Knapp 300 Tote bei Putschversuch - Erdogan fordert Auslieferung von Fethullah Gülen
Dramatische Stunden in der Türkei. Bei dem Putschversuch durch Teile des Militärs hat es Zusammenstöße in den Straßen von Istanbul und Ankara gegeben. So ist die Lage.
Die Türkei ist in Aufruhr. Teile des Militärs hatten am Freitagabend einen Putschversuch unternommen, der fehlschlug.
- Mindestens 265 Menschen kamen nach Regierungsangaben ums Leben. Bei 161 der Toten handelt es sich laut Ministerpräsident Binali Yildirim um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Hinzu kommen 104 getötete Putschisten, wie es am Samstag aus Regierungskreisen hieß. Yildirim sagte, 1140 Menschen seien verletzt und 2839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden. Die Festnahmen dauerten an.
- Nach Angaben von Übergangs-Armeechef Ümit Dündar wurde der Putschversuch vereitelt. Die Behörden übernahmen wieder die Kontrolle über das Parlament, das am Samstagmorgen zu einer Sondersitzung zusammenkam. Die Situation sei "vollständig unter Kontrolle", sagte Ministerpräsident Yildirim.
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Erdogan hatte Vergeltung verkündet. Laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden 2745 Richter abgesetzt. Zudem seien fünf Mitglieder des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte in Ankara vom Dienst entbunden, meldete Anadolu am Samstag. Gegen sie werde ermittelt.
Liveticker aus der Türkei aktuell
Samstagmorgen, 16. Juli
07.42 Uhr: Menschen gehen gegen Putschisten auf die Straße
Im Istanbuler Stadtteil Tophane waren Dutzende Gegner des Putsches auf die Straße gegangen. Ein dpa-Reporter berichtete am frühen Samstagmorgen, die Menge habe unter anderem "Gott ist groß" und "Nein zum Putsch" gerufen. Der US-Fernsehsender CNN International und die britische BBC zeigten Live-Bilder aus der Stadt: Menschen strömten in Massen auf die Straße und schwenkten türkische Fahnen.
07.36 Uhr: Kampfflugzeuge schießen Hubschrauber der Putschisten ab
In Istanbul waren in der Nacht Schüsse in den Straßen zu hören. Kampfjets flogen im Tiefflug über die Stadt. Gegen 02.40 Uhr Ortszeit (01.40 MESZ) wurde Istanbul von einer schweren Explosion erschüttert. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, bei einem Luftangriff der Putschisten auf das Hauptquartier der Spezialkräfte der Polizei in Ankara seien 17 Polizisten getötet worden. Außerdem sei ein Hubschrauber der Putschisten in Ankara von F-16-Kampfflugzeugen abgeschossen worden. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, in Istanbul seien sechs Zivilisten durch Schüsse getötet und fast hundert verletzt worden. Die Toten und Verletzten seien in ein Krankenhaus auf der asiatischen Seite der Stadt eingeliefert worden. Der Sender NTV berichtete, 13 Soldaten seien bei dem Versuch festgenommen worden, ins Präsidialbüro in Ankara einzudringen.
07.33 Uhr: Wen Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht
Erdogan sagte, bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit in den Streitkräften. "Wir haben mit der Operation begonnen, das Militär vollständig zu säubern. Und wir werden diese Operation weiterführen." Erdogan machte die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. "Sie werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen", sagte Erdogan am Samstagmorgen am Atatürk-Flughafen in Istanbul. Gülen ist ein einstiger Verbündeter Erdogans. Beide haben sich aber 2013 überworfen. Gülen - der in der Türkei inzwischen als Terrorist gilt - verurteilte den Putschversuch auf das Schärfste. Eine Regierung müsse durch freie und faire Wahlen an die Macht kommen, nicht durch Gewalt, hieß es in einer Mitteilung. Erdogan sagte, er sei vor seinem Flug nach Istanbul in Marmaris an der türkischen Ägäis-Küste gewesen. Unmittelbar nach seiner Abreise hätten die Putschisten "diesen Ort leider genauso bombardiert". Während des Putschversuchs hatte es aus dem Präsidialamt geheißen, Erdogan sei in der Türkei und in Sicherheit.
07.30 Uhr: Lage noch unübersichtlich
"Die Situation ist weitgehend unter Kontrolle", sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim am frühen Samstagmorgen. Mehr als 120 Putschisten seien festgenommen worden. Es gab schwere Explosionen, darunter am Parlament in der Hauptstadt Ankara. Auch am Morgen war die Lage noch unübersichtlich. Im Morgengrauen noch waren in Istanbul Schüsse und Explosionen zu hören. Die Bundesregierung verlangte, die demokratische Ordnung in der Türkei zu respektieren, wie es in einer Erklärung von Regierungssprecher Steffen Seibert hieß. Das Auswärtige Amt riet allen Deutschen in Ankara und in Istanbul zu "äußerster Vorsicht".
