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Bayern
17.09.2016

Zivilcourage: So kann jeder zum Helden werden

Beim Polizeisportverein Augsburg trainiert Ausbilder Peter Voit mit Kindern Zivilcourage.
Foto: Ulrich Wagner

Bayerns Innenminister hat gerade 37 Menschen für ihre Zivilcourage ausgezeichnet. Sie haben Schläger gestoppt, sogar Amokläufer. Kann man das eigentlich lernen: Zivilcourage?

Das Hakenkreuz prangt plötzlich an der Turnhallenmauer. Ausgerechnet an diese Stelle. Ausgerechnet im Schulzentrum Poing im Osten von München, an der die Schüler und Lehrer von drei verschiedenen Schulen über Dominik Brunners Tod besonders schockiert waren. Ausgerechnet neben der Schule, die im Mai 2015 zur Dominik-Brunner-Realschule getauft wurde und somit signalisierte: Wir sind gegen jegliche Ausgrenzung, wir stehen für Zivilcourage. Ausgerechnet hier schmiert ein Täter wenige Monate nach der Namenstaufe ein Hakenkreuz und „go home“ an die Wand und verwandelt den Ort in einen Schandfleck.

Am Morgen danach gehen die Schüler mit ihren Taschen an den Schmierereien der Turnhalle vorbei. Sie sind entsetzt, als sie in ihren Klassenzimmern ankommen. Viele wissen zudem nicht , wie sie das Zeichen einordnen sollen. Das Hakenkreuz galt damals den Flüchtlingen, die in den Turnhallen des Poinger Schulzentrums unterkamen. Schulleiter Matthias Wabner erinnert sich noch an die Angst und Unsicherheit im Blick mancher Schüler. Denn es dauert nicht lange, da klopfen die ersten an seiner Bürotür und melden die Schmiererei. Auch er kann nicht fassen, was da neben seiner Schule geschehen ist. Also trommelt er all seine Schüler und Lehrer zusammen, um noch am gleichen Tag den Fall zu besprechen und den Schülern die Verunsicherung zu nehmen und zu sagen: Davon lassen wir uns erst recht nicht unterkriegen.

Zivilcourage kann jeder lernen

Wer Zivilcourage zeigt, der setzt sich für andere ein. Diese mutigen Menschen stellen sich Einbrechern und Dieben in den Weg. Sie stoppen Amokläufer, obwohl sie ihr eigenes Leben damit riskieren. In dieser Woche zeichnete Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) 37 dieser Menschen mit Medaillen für Verdienste um die Innere Sicherheit aus, acht davon stammen aus der Region. Diese Männer sind Helden von nebenan. Doch steckt dieses Mutigsein eigentlich in jedem von uns? Ja, sagen Experten. Zivilcourage lässt sich lernen, vor allem die kleinen Gesten. Dominik Brunner und die acht Helden aus der Region zeigten eine große Portion Mut. Solche Fälle sind allerdings weitaus seltener als die kleinen Taten, bei denen geholfen werden kann. Auch Schulleiter Wabner glaubt nicht daran, dass seine Schüler künftig „jeden Tag zu Rettern werden“. Motivationspsychologen wie Veronika Brandstätter von der Uni Zürich halten Zivilcourage genau dann für nötig, wenn ein Mensch physisch wie psychisch angegriffen wird. Mobbing im Büro oder in der Schule sind klassische Situationen aber auch fremdenfeindliche Stammtischparolen, häusliche Gewalt, Pöbeleien und körperliche Angriffe im öffentlichen Raum zählen dazu. „Zivilcourage führt dann dazu, dass die Würde der Person gewahrt wird“, sagt die Psychologin. Doch sich für eine Person einzusetzen ist in der Praxis gar nicht so einfach.

