Joschka Fischer fordert „Vollgas“ von der MAN
Er meint damit aber nicht den Tritt aufs Gaspedal, sondern ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit
München Das Paradepferd heißt „TGX EfficientLine“ und beim Münchner Nutzfahrzeughersteller MANTruck&Bus, dem größten Unternehmen der MAN Gruppe, ist man mächtig stolz auf den neuen Lastwagen. Bis zu drei Liter pro 100 Kilometer weniger Diesel als andere moderne Lastwagen soll das Fahrzeug verbrauchen – eine Einsparung von etwa zehn Prozent. Um vor aller Welt den Beweis dafür anzutreten und um gleichzeitig für sein Image als ein besonders an Effizienz orientierter Hersteller zu werben, startete MANTruck&Bus gestern eine vierwöchige, 10000 Kilometer lange Tour durch Europa. Den Startschuss dazu gab der wohl bekannteste Grüne Deutschlands: Joschka Fischer (62), einst Revoluzzer, dann Bundesaußenminister und heute umtriebiger Unternehmensberater. Die spannende Frage lautet: Wer oder was hat sich da geändert? Wird die MAN, dieses Urgestein der bayerischen Industrie, jetzt grün? Oder steht Fischer, wie ihm jüngst das Handelsblatt vorhielt, längst „fest im Unternehmerlager“?
Die Moderatorin kündigt vor gut 120 Zuhörern im Truck-Forum der MAN den Tourstart mit Fischer als „großes Ereignis“ an. Der frühere Politiker antwortet ebenso freundlich wie selbstbewusst: „Die Einladung zeigt, dass es doch wirkliche Fortschritte gibt.“
Die Unterschiede freilich sind dennoch augenfällig. MAN-Marketingleiter Björn Loose und die Chefin der Unternehmenskommunikation, Nina Gutzeit, rühmen ihr Unternehmen als weltweit führend in Effizienz und Kundenfreundlichkeit. Fischer mahnt, dass gute Werbung und Public Relation allein nicht ausreichen werden, um die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft zu bestehen. „Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, mit ein paar schönen PR-Aktionen ist es getan.“ Es reiche auf Dauer nicht aus, den Kraftstoffverbrauch ein bisschen zu reduzieren. Fischer sagt: „Leute begreift, die Zeiten ändern sich. Und sie ändern sich fundamental.“
Er spannt den ganz großen Bogen vom weltweiten Wachstum der Bevölkerung über das Streben nach westlichem Wohlstand in China oder Indien. Er schildert die Bedeutung der Elektromobilität und die damit verbundenen Konsequenzen für die Automobilindustrie in Deutschland. Und er benutzt sogar „das schreckliche Wort Vollgas“, um seine Forderung nach mehr Anstrengung der Industrie für Zukunftstechnologien (Batterien, Energiespeicher, intelligente Logistik) zu unterstreichen. Unsere heutigen Autos verhalten sich nach Fischers Darstellung zur Elektromobilität – selbstverständlich gespeist aus erneuerbaren Energien – wie die elektrische Schreibmaschine zum Personal Computer. Deutschland habe alle Chancen, in diesem Wettbewerb vorne dran zu sein.
Bei der MAN kam dieser Vortrag trotz der kritischen Passagen „sehr positiv“ an. Eine Sprecherin sagte, Fischer habe „klar gemacht, dass wir die Zeit nicht mehr zurückdrehen können“.
Doch ganz so einig, wie es bei der MAN gestern erschien, sind sich Grüne und Automobilindustrie noch lange nicht. Margarete Bause, Grünen-Chefin im Landtag, hatte erst jüngst ein Gespräch mit Audi, BMW und IG Metall. Sie sagt: „Die merken schon, wo es hingeht, aber ich habe noch nicht den Eindruck, dass das in einer richtigen Strategie umgesetzt wird.“
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