Wem nützt der Fall Strauss-Kahn(s)?
Der Fall um Dominique Strauss-Kahn beschäftigt die Kommentare der deutschen Tageszeitungen. Eine Presseschau.
Die Pressestimmen zum Fall Dominique Strauss-Kahn:
"Badische Zeitung": "Der Währungsfonds kann sich eine Führungskrise nicht leisten in einer Zeit, da seine Experten die Finanzkrisen in Griechenland, Portugal und anderswo unter Kontrolle bringen sollen. Und Frankreichs Sozialisten dürfen nicht riskieren, über Gebühr lange einem möglichen Sexualverbrecher die Treue zu halten. Sie gefährden sonst all ihre Wahlchancen. So dürfte es um Strauss-Kahns Karriere geschehen sein - auch weil frühere Vorkommnisse dem aktuellen Vorwurf Glaubwürdigkeit verleihen. Selbst wenn sich sein angebliches Alibi doch noch bewahrheiten sollte, den Makel des Frauenbelästigers wird Strauss-Kahn nicht mehr los."
"Thüringer Allgemeine": "Wie damals, als sich die USA mit der Frage beschäftigten, ob der Präsident nun Sex hatte oder nicht, sind die Ermittlungen der New Yorker Polizei ein internationales Politikum. Strauss-Kahn ist ersetzbar, natürlich. Aber seine Nachfolge würde kompliziert, die Schwellenländer wollen den Posten, die transatlantische Dominanz des IWF erodiert. Und der Euro? Jede neue Unsicherheit schwächt die Währung weiter. Cui bono, fragte Cicero, wem nützt es? Allein schon die Spekulationen über eine Intrige werden Vertrauen zerstören - also genau jene Währung, auf der alle anderen basieren. Das Einzige, was jetzt hilft, ist ausnahmsweise das zu tun, was unserer Gesellschaft so fremd geworden ist: Ruhe bewahren."
"Rhein-Neckar-Zeitung": "Der Prozess gegen Dominique Strauss-Kahn dürfte sich noch eine Weile hinziehen. Aussage steht gegen Aussage und möglicherweise gelingt es niemals, endültige Klarheit in dem Fall zu bekommen. Der politische Prozess hingegen ist ungleich kürzer. Die Karriere des IWF-Chefs und möglichen französischen Präsidentschaftskandidaten ist mit sofortiger Wirkung beendet."
"Nürnberger Nachrichten": "Da sind wir aus europäischer Sicht beim Kernproblem der Affäre-DSK, so sie denn wirklich eine ist: Wäre Euroland als Institution stark oder gäbe es zumindest starke Personen an der Spitze, dann könnte uns der Fall des IWF-Chefs in der gegenwärtigen Schuldenkrise relativ kalt lassen. Aber dem ist nicht so. Europa taumelt in kollektiver Führungsschwäche durch die Zeitgeschichte - mal von den Finanzmärkten getrieben, meist von nationalen Egoismen gelähmt. Politikern wie Sarkozy, Berlusconi oder Merkel fehlt das Format - und vielleicht auch das Interesse - selbstbewusst die Interessen Europas voranzutreiben. Da fällt es doppelt ins Gewicht, wenn in der Krise eine bedeutende Stütze wie der IWF an Tragkraft verliert."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Europas Regierungen betonen zwar die Unschuldsvermutung, doch die Nachfolge-Debatte ist beim Internationalen Währungsfonds bereits entbrannt. Zugleich haben Verschwörungstheoretiker Konjunktur: Erpressung oder Intrige? Es sind wilde Spekulationen. Fest steht nur: Strauss-Kahn ist in Handschellen abgeführt worden. Dieses Bild schockiert die Franzosen. Zumal die US-Richter den Anfangsverdacht erhärtet und eine Fluchtgefahr bei dem Mann sehen, den sich die Sozialisten noch vor 72 Stunden als Nachfolger von Präsident Sarkozy wünschten. Das angebliche Alibi des Weltbankers scheint dagegen wenig überzeugend zu sein. Strauss-Kahn wird nicht in den Élysée-Palast einziehen. Ihm könnte eine lange Haft bevorstehen."
"Mannheimer Morgen": "Ein Prozess gegen Strauss-Kahn würde nicht nur den IWF als Institution beschädigen, sondern unabhängig vom Ausgang des Verfahrens dessen Ruf irreparabel beschädigen. Und dass am Ende in Frankreich mit Marine Le Pen eine rechtsextreme Politikerin als Nutznießerin des Skandals in den Elysée-Palast einziehen könnte - dies wäre schon eine Horrorvision. Das Zimmermädchen des New Yorker Luxushotels wird mit ihrer Anzeige den Lauf der Dinge verändern. Es wäre deshalb fatal, sollten sich die Anschuldigungen als falsch erweisen. Dominique Strauss-Kahn weiß jedenfalls, was für ihn bei diesem Krimi auf dem Spiel steht. Er hat einen der besten US-Anwälte angeheuert."
"Leipziger Volkszeitung": "Verschoben ist nicht aufgehoben. Oder doch? Dass die EU-Finanzminister ohne Dominique Strauss-Kahn nur über die zweite Kreditrunde für Griechenland berieten, ist keine Vorentscheidung für eine Kehrtwende beim 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm. Der IWF-Chef sitzt wegen eines Sexskandals in U-Haft. Ein Strategiewechsel des Währungsfonds ist damit aber nicht verbunden, zumal die Hilfen für Portugal abgesegnet worden sind. Strauss-Kahn hat stets als Protagonist der Rettungspläne gegolten, während Finanzminister Wolfgang Schäuble gestern eine Umschuldung erwog."
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