Olympischer Gegenentwurf
Sotschi gibt sich alle Mühe, München gut dastehen zu lassen. In der russischen Stadt am Schwarzen Meer finden Anfang kommenden Jahres die Olympischen Winterspiele statt. Kremlchef Wladimir Putin persönlich wacht über sein Lieblingsprojekt. Die Kosten dafür sind explodiert: 37,5 Milliarden Euro. Olympischer Rekord. Bagger planieren ganze Landstriche. Straßen, eine Bahnlinie, Brücken, Hotelkomplexe und Sportstätten werden in den Fels des Kaukasus gebrochen, Einheimische unter Zwang umgesiedelt. All dies begleiten heftige politische Turbulenzen um ein Gesetz, das es verbietet, sich in Anwesenheit Minderjähriger positiv über Homosexualität zu äußern.
Sotschi dient schon jetzt als Lehrstück darüber, wie ein Großprojekt aus dem Ruder laufen kann.
München ist der Gegenentwurf.
Die bayerische Landeshauptstadt will 2022 Gastgeber der Olympischen Winterspiele werden. Die Bewerbung liest sich vergleichsweise bescheiden. 3,3 Milliarden soll das Spektakel hierzulande kosten. Nachhaltigkeit und Umweltschutz spielen eine zentrale Rolle. 80 Prozent der Sportstätten stehen bereits.
Ob sich auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) von solchen Argumenten überzeugen lässt, ist offen. Viel wichtiger dürfte sein, ob es die Funktionärsriege unberührt lässt, mit welch Unverfrorenheit sich Putin des olympischen Glanzes bedient, um seine Großmachtfantasien zu befriedigen. Auf Nebensächlichkeiten wie Naturschutz nimmt er dabei keine Rücksicht. Und Putin wäre wohl auch nie auf die Idee gekommen, die Bürger im Vorfeld zu befragen, ob sie die Winterspiele überhaupt wollen. Denn eine Abstimmung birgt bekanntlich die Gefahr, dass die Meinung der Befragten nicht zu der eigenen passt.
Dieses Risiko gehen die Initiatoren der Münchner Olympiabewerbung ein. Sie müssen es eingehen. Deren erster Versuch, als es um die Winterspiele 2018 ging, scheiterte nicht zuletzt daran, dass über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden wurde. Vor allem in Garmisch-Partenkirchen formierte sich Widerstand. Erst auf diesen Druck hin gab es dort einen Bürgerentscheid, der eine knappe Mehrheit für die Bewerbung brachte.
München 2022 hat aus diesem Fehler gelernt. Am Sonntag dürfen die Menschen in den direkt betroffenen Städten und Landkreisen abstimmen. In München (alle Wettbewerbe auf Eis, Freestyle, Snowboard), Garmisch-Partenkirchen (Alpin, Skispringen) sowie den Landkreisen Berchtesgadener Land (Biathlon, Langlauf) und Traunstein (Bob, Rodeln) sind 1,3 Millionen Bürger stimmberechtigt. Nur wenn alle vier Bürgerentscheide mit einer Zustimmung für die Bewerbung enden, wird sie eingereicht.
Diese Vorgabe macht Garmisch-Partenkirchen erneut zum Zünglein an der Waage. Dort dürfen knapp 21000 Bürger abstimmen. Wenige tausend Neinstimmen könnten genügen, um das gesamte Milliardenprojekt zu kippen. Im Vergleich zum ersten Versuch wurde Garmisch-Partenkirchen aber deutlich entlastet, Langlauf und Biathlon sind nach Ruhpolding ausgelagert worden. Das hat den Gegnern Wind aus den Segeln genommen. Ihnen bleiben grundsätzliche Warnungen vor Schuldenbergen und Naturzerstörung, vor einer Mietpreisexplosion und Knebelverträgen mit dem IOC.
Alles deutet darauf hin, dass diese Argumente zu abstrakt sind. Eine Mehrheit pro Olympia scheint sicher. Die Abstimmung ist aber nur die erste Hürde auf dem Weg zu München 2022. Am Ende entscheidet das IOC. Jenes Gremium, das München 2018 mit Pauken und Trompeten durchfallen ließ.
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