"Viele Schulleitungen haben um den Ruf der Schule Angst"
Laut einer Studie werden ein Drittel der bayerischen Schülerzeitungen zensiert, Pressefreiheit gibt es oft nicht. Wir haben mit Dominik Mai, Autor der Studie, gesprochen.
Zensierte Texte, im Keim erstickte Themen, Verteilverbot für fertig gedruckte Schülerzeitungen: Die Studie des 24-jährigen Dominik Mai, Volontär unserer Zeitung, über die Verhältnisse an Realschulen und Gymnasien hat die Politik aufgescheucht. FDP, SPD und CSU wollen nun das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz überprüfen.
Herr Mai, warum wird zensiert?
Mai: Viele Schulleitungen haben um den guten Ruf der Schule Angst. Sie befürchten, dass kritische Texte in Schülerzeitungen nicht nur von Schülern, sondern auch von Eltern gelesen werden und sind deswegen übervorsichtig. Aber auch Schülerzeitungsredakteure haben die Schere schon im Kopf. Das heißt, dass sie Zensur befürchten und sich deshalb selbst zensieren. Meine Studie mit der Universität Augsburg und der Jungen Presse Bayern hat ergeben, dass 28 Prozent von ihnen sagen, sie müssten vorsichtig sein, was sie schreiben. Die Schüler befürchten sonst Nachteile im Schulalltag. 37,6 Prozent sagen, dass sie nicht völlig unabhängig in ihrer Arbeit sind. Das ist erschreckend.
Wer zensiert wie?
Mai: Lehrer zensieren bereits in Besprechungen, obwohl sie laut Gesetz nur „pädagogisch betreuen“ sollen, nicht zensieren. Kritische Themenvorschläge werden hier schon ausgesiebt. Schulleitungen streichen in der fertig gestalteten Zeitung oft ganze Texte. Es kam auch schon vor, dass gedruckte Ausgaben nicht an der Schule verteilt werden durften.
Was wird zensiert?
Mai: Zu meiner Schulzeit in Neusäß wurden ein gutes Dutzend Texte aus einer Schülerzeitung geschmissen. Eine Beleuchtung der US-Außenpolitik mit dem Titel „Golfkrieg II“ durfte nicht erscheinen. Laut Schulleitung hätte der Text gegen das Gebot der Völkerverständigung verstoßen. Ein großes Thema für Jugendliche sind Amokläufe an Schulen. Artikel über die Vorfälle in Erfurt und Winnenden durften aber in einigen Schülerzeitungen nicht erscheinen. Oft gibt es gar keine Begründung, sondern nur ein einfaches „Nein“. Als Schüler will man sich dann nicht gegen die Schulleitung stellen.
Was empfehlen Sie Schülern, die ein kritisches Thema anpacken wollen und Angst vor Zensur oder schulischen Konsequenzen haben?
Mai: Wichtig ist, mit Eltern und Freunden darüber zu sprechen. Ich empfehle auch mit einem Redakteur der Lokalzeitung zu reden und zu fragen, wie man an Themen rangehen kann. Außerdem sollten Schülerzeitungsredakteure, Lehrer und Schulleitungen besser vonseiten des Kultusministeriums informiert und in Tagungen geschult werden. Was man schreiben darf, was nicht und journalistische Grundsätze könnten hier geklärt werden. Und: Mehr Schüler müssen bei Zensur an die Öffentlichkeit gehen.
Was muss sich aus ihrer Sicht ändern?
Mai: Das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz muss einfacher werden. Dass Schulleitungen „Einwendungen“ gegen Inhalte der Zeitungen erheben können, sind schwammige Formulierungen. Was genau diese Einwendungen sind, ist nicht geregelt. Im Zweifel soll ein Schulforum entscheiden, ob zensiert wird. Das hat aber keine presserechtliche Kompetenz. Da muss das Kultusministerium reagieren.
Haben Sie bereits Reaktionen auf die Studie bekommen?
Mai: Die FDP hat sich geäußert. Die Partei will das Gesetz prüfen. Eine ähnliche Reaktion kam von der SPD. Christian Ude hat selbst bei einer Schülerzeitung geschrieben und Ende der 60er Jahre gegen Zensur gekämpft. Die CSU ist ebenfalls gesprächsbereit. Das ist toll. Ich glaube, dass wir zusammen eine gute Lösung erzielen werden. Ohne Pressefreiheit kann Demokratie nicht funktionieren. Auch in Deutschland gibt es Zensur, da darf man nicht nur nach China schauen.
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