Aleppo steht für die kalte Logik eines entfesselten Krieges
Die Armee des Assad-Regimes ist auf dem Vormarsch in der belagerten Stadt Aleppo. Doch auch wenn dort die Waffen schweigen, gibt es nur wenig Hoffnung für Syrien.
Der syrische Machthaber Baschar al-Assad und seine Schutzmacht Russland haben schon jetzt eines erreicht: Die Kapitulation der Rebellen in Aleppo wird fast weltweit herbeigesehnt. Weiterer Widerstand gegen die Übermacht würde das Martyrium für die Bevölkerung unnötig verlängern. Die Hoffnung ist, dass in der Stadt, deren Bewohner seit Jahren durch die Hölle gehen, endlich die Waffen schweigen.
Auch wenn das geschehen sollte, wurde den Vereinten Nationen und vor allem dem Westen in Aleppo brutal vor Augen geführt, wie allumfassend die Hilflosigkeit angesichts des sinnlosen Sterbens ist. Mit dem Auftritt der russischen Militärmacht auf dieser blutigen Bühne im September 2015 ist passiert, was eigentlich undenkbar erschien: Der Krieg, der längst kein Bürgerkrieg im klassischen Sinne mehr ist, eskalierte noch dramatischer. In dem gnadenlosen Kampf um die eingekesselte Wirtschafts- und Kulturmetropole wurde kein Unterschied mehr gemacht zwischen Zivilisten und Soldaten.
Islamistische Milizen, die anfangs noch darauf vertraut haben, dass Frauen, Männer und Kinder ihnen als lebende Schilder einen gewissen Schutz bieten würden, haben sich getäuscht: Zivile Opfer spielen in den Strategien der Militärs in Damaskus und Moskau keine große Rolle. Schlimmer noch, es häufen sich die Hinweise, dass einige Attacken ganz gezielt auf die letzten halbwegs intakten Kliniken zielten. Richtig ist, dass es auch fehlgeleitete Angriffe von US-Kampfjets auf vermeintliche Stützpunkte der Terrormiliz IS gab, die vielen Unschuldigen das Leben kosteten. Doch die kalte Logik der Angriffe auf Ost-Aleppo durch syrische und russische Bomber hat ein Ausmaß an Zynismus offenbart, das seinesgleichen sucht.
Was bleibt – außer einer dröhnenden Friedhofsruhe –, wenn nun tatsächlich der Kampf um Aleppo beendet ist? Vielleicht eine Waffenruhe? Möglich, allerdings wird Assad mehr wollen und weitermarschieren. So bleibt die Gewissheit, dass ein Frieden für Syrien kaum näher gekommen ist. Und die bestürzende Aussicht, dass sich verbrecherische Regime ermutigt fühlen werden, ihre eigene Bevölkerung zu bombardieren, wenn sie ihre Herrschaft bedroht sehen. Sie dürften – wie Assad heute – darauf setzen, dass die Rufe nach Sühne für ihre Kriegsverbrechen ungehört verhallen. Es ist keine Instanz in Sicht, die diese Forderungen durchsetzen kann.
Putins Priorität war nie der Kampf gegen den Terror
Immerhin, so hört man seit dem Wahlsieg von Donald Trump häufig, könnte einsetzendes Tauwetter zwischen den USA und Russland für eine neue Dynamik im Kampf gegen islamistischen Terrorismus sorgen. Schließlich hat der designierte US-Präsident durchblicken lassen, dass er durchaus Sympathien für Wladimir Putin hegt. Doch auch das ist allenfalls eine vage Hoffnung. Wer Putin jemals geglaubt hat, dass seine Militärs in Syrien in erster Linie in den Kampf gegen den IS-Terror ziehen würden, der sollte es jetzt besser wissen. Erste Priorität war, die Macht des Assad-Regimes zu sichern. Dahinter steckt die Strategie, wieder als Weltmacht wahrgenommen zu werden, die auf Augenhöhe mit Washington agiert. In Moskau hofft man darauf, diesem Ziel nach dem Regierungswechsel in den USA Ende Januar einen großen Schritt näherzukommen. Schließlich hat Trump im Wahlkampf angekündigt, dass die USA ihr Engagement als Führungsmacht des Westens weiter einschränken werde.
Der Islamische Staat ist in Syrien und dem Irak in der Defensive. Doch der Jubel darüber wäre verfrüht. Denn die Bilder der Toten von Aleppo dürften dafür sorgen, dass der Nachwuchs für islamistischen Terror nicht versiegt.
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