Das Risiko fliegt im Frachtraum mit
Der Fund einer Paketbombe in einem Flugzeug hat vor fünf Jahren Aufsehen erregt. Eine Firma aus der Region kämpft bislang vergeblich dafür, die Sicherheitslücken zu schließen.
Als das Paket am Flughafen Köln/Bonn umgeladen wurde, wusste noch niemand, was wirklich darin war. Die gefährliche Fracht flog in einer anderen Maschine erst einmal weiter nach England. Dort konnte die Paketbombe schließlich sichergestellt werden, nachdem Saudi-Arabien die entscheidenden Hinweise geliefert hatte. Der Sprengstoff steckte in der Patrone eines Laserdruckers. Al-Kaida-Terroristen hatten das Gerät so umgebaut, dass sie es mit einem Handy zum Explodieren bringen konnten. Der Sprengsatz sollte wohl über der Ostküste der USA hochgehen.
Vor fünf Jahren hat der Fund dieser „Jemen-Bombe“ die Luffahrtbranche, Behörden und Politik aufgeschreckt. Der Fall ist noch glimpflich ausgegangen. Dennoch zog er verschärfte Sicherheitsvorkehrungen nach sich – zumindest auf dem Papier. Tatsächlich sei seither bei der Sicherheit nicht viel passiert, sagt Michael Böck, Inhaber von Nautilus Solutions in Klosterlechfeld (Landkreis Augsburg).
Die Firma hat eine Technik entwickelt, welche die Jemen-Bombe schon entdeckt hätte, bevor sie mit der Fracht ins Flugzeug verladen worden wäre. Seit Jahren versucht Böck vergeblich, solche Simulationskammern auf den Markt zu bringen. „Es muss doch im Interesse aller möglich sein, so eine Technik zeitnah zur Zulassung zu bringen“, sagt er. Doch der Widerstand sei groß. Offenbar hat das Interesse bei Politikern, Behörden und Wirtschaftsverbänden an schärferen Kontrollen der Luftfracht wieder deutlich nachgelassen.
Mehr als die Hälfte der Luftfracht wird in Passagierflugzeugen transportiert
Jeder Fluggast kennt die intensiven Kontrollen vor dem Abflug und die strengen Vorgaben, was an Bord eines Flugzeugs darf und was nicht. Der Umgang mit der Luftfracht sei deutlich laxer. Der Knackpunkt ist: Menschen und Transportgüter fliegen häufig im selben Flugzeug mit. „Mehr als die Hälfte der Luftfracht weltweit wird in Passagiermaschinen geflogen“, sagt Böck.
Aber wie wird Luftfracht überhaupt kontrolliert? Nach Angaben des Luftfahrtbundesamtes, kurz LBA, wurden zum Schutz vor Angriffen auf den zivilen Flugverkehr in den vergangenen Jahren nationale und europäische Sicherheitskonzepte und Rechtsvorschriften erarbeitet. Dazu gehört das EU-weit gültige Prinzip der „sicheren Lieferkette“: Fluggesellschaften dürfen ihre Flugzeuge nur mit Fracht beladen, die als sicher eingestuft wurde.
Grob gesagt können Transportgüter auf zwei Arten als sicher erklärt werden: zum einen nach Kontrollen, zum Beispiel mit Spürhunden und Röntgengeräten, zum anderen durch die Anlieferung eines „bekannten Versenders“. Darunter sind Unternehmen zu verstehen, die ihre Sendungen selbst kontrollieren und als sicher einstufen dürfen. „Die Fracht ist gegen unbefugte Zugriffe und Manipulation zu schützen“, teilt die Sprecherin des LBA auf Nachfrage mit. Die Behörde erteilt den Betrieben auf Antrag die entsprechende Zulassung. Sie überwacht diese Firmen auch und kontrolliert sie „grundsätzlich unangekündigt und in regelmäßigen Abständen durch eigenes Personal“, wie die Sprecherin betont.
Gewerkschaften kritisieren Kontrolle von Luftfracht
Für Michael Böck ist das Prinzip der „sicheren Lieferkette“ jedoch nicht sicher genug. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Die Idee dahinter sei gut, sagt Markus Wahl, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Doch die Überwachung und Kontrolle, auch der zertifizierten Betriebe, sei unzureichend. „Dem Luftfahrtbundesamt fehlt es schlicht an Personal“, sagt Wahl, der selbst für die Gesellschaft Lufthansa Cargo fliegt. „Wichtig aus Sicht der Piloten ist, dass das Gepäck der Passagiere und die Fracht im selben Flugzeug gleichwertig kontrolliert werden.“
Ernst Günter Walter, der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, spricht beim Thema Sicherheit von Luftfracht von einer „Feigenblatt-Politik“. Eine effektive Kontrolle könne gar nicht stattfinden angesichts der großen Masse an Luftfracht, die in Deutschland umgeschlagen werde. „Was rausgeht, wird durch die Privatwirtschaft kontrolliert“, sagt Walter. Das Luftfahrtbundesamt selbst prüfe gar keine Luftfracht, sondern nur die Firmen innerhalb der „sicheren Lieferkette“.
Der Gewerkschaftsvorsitzende macht noch einen Punkt deutlich: Nur an drei von zwölf großen deutschen Flughäfen kontrolliert die Bundespolizei überhaupt Transferfracht, und das nur stichprobenartig. Bei den Flughäfen handelt es sich um die größten deutschen Umschlagplätze Leipzig/Halle, Köln/Bonn und Frankfurt. Eigentlich müsste man viel mehr Personal einsetzen und das an allen Flughäfen, sagt Walter.
Unternehmer Böck hat einen anderen Ansatz. Er würde die Fracht vor dem Verladen in Simulationskammern auf verschiedene Gefahrenquellen hin untersuchen.Der Software-Designer hat damit eine Idee seines Onkels weitergeführt, der bereits in den 70er Jahren ein großes Interesse für die Sicherheit in der Luftfahrt entwickelt hat. Doch die Welt und vor allem die Technik hat sich seither sehr verändert. „Die Möglichkeiten, in der Luftfahrt etwas Böses zu tun, sind heute viel größer“, sagt Böck. Gängige Prüfverfahren wie Röntgen oder der Einsatz von Spürhunden seien gar nicht mehr in der Lage, die Bestandteile einer modernen Bombe zu erkennen. Böcks Unternehmen hat Simulationskammern entwickelt, die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Doch auf eine Betriebszulassung vom Luftfahrtbundesamt wartet Böck seit langem.
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