Erhöhte Temperatur
Italien droht das griechische Fieber. In der Finanzwelt schwindet jedenfalls das Vertrauen, dass das südeuropäische Land seinen gigantischen Schuldenberg abtragen kann
Rom Das letzte Buch des Professors heißt „Die Angst und die Hoffnung“. Es geht um die globale Krise, Europa und was zu tun ist. Der Autor des Buches ist Giulio Tremonti. Er ist auch Italiens Finanzminister. Erschienen ist seine Analyse 2008, aber diese Woche, so scheint es, ist der Titel aktueller denn je. Auch für Tremonti persönlich. Angst und Hoffnung.
Bei vielen Italienern dürfte in diesen Tagen der finanziellen Ungewissheiten die Angst überwiegen. Am Wochenende spitzte sich das zu, was den Corriere della Sera für die Montagausgabe zu der Zeile „Italien mit angehaltenem Atem“ inspirierte. Aufgrund der international wachsenden Zweifel an den Staatsfinanzen droht der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone das griechische Fieber. Die Temperatur ist zweifelsohne schon erhöht.
Seit Wochen steht Italien im Fokus der Ratingagenturen, die immer wieder eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit angedroht haben. Sie gehen davon aus, dass Rom seine Schulden nicht begleichen kann. Am Freitag waren die Risikozuschläge für italienische Staatsanleihen auf Rekordwerte gestiegen. Die wichtigsten Bankenaktien hatten an der Mailänder Börse bis zu acht Prozent ihres Wertes verloren.
Italien wird in Zukunft für neue Kredite mehr Zinsen zahlen müssen. Am Sonntag dann kam die Nachricht, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy habe ein Krisentreffen einberufen, wegen Italien. Gestern verloren die Aktien vor allem italienischer Banken erneut.
Italien gerät zunehmend ins Visier von Spekulanten
Es gibt gute Gründe dafür, dass das Land zunehmend ins Visier von Spekulanten gerät. Zwei stechen besonders hervor: Zum einen ist Italien schon seit Jahren hoch verschuldet. Die Schuldenlast lag zuletzt bei 1,84 Billionen Euro. Das entspricht etwa 119 Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes. Nach den Kriterien von Maastricht sind aber nur 60 Prozent erlaubt.
Zum anderen hat Italien seit 2001 das geringste Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union, wie das italienische Statistikamt Istat Ende Mai erklärt hatte. Es lag zwischen 2001 und 2010 durchschnittlich bei 0,2 Prozent (EU-Vergleich: durchschnittlich 1,1 Prozent) im Jahr. Finanzminister Tremonti hat also nur eine Möglichkeit: sparen. Was er auch tut. 47 Milliarden Euro in der Summe. Außerdem soll der italienische Haushalt bis zum Jahr 2012 ausgeglichen sein. Die Regierung hat seinen Sparplan erst vorvergangene Woche verabschiedet.
Dass er jetzt auch so tatsächlich umgesetzt wird, ist heute wahrscheinlicher als gestern. Denn Tremonti hat sich mit seinen rigiden Haushaltsvorstellungen nur wenige Freunde in den eigenen Reihen gemacht. Er möchte vor allen Dingen auch in der Staatsverwaltung sparen. So soll die Zahl der Dienstwägen auf 1600 begrenzt werden. Derzeit gibt es davon mehrere zehntausend. Und auch wenn der 64-Jährige, der das Amt des Finanzministers bereits zum vierten Mal ausübt, Leid gewöhnt ist, wird er diesmal besonders hart angegangen.
Zuletzt ließ ihn sein Chef, Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, öffentlich wissen, er sei der einzige Minister, der nicht im Team arbeite. Berlusconi hätte sich mit Blick auf die Parlamentswahlen 2013 und nach den jüngsten innenpolitischen Niederlagen Steuererleichterungen von seinem Minister gewünscht.
Dem selbstbewussten Tremonti, der vielen als einer der wenigen Garanten für Stabilität in der mit Skandalen reich gesegneten Regierung gilt, werden außerdem Ambitionen auf die Nachfolge von Berlusconi nachgesagt. Am Freitag berichteten italienische Medien, dass die Staatsanwaltschaft gegen Marco Milanese ein Haftgesuch gestellt hat. Der Abgeordnete Milanese war ein enger Vertrauter Tremontis und noch bis vor Kurzem einer seiner Berater. Milanese, der die Miete für Tremontis römische Wohnung gezahlt haben soll, soll seinerseits Geschenke angenommen und dafür Informationen zu den Ermittlungen der Steuerpolizei weitergegeben haben.
Die Glaubwürdigkeit Tremontis ist seither erschüttert. Und die Börsen reagierten. Ob berechtigt oder nicht, können sich Tremonti und Italien so etwas in dieser fiebrigen Situation scheinbar nicht mehr leisten. Es gibt weniger Hoffnung und mehr Angst.
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