Warum Willy Bogner Tonga auf der Eröffnungsfeier vertritt
Modedesigner Willy Bogner begleitet den Tonga-Rodler Bruno Banani heute Abend beim Einmarsch der Nationen
Spätestens seit den Sommerspielen in Los Angeles 1984, als ein gewisser William Suitor mit einem Raketenrucksack durchs Stadion flog, sind schrill, spektakulär und bunt die scheinbar wichtigsten Attribute von olympischen Eröffnungsfeiern. Zwar werden Einzelheiten über die heutige Zeremonie (Beginn 17.14 Uhr deutscher Zeit) geheim gehalten wie einst die russischen Rüstungsstrategien, doch es ist davon auszugehen, dass Präsident Wladimir Putin auch hier nicht kleckern, sondern klotzen lässt.
Für einen deutlich kleineren, aber umso bunteren Farbtupfer wird das Königreich Tonga sorgen, ein Inselstaat im Südpazifik, das erstmals bei Olympischen Winterspielen vertreten ist. Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte – gespickt mit kuriosen Begebenheiten und ebenso prominenten wie unbekannten Personen. Und die Geschichte trägt die Überschrift Multikulti, denn ohne den nach Neuseeland ausgewanderten Allgäuer Günther Rädler und seine australische Frau Louise wäre dieses exotische Olympia-Debüt nicht zustande gekommen.
Wie Bogners Mode nach Neuseeland kam
Günther Rädler stammt aus Oberjoch im Oberallgäu. Mit 30 Jahren beschloss der studierte Chemiker, nach Neuseeland auszuwandern. Auf der Südinsel gründete er eine Skischule und sorgte dafür, dass die Skistars aus Deutschland und Österreich im europäischen Sommer ans andere Ende der Welt flogen, um sich auf die Wintersaison vorzubereiten. „Damals, als Markus Wasmeier das erste Mal zum Coronet Peak kam, war ich schon stolz“, erzählt der 66-Jährige. Auch Willy Bogner, den er in gemeinsamen aktiven Zeiten als Skilehrer kennengelernt habe und der inzwischen vom Skifahrer zum Modedesigner geworden ist, war zu dieser Zeit regelmäßig Gast in Neuseeland. Rädler sollte Bogners Mode ab 1982 auch auf dem fünften Kontinent berühmt machen.
Dass Rädlers Frau Louise Waterhouse, die er 1983 heiratete, in Sydney als Honorarkonsulin des Zwergstaates Tonga arbeitet, sollte erst später zur glücklichen Fügung beitragen. Jedenfalls lernten die Rädlers das tongaische Königshaus kennen, Prinz George Tupou machte bei Rädler in Neuseeland seinen ersten Skikurs. „Immer wenn’s draußen Schlechtwetter war, haben wir Bogner-Filme angeschaut“, erinnert sich Rädler, „Fire & Ice und die James-Bond-Szenen auf Ski“. So sei Tupou „ein leidenschaftlicher Deutschland-Fan“ geworden – mit dem Wunsch, dass Willy Bogner irgendwann, wenn er selbst zum König gekrönt werden sollte, sein Gast sein solle.
2008 war es so weit – und Bogner reiste erstmals nach Tonga. „Die Palmen, das Meer, das Schwimmen mit den Walen“, sagt Rädler, „haben Willy unheimlich beeindruckt.“ Und Bogner erfuhr, dass der tongaische Herrscher die Vision hatte, sein Land einmal bei Olympischen Winterspielen antreten zu lassen. Rädler hätte als Alpinfahrer schon Mitte der Achtziger die Farben des Pazifikstaates vertreten sollen, doch er lehnte ab. „Olympische Exoten müssen aus dem jeweiligen Land kommen“, sagt er heute.
Jetzt endlich hat Tonga mit Rennrodler Bruno Banani einen Wintersportler. Der hieß ursprünglich Fuahea Semi, ließ sich aber aus Dankbarkeit zu seinem Sponsor, einem Modeunternehmen aus Chemnitz, vor vier Jahren umtaufen. Er trainiert häufig mit den Deutschen und bekommt heute als einziger Athlet Tongas bei der Eröffnungsfeier prominente Begleitung. Willy Bogner, der kurzerhand noch die Olympiabekleidung für die Südseestaatler fertigte, wird als Teamattaché mit einmarschieren. Und die Rädlers, ebenfalls Mitglieder der tongaischen Delegation, werden tief berührt auf der Tribüne sitzen und King George V. gedenken.
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