Alpenmord von Annecy: Es war kein Profikiller
Fieberhaft suchen die Ermittler nach dem Mann, der Vater, Mutter und Großmutter einer Urlauberfamilie und einen Radfahrer erschossen hat. Doch die Ergebnisse sind mager.
Eineinhalb Monate nach dem spektakulären Vierfachmord in den französischen Alpen bleiben Täter, Motiv und Umstände der Tat im Dunkeln. Die Ermittler rätseln noch immer, wer den 50-jährigen Familienvater Saad al-Hilli, seine 47-jährige Ehefrau und deren 74-jährige Mutter am 5. September in ihrem auf einem Waldweg geparkten Auto, sowie einen 45 Jahre alten Radfahrer aus der Region um Annecy erschossen hat. Die Familie stammte ursprünglich aus dem Irak, lebte seit Jahren in Großbritannien und war mit einem Campingwagen in der französischen Urlaubsregion unterwegs.
Annecy: Nur die beiden Töchter überleben
Nur die beiden Töchter der Familie hatten die Bluttat überlebt: Die siebenjährige Zainab wurde schwer verletzt außerhalb des Autos gefunden, die vierjährige Zehab hatte sich im Wagen versteckt und wurde erst nach acht Stunden unter der Leiche ihrer Mutter entdeckt, verängstigt, aber wohlbehalten. Wer machte sie und ihre Schwester zu Waisen? Wir forschen in alle Richtungen, erklärte der ermittelnde Staatsanwalt von Annecy, Eric Maillaud bei einer Pressekonferenz: Alle Hypothesen, auch die extravagantesten, werden untersucht.
Ein Onkel der getöteten Mutter hatte gegenüber der britischen BBC kritisiert, dass sich die französischen Ermittler nur auf die Familie konzentriert hätten: Ich sehe keinen Grund, warum sie die Zielscheibe hätte sein sollen, sagte er. Die al-Hillis seien ein perfektes Paar gewesen. Maillaud hingegen erklärte, auch das Umfeld des erschossenen Radfahrers sei gründlich untersucht worden. Alles deute darauf hin, dass er ein Kollateral-Opfer war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Damit widersprach er in einigen Medien gestreuten Informationen, nach denen der Franzose zuerst erschossen worden sei: Die Reihenfolge der Morde sei nicht rekonstruierbar. Offenbar war der Familienvater wie die ältere Tochter aus dem Wagen ausgestiegen, bevor er zurück ans Steuer ging und noch versuchte wegzufahren, aber in der Böschung hängen blieb. Auch Berichte, nach denen der Täter ein chaotisches Verhalten an den Tag gelegt habe und zwischen den Opfern hin- und hergelaufen sei, nannte Maillaud erfunden, ja Scharlatanerie: Man gehe aber auch nicht von einem professionellen Auftragsmörder aus.
Alpenmord: Zeugenaufruf anhand von Urlaubsbildern gestartet
Nur eine halbe Stunde vor dem Mord und nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt waren noch Urlaubsfotos von der Familie entstanden, die nicht auf die nahende Tragödie schließen lassen, so Maillaud: Die beiden Frauen lächelten und wirkten nicht beunruhigt. Es macht den Eindruck, dass jeder zu diesem Zeitpunkt entspannt war. Anhand der Bilder wurde ein Zeugenaufruf gestartet.
Besonders interessieren sich die Ermittler für einen Motorradfahrer, der zur Tatzeit in der Gegend gesehen wurde und laut eines Zeugen unsicher fuhr und mehrmals den Fuß am Boden aufsetzte. Die Aussagen der beiden Mädchen brachten offenbar bislang wenig weiter, abgesehen von der Information, dass es sich um einen einzigen Täter gehandelt haben soll. Während die Jüngere nichts gesehen hat, spricht Zainab, die ein Schädeltrauma erlitten hatte, von einem bösen Mann.
Drei Indizien gelten als heiß: Die irakische Herkunft al-Hillis, der in den 70er Jahren aus politischen Gründen nach Großbritannien ausgewandert war, seine Tätigkeit für einen Hersteller von Mikro-Satelliten sowie ein heftiger Streit mit seinem Bruder um ein bedeutendes Erbe; dieser hatte sich unmittelbar nach der Tat selbst bei der Polizei gemeldet.
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