07.25 Uhr: Flüge in die Türkei gestrichen, Urlauber sollen in Hotels bleiben
Mehrere Fluggesellschaften strichen Türkei-Flüge. Die Lufthansa, Eurowings und Air Berlin sagten in der Nacht Flüge aus dem Land und in das Land hinein ab. "Wir werden bis morgen Mittag 12 Uhr alle Verbindungen von und in die Türkei streichen", sagte ein Konzernsprecher der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zu Samstag. "Danach werden wir sehen, wie sich die Lage weiterentwickelt." Betroffen seien insgesamt fünf Flugrouten. Abflüge aus München und Frankfurt sowie aus Istanbul und Ankara, aber auch aus den Urlaubsorten Antalya, Bodrum und Izmir seien gecancelt. Der Lufthansa-Sprecher riet allen Passagieren, Kontakt zur Airline aufzunehmen, um sich über ihren Flugstatus zu informieren. In den türkischen Ferienzentren war die Lage nach Angaben der Tui ruhig. Der Reiseveranstalter Thomas Cook forderte die Urlauber auf, "vorsichtshalber bis auf weiteres in ihren Hotels zu bleiben".
07.15 Uhr: Dramatische Szenen in Straßen von Ankara und Istanbul
In den Straßen der Hauptstadt Ankara und in Istanbul haben sich dramatische Szenen abgespielt. In beiden Städten waren in der Nacht Panzer aufgefahren, unter anderem an der berühmten Bosporus-Brücke, die in Istanbul Asien und Europa verbindet. In beiden Städten waren auch Schüsse zu hören. Fernsehsender und Fotografen zeigten in Ankara zahlreiche Menschen, die sich auf den Straßen um Verletzte kümmerten, die am Boden lagen. Viele wurden auf türkische Flaggen gebettet oder damit zugedeckt. In der Nähe des Armeehauptquartiers fuhren zahlreiche Krankenwagen mit Blaulicht auf, wie auf Fotos zu sehen war.
Auf dem berühmten Taksim-Platz in Istanbul liefen Dutzende Leute in Panik davon, als Kampfjets im Tiefflug über den Platz jagten. Einige warfen sich sofort auf den Boden, andere suchten hinter Autos und Lastwagen Schutz. Der Platz ist ein Verkehrsknotenpunkt und bei Protesten immer wieder ein wichtiger Versammlungsplatz. An mehreren Orten strömten aufgebrachte Menschen zusammen, kletterten auf die Panzer und konfrontierten Soldaten, wie Bilder von Fernsehsendern zeigten. An der Bosporus-Brücke ergaben sich mehrere Soldaten. Nahe dem Taksim-Platz führten Polizisten Soldaten in Handschellen ab. Auch dies war zu sehen: Menschen, die vor verlassenen Panzern Selfies schossen.
07 Uhr: Fast 60 Tote bei Zusammenstößen und Gefechten in der Türkei
Bei dem Putschversuch in der Türkei sind bei Zusammenstößen und Gefechten offiziellen Angaben zufolge fast 60 Menschen getötet worden. Bei den meisten Toten handele es sich um Zivilisten, sagte der Regierungsverteter am Samstag. Die Staatsanwaltschaft in Ankara hatte zuvor von mindestens 42 Toten allein in der türkischen Hauptstadt gesprochen. Wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, wurden landesweit 754 Armeeangehörige festgenommen. Teile der türkischen Armee hatten am Freitagabend die Übernahme der Macht verkündet, das Kriegsrecht ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt. Soldaten bezogen an strategisch wichtigen Punkten in Istanbul und Ankara Stellung, in beiden Städten waren Kampfflugzeuge und Hubschrauber am Himmel zu sehen. Präsident Recep Tayyip Erdogan rief seine Anhänger auf, zu Gegendemonstrationen auf die Straße zu gehen. Es gab Zusammenstöße und Gefechte.
Am Samstagmorgen ernannte die türkische Regierung einen neuen Armeechef. Der bisherige Kommandeur der Ersten Armee, General Ümit Dündar, sei nun kommissarischer Generalstabschef, teilte Ministerpräsident Binali Yildirim mit. Medienberichten zufolge wurde der bisherige Generalstabschef Hulusi Akar von den Putschisten als Geisel genommen. Erdogan sagte bei einem Fernsehauftritt in der Nacht, er wisse nicht, wo sich Akar befinde.
Das geschah noch am Freitagabend
Nach eigenen Angaben hat das Militär vollständig die Macht übernommen. Das Präsidialamt bestritt dies am Freitagabend jedoch. "Der demokratisch gewählte Präsident der Türkei und die Regierung sind an der Macht", hieß es am Freitagabend aus Kreisen des Präsidialamtes. In einem live übertragenen Telefonanruf beim Sender CNN Türk rief Erdogan das Volk zu öffentlichen Versammlungen gegen die Putschisten auf. "Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu versammeln. Sollen sie (die Putschisten) mit ihren Panzern und ihren Kanonen machen, was sie wollen."