Zivilcourage teilt die Menschen in Hinseher, Wegseher und diejenigen die helfen wollen, aber nicht können. Die Motivationspsychologin hält Zivilcourage nie für risikofrei und glaubt, dass sich genau deshalb viele davor fürchten, in heiklen Situationen einzugreifen. Couragiert zu handeln ist ihrer Meinung nach eine Frage der Persönlichkeit. Eine gewisse Stressresistenz sowie Unerschrockenheit sei nötig, um in solchen Extremfällen zu handeln und meist tragen Menschen auch die folgenden Charaktereigenschaften in sich: Verantwortung, Hilfsbereitschaft, Toleranz und das Handeln zum Wohl der Gesellschaft. Personen, die dagegen Angst hätten oder überfordert seien, seien dazu weniger gut in der Lage. Wichtig ist Selbstvertrauen. Doch selbst das reicht manchmal nicht aus. Viele Menschen fühlen sich in heiklen Situationen wie versteinert, wenn sie helfen wollen, aber nicht handeln können. Wissenschaftlern zufolge liegt das oftmals daran, dass viele selten mit dem Helfen konfrontiert werden. In der Dominik-Brunner-Realschule ist das anders.

Viele schweigen, statt zu helfen

Im hellen Atrium mit Fließenboden hängen breite Banner, auf denen auf der linken Seite ein Spruch abgedruckt ist und rechts davon ein Foto. „Wir schauen hin und greifen ein“, heißt einer dieser Slogans. Rechts daneben signalisiert eine dunkelhaarige Frau mit der flachen Hand nach vorn gerichtet ein Stoppzeichen. Genau hier beginnt Zivilcourage. Sie zeige sich dann, wenn jemand die Stimme gegenüber eines Menschen hebt, der beispielsweise schikaniert wird, erklärt die Motivationspsychologin. „Es ist wichtig, Stellung zu beziehen und nicht zu schweigen. Denn Schweigen wird oft als Zustimmung missinterpretiert.“ Klappt das gewollte eingreifen nicht, wenn sie beispielsweise zwei Männer prügeln, sprechen Wissenschaftler von der sogenannten Verhaltenskluft. „Wir wollen etwas, tun es aber nicht“, fasst die Psychologin zusammen.

Innenminister Joachim Herrmann (links) zeichnete Ewald Mathias (Zweiter von rechts) aus Untermaxfeld für Zivilcourage aus.
Foto: Bayerisches Innenministerium

Es gibt außerdem noch ein anderes Phänomen, welches das Nichthelfen begründet: der „Bystander Effekt“, zu deutsch Zuschauereffekt. Dieser besagt, dass Menschen eingreifen würden, wenn jemand in Gefahr ist. Sobald aber weitere Menschen anwesend sind, schämten sie sich. In einer Situation, in der Hilfe gefragt ist, müssten sie zudem abwägen: Droht Gewalt oder bin ich sicher? Blockaden ließen sich den Forschungen von Brandstätter zufolge mit Verhaltens-Trainings überwinden, doch in vielen Fällen liege die Helfer-Mentalität in der Erziehung oder im Umgang. Die Schüler der Dominik-Brunner-Realschule erleben das Helfen im Alltag und nehmen diese Einstellung mit nach Hause. Ein großer Teil der Bevölkerung will sich auf den Nächsten nicht verlassen.

Selbstverteidigungskurse werden immer gefragter

In Deutschland scheint das Verlangen nach Sicherheit zu steigen. Das zeigt die steigende Nachfrage für Selbstverteidigungskurse in diversen Kampfsportarten. Sogar im Drogeriemarkt wird außerdem neben dem Regal mit Sonnenmilch Pfefferspray verkauft. Die Nachfrage sei um das zwölffache gestiegen, sagt der Geschäftsführer einer der größten Produzenten von Pfeffersprays. Seit September merkt Kai Prase von der Firma Deftec einen deutlichen Anstieg in der Produktion. Gerade nach Ereignissen wie der Silvesternacht von Köln und den Anschlägen und dem Amoklauf in Bayern hätte sich die Nachfrage erhöht. „Da kann man die Uhr danach stellen. Am nächsten Wochentag geht es dann los.“ In der polizeilichen Kriminalstatistik 2015 von Deutschland sind über 181000 Gewaltdelikte dokumentiert, gut tausend mehr als im Vorjahr. Davon sind über 127000 Fälle gefährliche und schwere Körperverletzung, fast 45000 Menschen wurden Opfer eines Raubs. Hätten womöglich viele dieser Fälle verhindert werden können, wenn das Hinschauen und Helfen konsequent und fächerübergreifend in sämtlichen Schulformen verankert wird?

