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Königsbrunn
04.03.2012

Ritalin Fluch oder Segen? Vom Zähmen wilder Burschen

Eine Packung des Medikaments Ritalin steht auf einem Tisch. "Zappelphilipp" werden heute Kinder genannt, bei denen eine Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert wurde.

Um die richtige Behandlung von hyperaktiven Kindern wird gestritten. Ist das ADHS-Medikament Ritalin Fluch oderSegen? Wir sprachen mit Beteiligten. Das Ergebnis ist erstaunlich.

Christopher Lauer hat es getan. Er outete sich, wie Jahre zuvor Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister. Nur gab der 28-Jährige, der für die Piratenpartei im Abgeordnetenhaus der Bundeshauptstadt sitzt, nicht preis, schwul zu sein. Er berichtete in einer TV-Sendung von seiner Krankheit. „Ich habe ADHS – und das ist gut so.“ ADHS, so wird der sperrige Begriff der Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung abgekürzt. Umgangssprachlich ist vom Zappelphilipp-Syndrom die Rede. Es ist praktisch in jeder Schule ein Thema, weil es oft bei Kindern diagnostiziert wird. Manche sprechen von einer Modekrankheit. Expertenschätzungen zufolge sind mittlerweile allein in Deutschland mehrere hunderttausend Menschen betroffen.

Lauer wurde nach seinem Geständnis mit E-Mails bombardiert und nahm daraufhin im Internet noch einmal präzise Stellung zu dem Thema. Der gebürtige Bonner schreibt beispielsweise, dass er persönlich die Diagnose sehr spät gestellt bekam: „Ich habe es erst mit 27 Jahren erfahren.“ Und er berichtet, dass es sich nicht nur um eine Kinderkrankheit handelt. Lauer beschreibt, wie sich sein Leben durch die Einnahme eines Medikaments verbessert hat. Lauer nimmt Ritalin, um sich besser konzentrieren zu können. „Ich empfinde es als großes Glück, durch das Medikament für zweieinhalb Stunden oder länger in eine Welt eintauchen zu können, die mir vorher verschlossen war. Ich bin gelassener und es macht meinen Alltag, insbesondere im Umgang mit anderen Menschen, einfacher.“

Heftiger Streit um Ritalin

Um das Für und Wider dieser Pillen tobt derzeit in Deutschland ein heftiger Streit. Es gibt Befürworter und Gegner. Die Situation ist ähnlich wie beim Thema Impfen. Beide Seiten nehmen für sich in Anspruch, unbedingt recht zu haben. Zuletzt haben vor allem die Ritalin-Gegner von sich reden gemacht. Insbesondere der Göttinger Neurobiologe und Mediziner Gerald Hüther hat die Medien mit neuen Erkenntnissen gefüttert. Er befürchtet langfristige Nebenwirkungen wie beispielsweise Parkinson-Erkrankungen. Aus Versuchen an Ratten zieht er Analogieschlüsse, die belegen sollen, was Ritalin im Gehirn Schlimmes anrichten kann.

Die jüngsten Berichte über das umstrittene Medikament in den Zeitungen wirken verstörend auf Eltern. Mit Überschriften wie: „Ich bin ein Zombie und lerne wie eine Maschine“, „Funkstille im Frontalhirn“ oder „Ritalin: Wer nicht passt ...“ würden die Menschen verunsichert, meint Christina Wunder-Semmerling. Die Mutter von drei Kindern aus Königsbrunn bei Augsburg hat sich als Leiterin von Selbsthilfegruppen und ADHS-Beraterin einen Namen gemacht. Sie warnt davor, die Hüther’schen Thesen überzubewerten. Sie hatte im Laufe der Jahre mit vielen Krankheitsfällen zu tun, in denen Ritalin sowohl den Betroffenen als auch den Eltern geholfen hat.

Konzentrationsprobleme wegen ADS oder ADHS

Die 52-Jährige bereitet gerade ein Elterntraining vor, das sie an diesem Wochenende hält. Sie erzählt von Buben, die unangepasst sind, nicht sitzen können und trotz guter Intelligenz schwache Schulleistungen bringen. Und bei denen ADS oder ADHS sicher diagnostiziert ist: „Die können sich mit Ritalin besser konzentrieren“, sagt sie. Bei ihrem Sohn Lorenz verzichtete sie allerdings trotzdem auf die Tabletten. Als der heute 21-Jährige die Diagnose in den 90ern gestellt bekam, war ADHS noch nicht in aller Munde. „Wir haben das auch ohne Ritalin gut hinbekommen“, sagt die Mutter. Lorenz, der danebensitzt, nickt zustimmend. Obwohl er schulisch nicht immer zu den Besten gehörte, hat er den Marathon durchs deutsche Bildungssystem geschafft. Heute absolviert er ein Ingenieurstudium im vierten Semester ohne Probleme. „Ich komme gut zurecht“, sagt der junge Mann. Die Krankheit mache ihm im Alltag nicht zu schaffen. An die Zeit, als ihn seine Mutter zu Ärzten und Psychologen schleppte, kann er sich kaum mehr erinnern. Eine Frage aber soll seine Mutter noch beantworten: „Hätten Sie Ihrem Sohn Ritalin gegeben, wenn nichts anderes funktioniert hätte?“ Christina Wunder-Semmerling schaut einem in die Augen und antwortet: „Natürlich!“