Mit dem Putsch sollten unter anderem die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden, teilte das Militär nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mit. Im Fernsehen verkündete die Armee die Übernahme der Macht in der Türkei. "Die Macht im Land ist in ihrer Gesamtheit übernommen", hieß es in der Erklärung des Militärs, die im Fernsehsender NTV am Freitagabend verlesenen wurde. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf "glaubhafte Quellen", der Generalstabschef Hulusi Akar sei eine Geisel der Putschisten. Das türkische Militär ließ weiter über das Fernsehen das Kriegsrecht und eine Ausgangssperre für die Türkei verkünden. Die Ausgangssperre sei bis auf weiteres über das Land verhängt. Die Ausgangssperre diene der Sicherheit der Bürger, hieß es. Der "Rat für den Frieden im Land" werde "nicht erlauben, dass die öffentliche Ordnung in der Türkei gestört werde".
Vor dem Istanbuler Atatürk-Flughafen fuhren Panzer auf. Das Militär hat einem Medienbericht zufolge den Flugverkehr am Atatürk-Flughafen in Istanbul gestoppt. Soldaten hätten den Tower am größten Flughafen des Landes am Freitagabend unter ihre Kontrolle gebracht, meldete die private Nachrichtenagentur DHA.
Ministerpräsident Binali Yildirim hatte kurz zuvor gesagt, es sei verfrüht, von einem Putsch zu sprechen. "Dieser Versuch wird nicht erlaubt werden." Yildirim kündigte an, die Hintermänner "werden den höchsten Preis bezahlen".
Es sind Teile des türkischen Militärs, die nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu einen Putschversuch begonnen haben. Die türkischen Nachrichtensender sprachen von einem "versuchten Staatsstreich". CNN-Türk berichtete eine außergewöhnliche Mobilisierung von Sicherheitskräften vor dem Sitz des Generalstabs.
Wie oft das türkische Militär schon geputscht hat
Die Nachrichtenagentur DHA meldete, in der Hauptstadt Ankara habe die Polizei das gesamte Personal zum Dienst gerufen. Im Umfeld des Armee-Hauptquartiers seien erhöhte Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Zahlreiche Krankenwägen stünden dort bereit. Kampfflugzeuge würden im Tiefflug über die Hauptstadt fliegen. In der türkischen Hauptstadt fielen Schüsse. Das bestätigte die US-Botschaft in Ankara. Das amerikanische Außenministerium ruft US-Bürger in der Türkei zu verstärkter Wachsamkeit auf. Sie sollten Schutz suchen und das Haus nicht verlassen, schrieb das Ministerium am Freitagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.
Dieses Video, das getwittert wurde, soll Schüsse in Ankara belegen:
Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte in Istanbuls Straßen
Augenzeugen in Istanbul berichteten von schwer bewaffneten Sicherheitskräften in den Straßen. Über Istanbul kreisten Hubschrauber. Die türkischen Sicherheitskräfte haben laut Medienberichten am Freitagabend die beiden Brücken über den Bosporus in Istanbul teilweise geschlossen. Sämtlicher Verkehr von der asiatischen Seite der Millionenmetropole in Richtung der europäischen Seite sei gestoppt, meldete der Fernsehsender NTV. Der Verkehr in die andere Richtung lief bisher weiter.
Die Türkei ist seit Monaten in erhöhter Alarmbereitschaft. In dem Land hatte es in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe blutiger Anschläge in Istanbul, Ankara und anderen Städten gegeben, die teils der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), teils der kurdischen Extremistengruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) zugeschrieben wurden. Erst am 28. Juni hatten drei Attentäter am Istanbuler Atatürk-Flughafen ein Blutbad angerichtet und 47 Menschen getötet. afp/dpa/ina
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Gute Nacht Europa, wenn solche Länder wie Türkei in die EU kommen, (reicht schon Rumänien und Bulgarien) Der Putsch ist zu verachten, aber die Politik des neuen Diktators noch mehr. Dieses Land, die Politiker und Bevölkerung sind für eine wirkliche Demokratie noch nicht reif genug. Die gebildete Klasse demonstriert gegen den Präsidenten, die Schicht darunter himmelt Ihn an. Was soll daraus werden?
Es wäre gut gewesen wenn Sie diesen Diktator abgesetzt hätten, doch wie sogar schon in Istanbuler Kreisen gesagt wird ist das ganze wahrscheinlich alles inzeniert gewesen, damit der Diktator noch mehr Macht erlangt.
Er ist demokratisch gewählt. (edit/ Nub. 7.2)
Die Türkei ist als sicheres Reiseland eingestuft, die USA braucht die Türkei als "Militär-Standort" und bald heisst es für die Türkei: "Welcome to €urope"........
Natürlich ist die Türkei sicher. Glauben Sie, daß Putsche, insbesondere von Militärs, sonst nirgendwo passieren können? Schauen Sie nach Südamerika, Afrika ... die Länder wo ich es ausschliesse kann ich an 2 Händen abtzählen.
hallo Wolfgang B das mit der Sicheren Türkei müssen sie mir schohn Näher Eklären !!! in einem land das seine unabhängigen richter in großen massen verhaftet und der vasalle seines Königs offen von der wiedereinführung der Todesstrafe spricht ist Für mich nicht Sicher !!! er hat mehr richter und Staatsanwälte in den lezten 24 stunden einsperren lassen als soldaten nach angaben der Regirung am sogenanten Putsch beteiligt waren !!! ich freue mich auf ihre antwort und ihre Quellen