Brisante Kritik am Zukunftsrat
Neues Papier sorgt für Zündstoff. Heute Abend debattiert der Landtag
München Der „Pulverdampf“ habe sich verzogen, nun solle man wieder „sachlich“ miteinander reden. So lautet das Credo von Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) im phasenweise erbittert geführten Streit um die zukünftige Entwicklung Bayerns, der Anfang des Jahres durch ein Gutachten des Zukunftsrats der Staatsregierung ausgelöst worden war. Bocklets Beitrag zu der Debatte ist ein neues Papier zur Landesentwicklung, das der erfahrene Wirtschaftsgeograf Reinhard Paesler in seinem Auftrag verfasst hat. Doch darin steckt möglicherweise sogar neuer Zündstoff. Der langjährige akademische Direktor des Instituts für Wirtschaftsgeografie an der Ludwig-Maximilians-Universität München nämlich geht mit den umstrittenen Thesen des hochkarätig besetzten Zukunftsrats hart ins Gericht.
Paesler kritisiert ein „starkes Übergewicht an Ökonomen“ im Zukunftsrat. Er erkennt „nicht zu übersehende Mängel bei der Benutzung der Fachterminologie“. Er attestiert dem Zukunftsrat „mangelnde Kenntnis des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstandes der Raumanalyse und Raumentwicklung“. Und er hält den Beratern der Staatsregierung vor, sie hätten ein „in mancher Hinsicht ,schiefes‘ Urteil“ über die „Situation Bayerns und seiner Teilräume, vor allem der ländlichen Räume“.
Die Brisanz dieser harschen Kritik wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie viel Prominenz im Zukunftsrat unter Vorsitz von Professor Herbert Henzler versammelt war. Es waren unter anderem mehrere Universitätspräsidenten, Professoren und einflussreiche Unternehmer, der Verleger Hubert Burda, der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück, der Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Paul Nolte, BMW-Chef Norbert Reithofer und der frühere bayerische DGB-Chef Fritz Schösser.
Zwar muss sich nicht jeder von ihnen angesprochen fühlen, weil nicht jeder an dem umstritten Kapitel über „Metropolregionen und ländlicher Raum“ mitgearbeitet hat, das Paesler nun aus der Perspektive der Raumplanung so heftig kritisiert. Doch schon nach der ersten Empörung über den Zukunftsrat Anfang dieses Jahres hatte die Staatskanzlei nach Informationen unserer Zeitung einiges zu tun, die verärgerten Mitglieder des Gremiums zu besänftigen. Sie hatten freiwillig und unentgeltlich mitgemacht und waren danach wegen einer einzigen ihrer vielen Thesen – die Konzentration der Landesentwicklung auf sechs Metropolregionen – öffentlich abgewatscht worden. An der Spitze der Kritiker standen CSU-Politiker aus Niederbayern und Oberfranken.
Von der strittigen These hat sich hinterher auch die Staatsregierung distanziert und vielfach versichert, selbstverständlich auch weiterhin ländliche Regionen zu fördern. Das fordern auch Bocklet und Paesler.
Der Opposition im Landtag freilich wird ihr Papier vermutlich neue Munition liefern. HeuteAbend steht im Plenum die Generaldebatte zum Zukunftsrat auf der Tagesordnung.
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