Bei der Bluttat von Ellzee ist eine wichtige Frage nicht geklärt
Beim Prozess um die Bluttat von Ellzee geht es um die Frage: versuchter Mord oder gefährliche Körperverletzung? Die Ansichten der Beteiligten gehen auseinander.
Am Donnerstag fällt die Erste Strafkammer des Memminger Landgerichts im Prozess um die Messerstecherei von Ellzee das Urteil. Dass der Angeklagte schuldig gesprochen wird, ist sicher. Der 29-Jährige hat nie abgestritten, dass er auf seine ihm verhasste Schwiegermutter eingestochen hat. Die Frage ist: War es versuchter Mord oder „nur“ gefährliche Körperverletzung? Am Montag hielten Staatsanwalt, die Vertreterin des Opfers, das als Nebenklägerin auftritt, und der Verteidiger ihre Schlussvorträge. Und sie präsentierten dabei drei komplett unterschiedliche rechtliche Einordnungen der Tat.
Staatsanwalt plädiert auf Körperverletzung
Die Anklage wegen versuchten Mordes ist aus der Sicht von Staatsanwalt Thomas Hörmann nicht mehr haltbar. Zwar hat der Angeklagte seine Schwiegermutter mit insgesamt sechs Stichen lebensgefährlich verletzt. Allerdings ließ er danach von seinem Opfer ab und alarmierte die Polizei. Mit seinem Handeln habe er dafür gesorgt, dass Hilfe kam und das Opfer noch gerettet wurde.
Im Fachjargon spricht man von einem „strafbefreienden Rücktritt“. Nimmt ein Täter Abstand von seinem Tötungsvorsatz, wird er wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. In diesem Fall sind zehn Jahre als Maximalstrafe vorgesehen. Es handle sich in diesem Fall um einen Grenzfall, sagte der Staatsanwalt aber: „Es ist nicht widerlegbar, dass er die Rettung seiner Schwiegermutter wollte.“ Der Angriff sei heimtückisch und sehr brutal gewesen, das Opfer musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen und leidet weiterhin körperlich und seelisch unter den Folgen des Angriffs. Daher hielt der Staatsanwalt eine Haftstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten für angemessen.
Nebenklage spricht von versuchtem Mord
Eine konkrete Haftdauer beantragte die Rechtsanwältin des Opfers nicht. Allerdings forderte sie eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Sie argumentierte, ein Rücktritt vom Mordvorsatz sei nicht erkennbar. Im Gegenteil: Der Angeklagte habe gegenüber seiner Frau schon mehrfach gedroht, er werde der Schwiegermutter etwas antun. Er habe bei der Ankunft an dem Haus in Ellzee das Messer schon aufgeklappt in der Tasche gehabt.
Im Protokoll des Notrufs sei zudem nie die Rede von der Schwiegermutter gewesen. Der Angeklagte redete immer nur davon, dass seine Kinder die Szene nicht sehen sollten und dass ihnen geholfen werden solle. Zudem habe der Angeklagte gewusst, dass seine Schwiegermutter als gläubige Zeugin Jehovas keine Blutspende annehmen würde und konnte daher davon ausgehen, dass sie die Verletzungen nicht überleben würde.
Verteidiger betont Rücktritt von der Tat
Vier Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung forderte Rechtsanwalt Harald Müller für seinen Mandanten. Er machte für ihn den „strafbefreienden Rücktritt“ geltend – es sei aber kein Grenzfall, wie es der Staatsanwalt gesagt hatte, sondern „ein fast lehrbuchartiger Rücktritt“. Das Argument mit der Blutspende nannte er interessant, aber: „In seiner Situation war für meinen Mandanten daran nicht zu denken“, sagte Müller.
Der jahrelange Zank mit der Schwiegermutter und die Differenzen mit seiner Frau hätten die Situation massiv emotional aufgeladen. Ein Gutachter hatte bestätigt, dass der Mann zur Tatzeit aufgrund einer akuten Belastungsreaktion nur bedingt wusste, was er tat. Unter solchen Umständen müsse der Strafrahmen verschoben und der Angeklagte zu einer milderen Strafe verurteilt werden, sagte Müller. Der Staatsanwalt hatte dies mit Verweis auf die Brutalität der Tat abgelehnt. Zu Unrecht, argumentierte der Verteidiger: „Die Tat erfolgte ja aufgrund der akuten Belastungsreaktion. Gerade dadurch erklärt sich die Brutalität.“
Der Angeklagte entschuldigte sich in seinem letzten Wort noch einmal: „Es tut mir unfassbar leid, was ich getan habe. Ich würde es gern ungeschehen machen.“
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