Vereinigte Staaten von Europa? Nein, danke!
Ursula von der Leyen hat die "Vereinigten Staaten von Europa" zum Ziel. Doch die Arbeitsministerin vergisst, dass es der EU dafür an einem entscheidenden Punkt mangelt.
Mal sind „Eurobonds“ die Lösung, mal brauchen wir eine „Europäische Wirtschaftsregierung“, dann wieder heißt es, Europa müsse zur „Politischen Union“ werden. Und Ursula von der Leyen, die meistens versuchsweise das sagt, was Angela Merkel sich noch nicht zu sagen traut, meint: „Mein Ziel sind die Vereinigten Staaten von Europa.“
Tatsächlich? Eigentlich ist das ein Begriff aus dem Museum politischer Rhetorik. Kohl verkündete in den 80er Jahren die „Vereinigten Staaten von Europa“, zog die Idee aber schnell wieder aus dem Verkehr, weil sie schlecht ankam. Noch früher hatte Adenauer den Begriff schon einmal benutzt, Churchill auch, aber das alles war immer als hehres Ziel, als Vision am Horizont gedacht und kam nur in Sonntagsreden vor. Bei Ursula von der Leyen liegen die Dinge anders. Man muss befürchten, dass sie es ernst meint.
Nicht nur der Begriff ist eine offensichtliche Anspielung auf die USA. Meist dient auch ideell Amerika als Vorbild. Von der Leyen nannte die USA sogar ausdrücklich als Modell, wie auch die Schweiz. Dabei müsste der ambitionierten Arbeitsministerin klar sein, dass man die Geschichte dieser Länder unmöglich mit den ganz unterschiedlichen nationalen Erfahrungen in Europa vergleichen kann.
Die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa ist aber nicht einmal das stärkste Argument gegen einen europäischen Staat. Einheit und Vielfalt schließen sich nicht aus. Die Idee von den „Vereinigten Staaten von Europa“ scheitert vielmehr am fundamentalen Demokratiedefizit der EU. Seit ihren Gründungstagen ist die EU eben nicht demokratisch – „one man, one vote!“ – angelegt; sie zielt vielmehr auf Kooperation, auf den Ausgleich zwischen kleinen und großen Staaten ab, auf Umverteilung und einheitliche Regulierung.
Deshalb hat der Premierminister Luxemburgs, der 500000 Menschen repräsentiert, im Europäischen Rat dasselbe Gewicht wie die Bundeskanzlerin, die 80 Millionen vertritt. Für dieses Dilemma gibt es keine demokratische Lösung: Ginge es proportional zu, hätten Dänen und Österreicher nichts zu sagen. Die Gründungsväter wussten das und hatten nie einen gemeinsamen Staat, sondern eine Gemeinschaft von Staaten im Sinn. Nichts anderes wird die Akzeptanz der Menschen finden.
Der Nationalstaat stößt heute an Grenzen, und die historische Erfahrung zwingt, über das Nationale weit hinauszudenken. Aber gerade wer mit Leidenschaft für die europäische Idee ist, fürchtet sich vor dem undemokratischen, bürokratischen Ungetüm, das jetzt wieder ins Gespräch gebracht wird.
Wer für Europa ist, muss gegen den europäischen Einheitsstaat sein. Wer den EU-Staat fordert, spielt Nationalisten in die Hände.
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