Doppeljubiläum von Mindelheim
Der Bundes- und die Landesvorsitzende, Antretter und Stamm, stoßen in der Frundsbergstadt auf ihre Ehrenämter an
Mindelheim Die Lebenshilfe gehört zu den wichtigen Wohlfahrtsverbänden in Bayern. 22 000 hauptamtliche Mitarbeiter zählt die Einrichtung. 40 000 Menschen – vielfach mit Behinderung – werden von der Lebenshilfe betreut, getragen von einem Netz aus 27 000 Mitgliedern. Gestern tagte der Landesvorstand im Haus Meyenbad der Lebenshilfe Memmingen/Unterallgäu. Der Grund hatte einen Namen: der Bundesvorsitzende Robert Antretter stammt aus der Frundsbergstadt. Der Tagungsort Mindelheim war sein ausdrücklicher Wunsch.
Antretter hatte aus gutem Grund diesen Wunsch frei. Seit mehr als zehn Jahren steht er der Lebenshilfe als Bundesvorsitzender vor. Er ist quasi ihre schärfste Waffe im Berliner Politbetrieb, die Interessen behinderter Menschen zu wahren. Nach Mindelheim kam gestern gleich noch ein zweiter Jubilar, eine womöglich noch einflussreiche Persönlichkeit: die Präsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm. Vor zehn Jahren, nach ihrem Rücktritt als Bayerische Sozialministerin, hatte sie sich als Landesvorsitzende in den Dienst der Lebenshilfe gestellt.
Die CSU-Politikerin und der Sozialdemokrat hatten 2003 gemeinsam ein sogenanntes kommunales Entlastungsgesetz verhindern können, das im Ergebnis auf eine spürbare Schlechterstellung behinderter Menschen hinausgelaufen wäre. So etwas schweißt zusammen.
Jetzt steht ein weiterer Erfolg ins Haus. Seit Jahren fordert die Lebenshilfe ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung. Bisher sind bei Eingliederungshilfen vor allem die Kommunen in der Pflicht. Künftig sollen Bund und Länder mit zahlen.
Seit die Vereinten Nationen die Staatengemeinschaft verbindlich verpflichtet haben, Menschen mit Behinderungen mehr Teilhabe zu gewähren, schrillen bei der Lebenshilfe die Alarmglocken. „Teilhabe ist auch mit mehr Risiken verbunden“, formuliert Antretter. Viele bräuchten einen besonderen Schutz.
Beispiel Arbeitsmarkt. Dieser biete zu wenig Chancen für Behinderte. „Unsere Werkstätten sind keine Bastelstuben“, sagt Stamm. Sie konkurrierten mit Firmen in Tschechien oder Hongkong. Es gebe kaum ein Auto, ergänzt Landesgeschäftsführer Dr. Jürgen Auer, das nicht mit Teilen bestückt ist, das behinderte Menschen bei der Lebenshilfe gefertigt haben.
Betreuung tue auch in Wohngruppen weiter not. „Wir haben hier einen Riesenbedarf“, so Stamm. Letztlich wäre es ein Irrweg, hilfsbedürftige Menschen sich vermehrt selbst zu überlassen.
Die Haltung zur UN-Konvention soll auch in ein neues Grundsatzprogramm mit einfließen, das in Mindelheim erarbeitet wurde. Es soll so einfach wie möglich formuliert sein, um die wachsende Zahl behinderter Mitglieder der Lebenshilfe nicht zu überfordern. Ab dem morgigen Donnerstag wird das Thema dann auf der Jahresmitgliederversammlung der Lebenshilfe in Berlin vertieft werden, kündigt Antretter an.
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