Der Ruf nach Gerechtigkeit
In Deutschland ist der Protest leiser, kleiner als in Griechenland oder Spanien. Trotzdem setzt sich offenbar das Gefühl fest, dass es nicht mehr gerecht zugeht im Land.
Eines ist klar. Mit Griechenland oder Spanien ist die Situation in Deutschland nicht zu vergleichen. Die Korruption der Eliten im Süden, der Immobilien-Hype, die Vermögensflucht reicher Griechen haben die Länder ruiniert. Die Bürger trifft jetzt die Wucht der unumgänglichen Reformen, Wut treibt sie auf die Straße.
In Deutschland ist der Protest leiser, kleiner. Wahrscheinlich wird es nicht lange Demonstrationen für mehr Umverteilung geben. Trotzdem setzt sich offenbar das Gefühl fest, dass es nicht mehr gerecht zugeht im Land. Der Unmut geht dabei gar nicht von den Ärmsten aus, er stammt aus der Mittelschicht: Das sinkende Rentenniveau verunsichert die Breite der Bevölkerung, die Leiharbeit, die Spritpreise, die Furcht, dass der Wert des Ersparten sinken könnte. Die Angst vor dem Abstieg beschäftigt längst Talkshows in ARD und ZDF.
Viele Ängste mögen unbegründet sein. Tatsache aber ist, dass trotz Finanzkrise das reichste Zehntel der Bevölkerung noch reicher wird. Sein Anteil am gesamten Vermögen stieg von 49 Prozent im Jahr 2003 auf 53 Prozent im Jahr 2008, wie ein Bericht der Regierung zeigt. Die Verteidiger des heutigen Steuersystems werden zeigen müssen, dass von dieser Vermögensverteilung – direkt oder indirekt – die Allgemeinheit profitiert. Anderenfalls entsteht ein Legitimationsproblem. Das Thema Gerechtigkeit hat den deutschen Wahlkampf erreicht.
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