Untaugliches Mittel gegen den Rausch
Eltern von Kindern, die sich krankenhausreif trinken, sollen einen Teil der teuren Behandlung bezahlen. Diese Maßnahme hört sich pfiffig an. Sie ist aber nichts als Populismus.
Man könnte fast meinen, in Deutschland wächst eine Generation heran, die erst mit übermäßigem Alkoholkonsum ihr Leben interessant oder zumindest erträglich findet. Ein Blick auf die statistischen Zahlen lässt Böses ahnen. Im Freistaat hat die Zahl der stationären Krankenhausbehandlungen wegen eines Vollrauschs innerhalb von zwölf Jahren deutlich zugenommen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Quote zwischen dem Jahr 2000 und 2011 um rund 210 Prozent gestiegen. Das ist eine heftige, aber nicht auf Bayern beschränkte Entwicklung, die dazu auffordert, sich gegen den Trend zu stemmen. Denn es wäre verantwortungslos, achselzuckend zur Tagesordnung überzugehen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, will das nicht länger hinnehmen. Eltern von Kindern, die sich krankenhausreif trinken, sollen zumindest einen Teil der teuren Behandlung, die zulasten aller Versicherten geht, bezahlen. Diese erzieherische Maßnahme für Erziehungsberechtigte hört sich pfiffig an. Sie ist aber in Wirklichkeit nichts weiter als Populismus.
Zum einen haben die Krankenkassen bereits die Möglichkeit, so zu agieren. Sie schrecken aber vor dem Schritt zurück, weil das Fehlverhalten den Eltern erst einmal juristisch nachgewiesen werden müsste. Außerdem: Sollen Eltern etwa bei 15-Jährigen zur Kasse gebeten werden und soll bei 20-Jährigen dann weiter die Gemeinschaft einspringen?
Zum anderen werden Mütter und Väter auf diese Weise pauschal in eine Ecke gestellt, in die sie häufig gar nicht gehören. Denn nachweislich haben die meisten Eltern großes Interesse daran, dass der Vollrausch des Sohnes oder der Tochter, der in der Klinik endet, eine einmalige Sache bleibt.
Nicht wenige der betroffenen Väter und Mütter sind in Bayern zu einem Beratungsgespräch noch am Klinikbett des Kindes bereit. Das ist keine Annahme, sondern passiert tatsächlich.
Die Schwäche der jetzt erschienenen statistischen Erhebung zu „alkoholbedingten Krankenhausbehandlungen“ liegt in ihrem rein quantitativen Charakter. Über Ursachen und Gründe klärt das blanke Zahlenwerk nicht auf. Nur allzu gerne wird dann das Bild der entwurzelten, gelangweilten, nur auf Spaß und Drogen getrimmten Jugend wieder und wieder aufgewärmt. Ob es im Kern der Wahrheit entspricht, scheint keine entscheidende Rolle zu spielen – leider. Denn derart pauschales Geschwafel nützt der Sache nicht. Es bedient höchstens Vorurteile.
Dass von jungen Leuten Alkohol in erster Linie im Privaten konsumiert wird, ist nicht nur eine Frage des Preises. Es zeigt, dass es die Organisatoren öffentlicher Veranstaltungen in aller Regel durchaus ernst nehmen mit dem Jugendschutz. Dies gelingt aber nicht immer, wie die „tollen Tage“ wieder bewiesen haben. Es zeigt zugleich, dass die Gesellschaft heute sensibler reagiert, wenn jemand sturzbetrunken ist. Den Krankenwagen lieber schneller zu alarmieren, ist vollkommen richtig, auch wenn der Zustand, in den sich der junge „Komasäufer“ gebracht hat, ärgerlich und überflüssig erscheinen mag.
Natürlich gibt es auch jene kleine, nur schwierig zu beziffernde Gruppe, die ein großes Problem mit der legalen Droge Alkohol hat. Da wird tatsächlich ausnahmslos der Tag mit Bier und Schnaps zum wirklich guten Tag. Hier scheint guter Rat teuer, ja unmöglich.
Die echten Problemfälle dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Jugendliche trotz allem meistens sehr verantwortungsbewusst mit Alkohol umgehen.
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