Schlepperbauer Fendt muss nach Rekordjahren einen Gang zurückschalten
Der Traktorenhersteller aus Marktoberdorf präsentiert auf Schloss Neuschwanstein neue Rekordzahlen. Doch die Inszenierung täuscht.
Bei Fendt ist man es gewohnt, in Superlativen zu sprechen: 2011 war das beste Jahr in der Firmengeschichte. 2012 hat der Schlepperhersteller das, wie man gerne betont, „modernste und effizienteste Traktorenwerk der Welt“ in Betrieb genommen. 2013 erzielte Fendt erneut Bestmarken beim Absatz und Umsatz. Und auch was die Präsentation dieser Ergebnisse angeht, hat man im Ostallgäu gelernt, jedes Jahr noch einen draufzusetzen – auch, wenn es an diesem Tag nicht nur gute Nachrichten gibt.
Was also kann kommen, nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer vor knapp zwei Jahren der 230 Millionen Euro teuren Erweiterung am Stammsitz in Marktoberdorf und im Zweigwerk im nordschwäbischen Bäumenheim seinen Segen gegeben hat? Nachdem im vergangenen Jahr ein Schlepper eine Gläser-Pyramide kunstvoll mit Champagner befüllte, um das neue Kundenzentrum einzuweihen? Was bleibt, wenn man die versammelte Schar internationaler Journalisten zum Staunen bringen will und selbst auf der Zugspitze schon seine Traktoren präsentiert hat? Vielleicht ist Neuschwanstein tatsächlich die einzige Alternative.
Trotz des prachtvollen Rahmens - die Nachfrage ist zuletzt zurückgegangen
Fendt-Chef Peter J. Paffen steht an diesem Nachmittag zu Füßen des weltbekannten Schlosses und strahlt. Weil er in den 16 Jahren, in denen er bei Fendt ist, sich schon immer gewünscht hat, hier Schlepper vorzustellen. Weil Fendt – mithilfe des Ministerpräsidenten, wie man offen einräumt – das geschafft hat, was noch keinem Unternehmen im Freistaat gelungen ist: eine Pressekonferenz auf Neuschwanstein zu inszenieren. Für Paffen hat der Ort Symbolwirkung. „Fendt ist hier tief verwurzelt, hat aber zugleich weltweit Wirkung“, sagt er.
Draußen fährt der neue Fendt 1000 Vario vor – der größte Standardschlepper der Welt, den der Hersteller in anderthalb Jahren auf den Markt bringen will. Drinnen, im Sängersaal des Schlosses, gibt es Kammermusik. Martin Richenhagen, Chef der Fendt-Mutter AGCO, weiß, wie diese Inszenierung wirken könnte. „Dieser Rahmen soll nicht von der Marktsituation ablenken“, sagt der deutsche Konzernchef. Denn nach dem Rekordjahr 2013, in dem Fendt mit 17837 Schleppern ein Absatzplus von 20 Prozent schaffte, ist die Nachfrage zurückgegangen. „Nach einem guten ersten Halbjahr müssen wir kräftiger rudern“, sagt Paffen. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: In Deutschland ist die Stimmung bei den Landwirten zwar gut, dennoch hat sich der Markt in den vergangenen Monaten deutlich abgekühlt. In Frankreich, für Fendt die Nummer zwei, ist die Nachfrage gar um 25 Prozent zurückgegangen. Auch deswegen will Paffen keine genaue Prognose für das Gesamtjahr wagen. Man rechne mit einem „leicht rückläufigen Traktorenabsatz“.
Mitarbeiter sind in Sorge: Ende 2014 läuft ihre Beschäftigungsgarantie aus
Das bekommen auch die Mitarbeiter an beiden Standorten zu spüren: Von 144 Leiharbeitern hat sich der Schlepperhersteller im ersten Halbjahr getrennt. In Marktoberdorf sank die Zahl der Stammmitarbeiter leicht um 18 auf 3200 Mitarbeiter. In Bäumenheim blieb sie mit 998 Beschäftigten stabil. Wie zu hören ist, arbeitet an beiden Standorten ein Teil der Mitarbeiter nur noch vier Tage die Woche, die Ferien wurden verlängert. Paffen will das nicht bestätigen. „Wir fahren die Produktion etwas langsamer.“
Nicht nur deswegen rumort es unter den Fendtlern: Vor allem die Beschäftigungsgarantie, die Ende 2014 ausläuft, liegt vielen im Magen. Um die US-Mutter von der Investition in ein neues Werk zu überzeugen, hatten die Mitarbeiter vor Jahren auf ein Lohnplus verzichtet – und im Gegenzug ihre Arbeitsplätze gesichert. AGCO-Chef Richenhagen betont, neue Gespräche seien nicht ausgeschlossen: „Wenn der Betriebsrat bereit ist, die Arbeitszeit weiter zu flexibilisieren, können wir uns durchaus vorstellen, wieder eine Beschäftigungsgarantie zu geben.“
Paffen stellt klar: „Wenn wir weiter wachsen wollen, brauchen wir unsere Stammbelegschaft.“ Er schätzt, dass sich die Märkte bald erholen – auch, weil weltweit Rekordernten vorhergesagt werden. Klar ist aber: Von neuen Superlativen wird man bei Fendt nächstes Jahr wohl kaum berichten können.
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