Wie das Terror-Trio seine Opfer wählte
Die Thüringer Terrorzelle soll ihren Mordzug penibel vorbereitet haben. In den Trümmern ihrer Zwickauer Wohnung stellten die Ermittler Notizen und ein weiteres Video sicher.
Augsburg Auch fast ein Vierteljahr, nachdem die Thüringer Neonazi-Terrorzelle aufgeflogen ist, sickern die Einzelheiten über das Vorgehen des mörderischen Trios nur sehr zögerlich an die Öffentlichkeit. Die Bundesanwaltschaft hielt sich anfangs mit Informationen zurück, um die Ermittlungen nach den Helfern und Unterstützern der Rechtsterroristen nicht zu gefährden. Zudem blamierte sich Bundeskriminalamtschef Jörg Ziercke mit vorschnellen Mutmaßungen über angebliche Verbindungen der in Heilbronn ermordeten Polizistin zu den Thüringer Rechtsextremisten. Das BKA musste wenig später die Spekulationen seines Leiters als falsch dementieren.
Terroristin Beate Zschäpe
Doch langsam geraten die Ermittler nicht nur durch den Druck der Öffentlichkeit unter Zugzwang, sondern auch durch den Anwalt der seit Mitte November inhaftierten mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe. Die Anwälte der 36-Jährigen haben die Aufhebung des Haftbefehls beantragt – sie halten eine Beteiligung an den Terroraktionen und der Mordserie für nicht ausreichend bewiesen. Die anstehende Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof wird demnächst vermutlich mehr Klarheit über den Stand der Ermittlungen bringen als die bisherigen Erklärungen der Behörden.
Die Bundesanwaltschaft sieht inzwischen ihren Verdacht gegen Zschäpe bestätigt. „Aufgrund der weiteren Ermittlungen sind wir überzeugt, dass sie die terroristische Vereinigung NSU mitbegründet und sich auch bis zum Ende an ihr beteiligt hat“, bestätigte Behördensprecher Marcus Köhler mehrere Zeitungsberichte. Details nannte er nicht. Aber die Behörden spielen offenbar über Bande und lassen immer wieder in kleinen Dosen Ermittlungsergebnisse an die Medien durchsickern.
So berichtet der Spiegel in seiner neuen Ausgabe, dass die Terrorbande ihre Opfer offenbar sehr sorgfältig auswählte. In den Trümmern der von Zschäpe in die Luft gesprengten Zwickauer Wohnung fanden die Ermittler demnach Aufzeichnungen, die darauf hindeuten, dass die Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihre Opfer oft tagelang ausspähten. Sie konzentrierten sich dabei auf „unarische“ Männer „im zeugungsfähigen Alter“, wie es in den Notizen heißen soll. In einem Fall hatte offenbar ein türkischstämmiger Unternehmer in Dortmund Glück, nicht exakt in das Mordraster der Rechtsextremisten zu fallen. Dessen Laden sei zwar ein „sehr gutes Objekt“, zitiert das Magazin aus den gesicherten Notizen, die Person sei „aber alt (über 60)“.
Wie das Magazin weiter berichtet, planten die Neonazis offenbar insgesamt 14 Anschläge. Dies gehe aus einem weiteren Videofilm hervor, den die Ermittler in Zwickau sicherstellten. Das Video war bereits am 28. Oktober 2001 auf einer Computerfestplatte gespeichert worden. Zu diesem Zeitpunkt hatten Böhnhardt und Mundlos bereits vier Einwanderer erschossen und einen Bombenanschlag in Köln verübt. Insgesamt tötete die Terrorzelle bei ihrem Mordzug durch die Republik zehn Menschen. Auf dem Video waren 14 Felder zu sehen, von denen fünf bereits ausgefüllt waren.
Nach einem Bericht des Focus wurde bei den Terroristen Propagandamaterial entdeckt, mit dem sie offenbar weitere Rechtsextremisten anwerben wollten. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.