Bayern sucht den Super-Sozi
Die SPD lässt die sechs Bewerber für den Landesvorsitz bei Vorstellungsrunden antreten. Da treffen Politprofis auf blutige Anfänger. Die zwei Favoriten erhalten den meisten Applaus.
Was ist das, was die Bayern-SPD da macht, um einen neuen Parteichef zu finden? Eine zeitgemäße Form des Politiker-Castings so wie bei „Deutschland sucht den Superstar“? Ein Theater? Oder gelebte Basisdemokratie?
Es ist von allem etwas dabei
Am Wochenende haben die Vorstellungsrunden begonnen, bei denen sich die sechs Kandidaten für den Landesvorsitz präsentieren. Und wenn man die zweite Veranstaltung am Sonntag im Haus St. Ulrich in Augsburg zum Maßstab nimmt, dann ist von allem etwas dabei. Die Form erinnert an ein Casting: Es gibt einen Moderator, alle sechs Bewerber haben je zehn Minuten Zeit für ihre Vorstellung, die Reihenfolge wird ausgelost. Danach treten die Kandidaten im direkten Vergleich auf der Bühne gegeneinander an und beantworten Zuschauerfragen. 120 Besucher sind gekommen.
Theatralik ergibt sich – teils unfreiwillig – aus den Kandidaten selbst beziehungsweise ihrer Unterschiedlichkeit. Während die langjährige Generalsekretärin Natascha Kohnen und der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn als Politprofis ausgefeilte Reden halten, die alle Herzenswünsche von Sozialdemokraten befriedigen, stellt sich Berufsschullehrer Uli Aschenbrenner aus Niederbayern so vor: „Ich bin der Aschenbrenner Uli. Ich bin der Kandidat aus dem Nichts, lediges Kind einer 19-jährigen Bäuerin.“ Der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel sagt, er sei mit 61 „im besten Schulz-Alter“. Der stämmige Kommunalpolitiker Markus Käser aus Pfaffenhofen/Ilm wirbt selbstironisch mit dem Slogan: „Kein Hals, aber Rückgrat.“
Das basisdemokratische Grundrauschen ist die Natur der Veranstaltungsreihe: Die Bayern-SPD hat sich auf Vorschlag von Natascha Kohnen entschlossen, ihren Landeschef in einer Mitgliederbefragung zu bestimmen. Die sechs Bewerber – fünf aus Ober-, einer aus Niederbayern – stellen sich bei sieben Runden in den Regierungsbezirken der Basis. Dann beginnt die Urwahl. Geht eine(r) mit der absoluten Mehrheit daraus hervor, ist er/sie einziger Bewerber für die Wahl am Landesparteitag Mitte Mai. Andernfalls treten die beiden besten zur Kampfabstimmung an.
Natascha Kohnen setzt auf die eigene Stärke
Wenn alles normal läuft, dann werden am Ende Natascha Kohnen, 49, und Florian von Brunn, 48, übrig bleiben. Interessant, wie konträr sich die beiden positionieren. Von Brunn gibt sich forsch. Er kritisiert den Noch-Landesvorsitzenden Florian Pronold, der in Augsburg krankheitsbedingt nicht dabei ist. Er sieht in der Parteiführung eine Art Fußballtrainer-Stab und fordert mehr „Offensivfußball“. Angriffslustig ist von Brunn gegenüber der CSU. Er freue sich darauf, im Untersuchungsausschuss zur Bayern-Ei-Affäre die CSU-Leute zu „grillen“.
Natascha Kohnen setzt dagegen auf die eigene Stärke und verspricht einen anderen Politikstil: „Wir dürfen uns nicht tagtäglich an der CSU oder anderen abarbeiten“, sagt sie. Ihr Ansatz ist der erfolgreicher SPD-Oberbürgermeister wie Ulrich Maly in Nürnberg oder früher Christian Ude in München. Sie sprechen gern über eigene Erfolge und lassen den politischen Gegner schon mal links oder rechts liegen. Die Partei müsse ihre Kernthemen wie soziale Gerechtigkeit, bezahlbarer Wohnraum oder Integration „fühlbar machen“, sagt Kohnen. Dem Applaus nach zu urteilen, kommt sie in Augsburg am besten an. Dicht dahinter von Brunn.
Auffallend ist, dass sich die Bewerber inhaltlich wenig unterscheiden, aber unterschiedliche Akzente setzen. Auffallend auch: Alles geht sachlich, fair und ohne persönliche Attacken über die Bühne. Das war nicht zwingend zu erwarten. Denn die sehr große Auswahl an Kandidaten ist auch Ausdruck von Unzufriedenheit in der Partei. Schlechte Umfragewerte und Skandale wie in Regensburg haben der SPD zugesetzt.
Drei Bewerber von der Basis – Markus Käser, Uli Aschenbrenner und der Sprecher der Münchner Tafel, Gregor Tschung – zeugen also zum einen vielleicht von Aufbruchstimmung wegen des Kanzlerkandidaten Martin Schulz, zum anderen aber auch von Unmut gegenüber der Parteispitze. Das wissen alle Kandidaten. Und daher ist es kein Zufall, dass „Basis“ das wahrscheinlich meistgehörte Wort beim Casting in Augsburg ist.
Die Diskussion ist geschlossen.