nach Angaben der Notenbank vor allem aus Deutschland. „Es ist bekannt, dass Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Vorbehalte gegen derartige Maßnahmen hat“, sagte Draghi. Weidmann kritisiert wie sein Vorgänger Axel Weber, dass die EZB durch diese Aktion Staaten durch die Hintertür finanziert – was ihr die EU-Verträge allerdings verbieten.
Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon warnte: „Die EZB ist dabei, sich immer weiter von der Stabilitätskultur der Deutschen Bundesbank zu entfernen.“ Dagegen befürwortet der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), der aus Nördlingen stammende Michael Kemmer, Anleihekäufe: „Wenn es in der Krise brennt, dann muss man löschen.“
Draghi erklärte gestern, die EZB könne politisches Handeln nicht ersetzen. Zugleich bekräftigte er die Entschlossenheit der Währungshüter zur Rettung der Gemeinschaftswährung: „Europa braucht eine starke Währung. Der Euro ist unumstößlich.“ Den Leitzins für die 17 Eurostaaten ließ die EZB auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent. Den Zins hatten die Währungshüter erst im Juli um 25 Punkte gesenkt. (dpa)
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