Nach der Hakenkreuz-Schmiererei nutzt Matthias Wabner die Schul-Versammlung für eine Abstimmung: Soll sich die Dominik-Brunner-Realschule für die Auszeichnung „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ bewerben? Schüler und Lehrer applaudieren. Wenig später erhalten sie die Zusage. Über 2000 Schulen in Deutschland tragen ebenfalls diesen Titel. Zivilcourage in der Schule ist allerdings nicht genug. Die Züricher Psychologin bestätigt, dass öffentliche Kampagnen wie „Mut tut gut“ oder „Gesicht zeigen“ helfen, das Thema Zivilcourage in der Gesellschaft tiefer zu verankern.

Vor allem können sollen lernen, sich zu verteidigen

Prügelnde Jungs, zankende Mädels oder Mobbing werden trotzdem bleiben. Das ist an der Schule von Matthias Wabner nichts anders. „Konflikte und womöglich auch Ausgrenzung sind Teil des Erwachsenwerdens und Realität“, sagt Wabner. Schüler müssten für sich einstehen und einschreiten, sollte es zu starken Konflikten kommen. Dem Schulleiter ist wichtig, dass sie ein Bauchgefühl für unrechte und heikle Situationen bekommen. Außerdem sollen sie wissen, dass Hilfe holen nicht bedeutet, zu petzen. Jetzt zum Schulanfang nehmen Fünftklässler an einem Selbstverteidigungskurs teil. Wie der Schulleiter sagt, solle der Kurs dazu dienen, sich selbst zu behaupten. Die Schüler lernen im Kurs Nein zu sagen. Wer in heiklen Situationen aufrecht stehen könne, so glaubt der Schulleiter, der mache sich auch für andere stark. Eine Sichtweise, die Peter Voit teilt. Der Jugendtrainer des Karatebunds und Leiter der Karateabteilung des Polizeisportvereins Augsburg hat in den Sommerferien Kindern beigebracht, sich selbst zu verteidigen und in ungewöhnlichen Situationen richtig zu reagieren.

Auch Rainer Martin (Mitte) aus Neuburg erhielt die Medaille für seinen Beitrag zur Inneren Sicherheit.
Foto: Bayerisches Innenministerium

Zwei Hände liegen um Tobias Hals und täuschen einen Würgegriff vor. Vor ihm steht der große, kräftige Trainer in der Halle, die nach PVC-Boden riecht. Der Junge reißt seinen linken Arm in die Luft und dreht sich mit dem ganzen Körper mit einem Ruck nach rechts. Die Hände lösen sich von Tobias Kehle. Er läuft grinsend davon, immerhin hat er sich gerade befreit. Die Kinder werden sensibilisiert, Routine in der Verteidigung werden sie jedoch nicht erlangen. Um auf Angriffe reagieren zu können, sind Voit zufolge mehrere Jahre Training nötig. Er sieht den Kurs vor allem als Möglichkeit, den Kindern zu zeigen, wie wichtig das Hilfeholen und das Gespräch mit Erwachsenen ist, sollte ihnen etwas ungewöhnliches zugestoßen sein. Voit sagt: „Selbstverteidigung ist das letzte Mittel, um mich aus schlimmen Situationen zu befreien. Besser, ich komme da erst gar nicht rein.“

An der Dominik-Brunner-Realschule ist das Hakenkreuz bereits am nächsten Tag verschwunden. Der Hausmeister hat es entfernt. Das Thema Freumdenfeindlichkeit war für die große Schulfamilie dennoch nicht erledigt. Alle Lehrer und Schüler des Schulzentrums Poing demonstrierten gemeinsam gegen Rechts. Öffentlich für etwas einzustehen – ein Grundsatz, für den sie sich über die Schule hinaus einsetzen.

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