Miese Stimmung in der Truppe
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, kritisiert das Standortkonzept von Minister de Maizière und beklagt Mängel bei den Auslandseinsätzen
Berlin Chance vertan. Eigentlich ist Hellmut Königshaus, der Wehrbeauftragte des Bundestags, mit der Arbeit von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sehr zufrieden. Doch das von ihm vorgelegte Konzept zur Neuausrichtung der Bundeswehr und den damit verbundenen Standortschließungen dürfe nicht das letzte Wort sein, findet Königshaus, obwohl de Maizière bereits verkündet hat: „Der Sack ist zu.“ „Die Chance, langfristig durch eine regionale Zusammenfassung von Verbänden und Schulen lange Anfahrtswege und Abwesenheiten von der Familie zu reduzieren, wurde dabei leider vertan.“ Er befürworte das Prinzip einer regionalen Konzentration, weil dies der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf diene.
Schon jetzt, so klagt der Ombudsmann der Soldatinnen und Soldaten bei der Vorlage seines Jahresberichts am Dienstag in Berlin, müssten 70 Prozent der Armeeangehörigen zwischen ihrem Wohn- und ihrem Dienstort pendeln, viele von ihnen mehrere Hundert Kilometer. Das neue Standortkonzept des Ministers nehme darauf „viel zu wenig Rücksicht“, bemängelt Königshaus. Denn die Folgen seien fatal – extrem hohe Trennungs- und Scheidungsraten, in manchen Einheiten wie einem Nachrichtenzug, die regelmäßig im Auslandseinsatz sind, gehen bis zu 80 Prozent der Beziehungen in die Brüche. „Zunehmend fällt es vielen Soldatinnen und Soldaten aufgrund der häufigen und langen Abwesenheiten schwer, überhaupt ein soziales Umfeld aufzubauen. Das ist eine Entwicklung, die das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform gefährdet“, warnt Königshaus. Entsprechend schlecht sei die Stimmung in der Truppe, die Verunsicherung sei groß, ebenso die Ungewissheit über die eigene Zukunft. „Dennoch ist noch immer eine hohe Leistungsbereitschaft und Motivation zu spüren“, lobt der Wehrbeauftragte die Truppe.
4864 Eingaben gab es im vergangenen Jahr, das ist der geringste Wert seit 1967, gleichzeitig war aber auch noch nie die Bundeswehr so klein, sodass die Quote bezogen auf die Truppenstärke deutlich gestiegen sei. Rückläufig war die Zahl der rechtsextremistischen Vorkommnisse, sie sank auf 63, alle Vorgänge wurden eingehend untersucht und geahndet. Unverändert lang ist nach den Erkenntnissen von Königshaus die Defizitliste bei der Ausrüstung in Afghanistan. Zwar sei die Zahl der gepanzerten Fahrzeuge gestiegen, dennoch reiche sie noch immer nicht aus. Verschlechtert hat sich die Situation beim Lufttransport. Bei der Bergung von Verwundeten und bei der Luftnahunterstützung ist die Bundeswehr auf die Hilfe der Verbündeten angewiesen. „Alarmierend“ sei der Mangel an Handfeuerwaffen und Munition.
Ausdrücklich lobt der Wehrbeauftragte die deutlichen Verbesserungen bei der Behandlung von Soldaten mit Traumatisierungen, auch wenn es noch immer zu wenig Behandlungskapazitäten, Psychologen und Psychiater in der Bundeswehr gebe. Die Zahl der Betroffenen steige weiter an und habe mit 922 einen neuen Höchststand erreicht. Ausdrücklich kritisiert Königshaus das bestehende „Behördenwirrwarr“: „Die Betreuung und Versorgung Verwundeter und Traumatisierter muss zentralisiert werden.“
Insgesamt stellt Königshaus der Bundeswehr als Arbeitgeber ein schlechtes Zeugnis aus. Ihr fehle es schlicht an Attraktivität, was bei der Rekrutierung von Freiwilligen nach der Abschaffung der Wehrpflicht noch erhebliche Probleme bereiten könnte. „Der Dienst muss attraktiver werden, doch das ist in weiten Bereichen nicht der Fall.“
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