Spritpreise im Fünf-Minuten-Takt per Handy
In Kürze soll das Handy den Weg zur günstigsten Tankstelle weisen. Billiger dürfte das Benzin aber deshalb nicht werden.
Wer günstig tanken will, braucht derzeit vor allem eines: Glück. Vier Mal pro Tag ändern die Tankstellen hierzulande im Schnitt ihre Preise, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Bei diesem hektischen Auf und Ab ist es für Autofahrer kaum möglich, zu überblicken, wo der Sprit gerade am billigsten ist. Viele tanken – und ärgern sich danach, dass sie zu viel bezahlt haben. Damit soll bald Schluss sein. Schon in wenigen Wochen können Verbraucher mit wenigen Klicks vergleichen, was Benzin und Diesel gerade an welcher Station kosten.
Beim Bundeskartellamt ziert man sich zwar, einen genauen Starttermin für die sogenannte Markttransparenzstelle zu nennen. Behördenchef Andreas Mundt betont: „Wenn hier alle an einem Strang ziehen, gehe ich davon aus, dass die Autofahrer noch in diesem Sommer die ersten Preisdaten abrufen können.“
Internetplattformen bieten keine flächendeckenden Daten
Das Modell ist denkbar einfach: Ändert eine Tankstelle den Preis für E 10, Super oder Diesel, muss die Zentrale das innerhalb von fünf Minuten der Meldestelle mitteilen. Diese gibt die Daten kostenlos an Dienstleister wie den ADAC weiter. Per Smartphone-App oder über das Navigationsgerät können sich Autofahrer anzeigen lassen, wo der Sprit am billigsten ist. Auch Webseiten dürften den Service anbieten. Ob der Kunde dafür zahlen muss, ist bislang unklar.
Technisch arbeitet das Bundeskartellamt mit der Bundesanstalt für Straßenwesen zusammen. Über deren Internetplattform können die Navigationsgeräte bereits wichtige Informationen wie Staus, Baustellen und Parkplätze abrufen. „Das ist ein funktionierendes stabiles System“, sagt Kartellamtssprecher Kay Weidner. Derzeit erfasst die Behörde die Daten von 14 000 Tankstellen in Deutschland, demnächst sollen die Anbieter, welche Sprit-Apps einrichten wollen, zugelassen werden. Auch in Bonn sei man sich im Klaren darüber, dass viele Autofahrer das Angebot möglichst bald – am besten noch rechtzeitig zur Reisezeit – haben wollten, sagt Weidner.
Erste Versuche, Transparenz im Sprit-Dschungel zu schaffen
Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in die Meldestelle. Sie soll das Preiswechselspiel eindämmen und für mehr Transparenz am Markt sorgen. Den Preisrallyes der Ölkonzerne stehen Politik und Kartellbehörden bislang machtlos gegenüber. Illegale Preisabsprachen konnten ihnen die Wettbewerbshüter auch mithilfe einer dreijährigen Studie nicht nachweisen. Klar ist nur, dass die Ölriesen ihre Marktmacht geschickt ausnutzen. So gingen Aral und Shell regelmäßig mit Preiserhöhungen voraus, die Konkurrenz zieht nach. Weil fünf Konzerne 70 Prozent des Spritabsatzes auf sich vereinen, kommen sie selbst ohne kartellwidrige Absprachen zu in etwa gleich getakteten Preisen.
Erste Versuche, Transparenz zu schaffen, gibt es längst: Vergleichsseiten wie clever-tanken.de und die Preisübersicht des ADAC kranken jedoch daran, dass sie auf Meldungen von Nutzern angewiesen sind. Flächendeckende, aktuelle Daten sind damit nicht möglich. Umso größer sind die Hoffnungen, die der ADAC in das neue System setzt. Der Automobilclub hat bereits angekündigt, dass er eine eigene App mit den Daten der Meldestelle anbieten will. „Für die Kunden ist das eine große Chance“, sagt Sprecher Andreas Hölzel. Sie könnten künftig das Auf und Ab an der Tankstelle umgehen und die günstigste Zapfsäule ansteuern. „Das wirkt sich dann letztlich auf den Preis aus“, sagt Hölzel.
Ernüchterung: Mit steigender Transparenz sinkt der Wettbewerb
Diesen Optimismus kann Holger Haedrich nicht teilen. Der Marketingexperte hat das neue System für die Universität St. Gallen untersucht. Das ernüchternde Ergebnis: Steigt die Transparenz auf dem Markt, sinkt der Wettbewerb. „Die Spritpreise werden sich künftig nach oben hin anpassen“, sagt der Forscher. Ohnehin hänge die Entscheidung, wo man tankt, nicht in erster Linie vom Preis ab. Nur jeder zehnte Autofahrer, schätzt Haedrich, dürfte die Preise kontrollieren, bevor er zur Zapfsäule fährt. Dabei hat die Studie einen Haken: Befragt wurden nur Tankstellenpächter – aber keine sparsamen Autofahrer.
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