Weltbild-Filialen verkauft: Viele Mitarbeiter sind verunsichert
Die kleine Kette Lesensart hat 67 Weltbild-Filialen gekauft und möchte sie wieder profitabel machen. Die neuen Eigentümer setzen dafür auf eine komplett andere Strategie.
Er ist der mysteriöse Unbekannte, der die Buchbranche seit Wochen in Aufregung versetzt. Rüdiger Wenk, der Käufer von 67 ehemaligen Weltbild-Plus-Filialen, früherer Zeitsoldat, IT-Consultant, Finanzberater – und seit wenigen Monaten Buchhändler.
Bislang war von den Motiven des 48-jährigen Unternehmers nicht viel mehr bekannt, als das, was auf eineinhalb DIN-A-Seiten passt. So knapp gehalten ist das Strategiepapier, in dem Wenk darlegt, wie er die Weltbild-Filialen wieder profitabel machen will.
Gestern vermeldete Weltbild den Verkauf und bestätigte damit, was seit Wochen als gesichert galt: 67 Läden werden rückwirkend zum 1. Februar an die Buchhandlung Lesensart Rüdiger Wenk GmbH in Ahaus verkauft.
Der Name Weltbild wird aus damit auch etlichen deutschen Innenstädten verschwinden. Denn die Standorte werden künftig den Namen Lesensart tragen. Die Filialen in Augsburg und Nördlingen sind nicht betroffen.
Weltbild verkauft Filialen: Noch sind viele Fragen offen
Gesamtbetriebsrat und Wenk haben in der vergangenen Woche einen Interessenausgleich vereinbart. Demnach werden die rund 400 Mitarbeiter in den betroffenen Filialen vom neuen Eigentümer übernommen. Die Arbeitsverträge gelten weiter.
Spezielle Regelungen zur Standortsicherung gibt es aber nach Auskunft des Betriebsrats nicht. Zum Kaufpreis äußerten sich gestern weder Weltbild noch der neue Eigentümer.
Für Wenk ist es auf jeden Fall ein Riesen-Geschäft. Erst seit August 2014 ist der Unternehmer Chef der Buchhandlung Lesensart, die in Berlin zwei Filialen betreibt. Den Sitz hat das Unternehmen ins nordrhein-westfälische Ahaus verlegt. Was Wenk mit den ehemaligen Weltbild-Filialen konkret vorhat, ist noch unklar.
Selbst die Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Weltbild-Plus, Julia Käding, wollte sich gestern zu Details nicht äußern. Schließlich habe sie nur „wenige Eckpunkte“ der Strategie Wenks kennengelernt. Im persönlichen Gespräch habe sie den neuen Eigentümer aber als sehr „ambitioniert“ kennengelernt, sagte Käding. „Ihm war bewusst, dass da jede Menge Arbeit auf ihn und die Mitarbeiter zukommt.“
Verunsicherung bei den Mitarbeitern
Fest steht: Wenk will vor allem bei den Miet- und Raumkosten sparen. Ziel sei es, die Ausgaben auf unter zehn Prozent des Umsatzes zu bringen. Das war zu Weltbild-Zeiten das große Manko der Standorte. Schließlich hatte sich der Verlag „aufgrund zu hoher Struktur- und Mietkosten“ von ihnen getrennt.
Der Gesamtbetriebsrat sieht den Verkauf der Filialen daher zwar als „harten Einschnitt“, aber auch „als Chance für die defizitären Filialen“, so Käding. In der Belegschaft sind die Meinungen ebenfalls geteilt. Viele seien verunsichert, wie es heißt. Andere freuten sich auf einen Neuanfang mit Eigentümer Wenk an der Spitze.
Der Augsburger Verlagsgruppe Weltbild bleiben nach dem Verkauf von ihren einst rund 220 noch 85 Filialen im gesamten Bundesgebiet. Die sollen „nah an Bedürfnissen von Kunden vor Ort und zukunftsfähig“ gestaltet werden, wie es in einer Erklärung des Unternehmens heißt. Geplant sind größere Investitionen und längerfristig auch ein Ausbau des Filialnetzes. So sollen laut Weltbild jährlich rund zehn neue Filialen eröffnen.
Verdi kritisiert Weltbild für den Verkauf der Filialen
Die Verlagsgruppe will eigenen Angaben zufolge an ihrer Strategie festhalten, weiterhin neben Onlinehandel auch auf Filialen und den Katalogvertrieb zu setzen. „Unsere Kunden wollen nicht nur im Internet kaufen, sondern schätzen nach wie vor die Beratung und das Einkaufserlebnis in unseren Buchhandlungen vor Ort“, sagt Weltbild-Geschäftsführer Patrick Hofmann.
Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck hält den Verkauf der 67 Filialen gerade aus diesem Grund für „kontraproduktiv“. Zudem befürchtet er, dass nun in anderen Bereichen der Verlagsgruppe Jobs auf dem Spiel stünden.
Wenn weniger Läden zu versorgen sind, hätte auch die Logistik weniger zu tun, so Gürlebeck. „Wir haben die Besorgnis, dass der Arbeitsplatzabbau damit argumentativ untermauert wird.“ Weltbild macht dazu bislang keine Angaben.
Offensichtlich ist, dass der neue Besitzer Lesensart und Weltbild unterschiedliche Strategien mit ihren Filialen verfolgen. Während Wenk die Filialen in ihrem heutigen Zustand als „Gemischtwarenladen“ bezeichnet und sie künftig in traditionelle Buchhandlungen umstrukturiert will, setzt Weltbild weiter auf ergänzende Angebote.
Wie es heißt, solle das Segment Home & Living – also Haushaltswaren und Deko – gestärkt werden. Auch eigene Buchsonderausgaben sowie der E-Book-Reader Tolino sind Bestandteil der neuen Filialstrategie.
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