VW, Audi, Skoda, Seat: Abgas-Skandal nimmt kein Ende
In der Diesel-Affäre überschlagen sich die Nachrichten. Neben VW sind auch Audi, Skoda und Seat betroffen. Warum es an der Zeit ist, die Motorengattung neu zu erfinden.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Jetzt ist sie tot. Es war naiv zu glauben, der Abgas-Skandal beschränke sich „nur“ auf Volkswagen und „nur“ auf Amerika. Während sich VW nach dem Rücktritt von Martin Winterkorn neu aufstellt und laut Medienberichten wohl Porsche-Chef Matthias Müller die Leitung übernehmen lässt, weitet sich der Skandal aus. Von den Problemen mit manipulierten Abgaswerten bei VW sind neben Audi weitere Konzerntöchter betroffen. Innerhalb des Konzerns teilen sich die Unternehmen etliche Bauteile, darunter auch Motoren und Getriebe.
Ein Sprecher der Volkswagentochter Skoda bestätigte am Donnerstag, Modelle der Reihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb aus den Jahren 2009 bis 2013 seien teilweise mit den betroffenen Dieselmotoren ausgerüstet worden. Bei aktuellen Modellen gebe es keine Probleme.
Auch Seat bestätigte am Donnerstag, dass in dem Werk der spanischen VW-Tochter Fahrzeuge mit der manipulierten Diesel-Technologie montiert worden seien. Die genaue Zahl sei nicht bekannt, verlautete aus Unternehmenskreisen. Eine Untersuchung solle nähere Aufschlüsse bringen.
Abgas-Skandal um VW ruiniert Ruf der deutschen Industrie
Für die Wettbewerber scheint die Schonfrist ebenfalls vorbei. Sie beteuerten bis zuletzt, von Unregelmäßigkeiten in ihren Häusern keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Medienberichte, die sich nun beispielsweise um erhöhte Stickoxid-Werte bei BMW drehen, sprechen eine andere Sprache. Auch wenn es für Manipulation a la Volkswagen bei anderen Herstellern derzeit keine Beweise gibt: Man wird das Gefühl nicht los, da könne noch etwas nach kommen.
Der Abgas-Skandal scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Skrupellose Manager haben nicht nur das Qualitätssiegel „Made in Germany“ in Verruf gebracht, sondern die Enthüllungen stellen die Diesel-Technologie als solche in Frage. Radikale Umweltschützer fordern bereits das Aus der Antriebsart.
Das geht sicher zu weit. Und doch steht der Diesel, wie wir ihn kennen, vor einer Zäsur. Die Folgen zu hoher Stickstoff-Belastung, zu deren Hauptverursacher der Ölbrenner gehört, lassen sich nicht leugnen. Diesel-Abgase können die Gesundheit und die Umwelt schädigen. Die Dosis macht das Gift. Die Amerikaner hatten und haben allen Grund, auf deutlich strengere Grenzwerte zu pochen als die Europäer.
Würden diese eingehalten – es gäbe keinen besonderen Anlass zur Beunruhigung. Doch wie der an Dreistigkeit kaum zu überbietende Abgas-Skandal zeigt, ist zumindest Volkswagen nicht immer in der Lage, auch im Alltagsbetrieb für ein erlaubtes Maß an Emissionen zu sorgen. Sauber sind die in den USA beanstandeten Diesel nur auf dem Prüfstand – und nur, wenn man sie schamlos manipuliert hat.
Es ist schade, wenn eine an sich fortschrittliche Antriebstechnologie von einzelnen in Existenznot gebracht wird. Unter den Verbrennern gilt der Diesel zu Recht als Effizienz-Champion. Ein moderner Selbstzünder nimmt es in der Spitze sogar mit fast jedem Hybridfahrzeug auf. In der Breite ermöglicht das Triebwerk zudem Dienstwagen- und Nutzfahrzeug-Flotten erst ein wirtschaftliches Fortkommen.
Ein SUV ohne Selbstzünder – kaum vorstellbar
Nicht zuletzt lieben viele Privatfahrer ihren Diesel, weil er weniger schluckt und häufig besser durchzieht als ein gleich großer Benziner – vom deutlich günstigeren Kraftstoff-Preis ganz zu schweigen. Vor allem die schweren Straßen-Geländewagen, die sich enormer Beliebtheit erfreuen, sind auf den effizienten Antrieb angewiesen. Ein SUV ohne Selbstzünder – kaum vorstellbar.
Es ist zu früh, die populäre Motorengattung auf den Schrottplatz zu verbannen. Aber es besteht Handlungsbedarf. Auch hierzulande muss geklärt werden, wie viel Schadstoffe die Autos nun wirklich in die Luft blasen – und ob die Messmethoden nicht längst überholt sind, wofür vieles spricht. An einer Diskussion um strengere Grenzwerte führt kein ein Weg vorbei. Vermutlich muss sich Auto-Deutschland auf eine neue Plakette einstellen. Gerade die Innenstädte brauchen Schutz vor weiterer Luftverschmutzung. Dreckschleudern müssen draußen bleiben.
Diesel: Auch die Industrie ist jetzt gefragt
Auch die Industrie selbst ist gefragt. Deutsche Hersteller rühmen sich, die besten Wagen der Welt zu bauen. Den Worten müssen einmal mehr Taten folgen. Beispiel: Den Stickoxid-Ausstoß bekommen Ingenieure mit der Beigabe von Chemikalien leidlich in den Griff. Der Weisheit letzter Schluss kann das für „German Engineering“ nicht sein. Sauberkeit um jeden Preis – das funktioniert nicht. Autos sind schon teuer genug.
Im Jahre 1893 erfand Rudolf Diesel den nach ihm benannten Motor. Entwickelt wurde das Aggregat in Augsburg, wo das Original heute im MAN-Museum zu besichtigen ist – ein Stück stolzer deutscher Industriegeschichte. Pessimisten sehen gut 120 Jahre später im Abgas-Skandal den Anfang vom Ende des Motorkonzepts. Optimisten sehen die Chance, eine Technologie neu zu erfinden. Warum sollte es nicht gelingen, einen besseren Antrieb für kommende Fahrzeuggenerationen zu entwickeln? Warum kein Selbstzünder 2.0? Rudolf Diesels Erbe hätte es verdient.
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