Englische Kommunen kündigen Freundschaft mit deutschen auf
Das machtvolle Auftreten der Deutschen in Europa missfällt konservativen englischen Politikern so sehr, dass vereinzelt sogar kommunale Beziehungen aufgekündigt werden.
Trennungen verlaufen selten glatt, sie sind hässlich und tun weh. Das bekommen in letzter Zeit auch deutsche Kommunen zu spüren, deren Städtepartnerschaften von zunehmend europaskeptischen Briten aufgekündigt werden. Jüngst hat das hessische Friedberg von der Gemeinde Bishop’s Stortford den Laufpass bekommen. Nach 46 Jahren Städte-Ehe.
Ortsbeirat Mike Wood steht vor einem Scherbenhaufen: „Der Stadtrat hat entschieden“, sagt er, „jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung.“ Gemeinsam mit einem Labour-Mann hatte der Liberale versucht zu verhindern, dass das kleine Bishop’s Stortford alle offiziellen Verbindungen zu seinen deutschen und französischen Partnerstädten kappt.
Der deutsche Bürgermeister ringt um Fassung
Durchsetzen konnten sie sich nicht; mit 13 zu drei Stimmen votierte der mehrheitlich konservative Rat für die Trennung. In Friedberg (Hessen) hat Bürgermeister Michael Keller schon das Kündigungsschreiben der Tories auf dem Schreibtisch liegen. Er ringt um Fassung: „Europa lebt doch davon, dass man in Kontakt bleibt. Hier werden fast 50 Jahre Städtepartnerschaft einfach so beiseite gewischt.“
Im schwäbischen Friedberg, das mit dem englischen Chippenham – knapp 200 Kilometer westlich von London gelegen – partnerschaftlich verbunden ist, hört man von dem Ende der Freundschaft für die Hessen mit Erstaunen.
Die beiden Vorsitzenden der Partnerschaftskomitees, Rainer Hartmann und Terry Gibson, haben sich auch gleich vorbeugend darauf verständigt, dass dies „kein Thema“ für sie sein wird – gleichgültig, welche politische Kraft im Ort das Sagen hat. 2012 soll schließlich das 20-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft gefeiert werden.
Wachsende Euro-Skepsis
Aber Friedberg in Hessen ist nicht das einzige unglückliche Scheidungsopfer. Wallingford bei Oxford und Doncaster bei York haben sich ebenfalls ihrer europäischen Zwillingsstädte entledigt. Ein Abschied mit Stil war es keineswegs. „Ich kenne nur zwei Wörter auf Deutsch, aber die reichen völlig aus: Auf Wiedersehen“, gab der europafeindliche Bürgermeister Peter Davies dem schockierten Herten im Ruhrgebiet mit auf den Weg.
Dort erinnert man sich gut an den „Affront“, aber gibt sich weiter diplomatisch. „Auf der privaten Ebene funktioniert der Austausch mit Doncaster noch immer sehr gut“, sagt Stadtsprecherin Nele Däubler, „und darauf legen wir allergrößten Wert.“
Wachsende Europa-Skepsis macht Ortsbeirat Wood nun auch für das ungalante Bye-Bye der Tories in Bishop’s Stortford verantwortlich. „Dieses Klima verbreitet sich leider in allen Lebensbereichen“, seufzt er. Im britischen Unterhaus hat Premier David Cameron erst vor sechs Wochen EU-Austrittsforderungen in den eigenen Reihen entschärfen müssen. An der Basis aber machen die Tories Nägel mit Köpfen.
Kommunen begeben sich in selbst gewählte Isolation
„Das Fatale daran ist, dass die Kommunen sich durch diese parteipolitische Haltung in die selbst gewählte Isolation begeben“, sagt Bürgermeister Keller. 464 offizielle, deutsch-britische Städtepartnerschaften gibt es zurzeit noch. In Bayern sind es 38, darunter pflegen neben Friedberg auch Ingolstadt, Landsberg, Schrobenhausen, Augsburg, Immenstadt, Friesenried (Ostallgäu) und Mindelheim Kontakte nach Großbritannien.
Auch in der Unterallgäuer Kreisstadt ist nichts von Bestrebungen bekannt, die langjährige Freundschaft aufkündigen zu wollen. „Und ich kann es mir auch nicht vorstellen“, sagt Ronny Herold von der Stadt Mindelheim. Bayerns Innenministerium weiß nicht, ob auch Kommunen im Freistaat betroffen sind. Der bayerische Städtetag spricht von einer „skurrilen Geschichte“.
Schock für Ehrenamtliche
Für die Ehrenamtlichen, die sich zum Teil seit Jahrzehnten für den Austausch einsetzen, ist das abrupte Ende besonders schmerzhaft. „Die alljährlichen Familienbesuche zu Pfingsten waren immer schön“, erinnert sich David Smith, Vorsitzender des Partnerschaftsverbandes in Bishop’s Stortford: „Man hat sich wie ein Teil der Familie gefühlt.
Auch wenn wir mit den Deutschen nicht immer einer politischen Meinung waren, so haben wir doch verstanden, warum der andere wie denkt.“ Eine jüdische Britin habe beim regelmäßigen Austausch ihre Vorurteile überwunden; Chöre und Fußballvereine hätten voneinander gelernt. „Das Vorgehen der Tories ist nicht nur traurig, sondern abstoßend“, resümiert Smith.
Für den Chef der konservativen Ortsfraktion, John Wyllie, ist der Beziehungsknatsch indes nicht mehr als ein „Sturm im Wasserglas“: Die deutsch-britische Freundschaft sei zuletzt „lethargisch und fad“ gewesen. „Es haben sich so wenige Leute beteiligt, dass es für den Stadtrat einfach keine relevante Aufgabe mehr war“, erklärt er. Durch seine Kündigung glaubt er gar, der Beziehung zu neuem Schwung zu verhelfen: „Vielleicht engagieren sich wieder mehr Leute, nachdem wir Politiker uns zurückziehen. Lasst uns gute Freunde bleiben!“
Die Diskussion ist geschlossen.