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Augsburger Kinder- und Jugendarzt

Auch der Augsburger Kinder- und Jugendarzt Martin Lang sagt: „Es gibt Kinder, denen muss man das Medikament geben, damit man ihnen das Leben nicht verbaut. Man muss ihnen helfen, im Schulsystem zu überleben.“ Lang holt weit aus, um zu erklären, warum es für die allermeisten Buben schon aus entwicklungsbiologischer Sicht schwierig ist, fünf Stunden am Stück zu sitzen und sich zu konzentrieren. „Das ist für die meisten die Höchststrafe.“ Deren Großväter und Urgroßväter hätten nur überlebt, weil sie stark und schnell genug waren, um in ihrer Zeit zu bestehen. Im modernen Bildungssystem aber sei für dieses genetische Erbe kein Platz mehr.

Doch die meisten Buben sind laut Lang nicht krank. Sie lebten sich nur aus und das Herumtoben gehöre einfach zu ihnen. „Wenn man die in den Sportverein schickt oder sie Schlagzeug spielen lässt, ist meist alles in Ordnung“, sagt der Mediziner. Seinen persönlichen Erfahrungen nach kommt es relativ selten vor, dass Eltern für ihre im Grunde gesunden Kinder Ritalin wollen, in der Hoffnung, die Noten würden dadurch besser. Lang, der viel mit homöopathischen Therapien arbeitet, lehnt so etwas ab.

Ritalin ist der Renner unter den Psychopharmaka

Manche anderen Ärzte wohl nicht. Ritalin ist der Renner unter den Psychopharmaka. Weltweit rund zehn Millionen Kinder sollen die Pillen mit dem Wirkstoff Methylphenidat schlucken, schätzen Experten. Zunächst galten sie als eine Art Wunderarznei. Entwickelt als Appetitzügler und Antidepressivum hilft Ritalin oder besser gesagt der Wirkstoff Methylphenidat bestimmten Menschen, ihre sieben Sinne zu ordnen. Vereinfacht gesagt werden in ihrem Gehirn alle Reize gleichwertig verarbeitet. Das heißt, die Betroffenen können sich auf nichts konzentrieren, keine Prioritäten setzen und werden ständig von irgendwem oder irgendetwas abgelenkt. Bei hyperaktiven Kindern kommt noch ein ausgeprägter Bewegungsdrang hinzu.

Ulrike Lehmkuhl, Direktorin der Kinderklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Berliner Charité, beobachtet seit rund zehn Jahren eine Inflation von ADHS-Diagnosen. Von zehn Kindern, die damit zu ihr geschickt werden, stellt sie bei neun eine andere Verhaltensstörung oder psychische Erkrankung fest. Das sagte sie gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Drei Kriterien müssten laut Lehmkuhl bei ADHS zusammenkommen: Impulsivität, Hyperaktivität und ein Aufmerksamkeitsdefizit. Auch Martin Lang bestätigt: 30 Prozent der Diagnosen sind alleine deswegen falsch, weil es sich nicht um ADHS, sondern um versteckte Depressionen handelt.

Sein Kollege Ulrich Fegeler, Sprecher des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendmedizin, hält den Begriff „Aufmerksamkeitsdefizit“ sowieso für irreführend. Denn die Kinder seien eher zu aufmerksam. Fegeler sagt, die ADHS-Begleiterscheinungen wie Auffälligkeiten im Sozialverhalten, Lese- und Rechtschreibschwächen seien in Wirklichkeit psychische Reaktionen darauf, wie die Gesellschaft mit den Jungen umgeht. „Sie kriegen ständig eins drauf, das macht sie krank.“

Ob er recht hat? Eine allgemein zufriedenstellende Bewertung des Problems ADS oder ADHS scheint es nicht zu geben. Die Realität zeige aber, dass eine pauschale Betrachtung keinen Sinn mache, meint Christina Wunder-Semmerling, die unverdächtig scheint, von der Pharmaindustrie unterstützt zu werden. Auch die unterschiedlichen Methoden, die Krankheit zu therapieren, müsse man nebeneinander gelten lassen. Für Teufelszeug hält sie Ritalin trotz der möglichen Nebenwirkungen jedenfalls nicht.

Zumindest in Augsburg sieht Kinderarzt Lang bislang keine Gefahr, dass immer mehr Eltern für ihre Kinder Ritalin fordern: „Im Gegenteil, wenn ich es mal verschreibe, muss ich die Leute eine Stunde lang vom Sinn dieser Therapie überzeugen.“

Die meisten hätten Angst wegen der in den Medien beschriebenen Nebenwirkungen. Die Pillen sollen die Patienten glatt, gefügig und still machen, heißt es. Christopher Lauer erlebt das anders. Er sagt: „Die Einnahme von Methylphenidat ist ein bewusster Akt und ein Zugeständnis an eine Gesellschaft, in der 95 Prozent der Menschen eben kein ADHS haben.“

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