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NSU-Prozess
05.05.2014

Am Rande des Erträglichen: Eine erste Bilanz zum NSU-Prozess

Beate Zschäpe schweigt weiterhin im Gerichtssaal. Der Prozess macht keine Fortschritte.
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Beate Zschäpe schweigt weiterhin im Gerichtssaal. Der Prozess macht keine Fortschritte.
Foto: Andreas Gebert, dpa

Ein Jahr NSU-Prozess. Eine schweigende Angeklagte. Anmaßende Zeugen. Dummdreiste Neonazis. Die Zwischenbilanz eines Verfahrens, das pro Verhandlungstag 150.000 Euro kostet.

Dieser Prozess ist eine Qual. Die Nazi-Braut im Gewand einer Geschäftsfrau schweigt als Angeklagte beharrlich. Der Vater eines toten Rechtsterroristen, der ehemalige Informatik-Professor Siegfried Mundlos, verteidigt seinen Sohn und beschimpft den Richter als „Klugsch...“. Zeugen aus der rechtsextremistischen Szene stellen sich dumm oder wollen sich nicht erinnern. Die Angehörigen der Mordopfer leiden darunter, dass sie keine Antworten erhalten.

Prozess ist völlig durcheinander

Heute vor einem Jahr hat der Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ begonnen. In einem „Jahrhundertverfahren“ soll eine beispiellose Neonazi-Mordserie aufgeklärt werden: Neun ausländische Gewerbetreibende wurden umgebracht und eine deutsche Polizistin. In dem Prozess geht es nicht nur um Recht und Gerechtigkeit.

Es geht auch um den Schmerz der Angehörigen und um das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden. Heute beginnt der 110. Verhandlungstag. Ein Ende ist nicht absehbar. Das Urteil kann frühestens in einem Jahr fallen. Der Staatsschutz-Senat des Oberlandesgerichts München arbeitet an einer schier unlösbaren Aufgabe.

Das Gericht kämpft mit zigtausenden Seiten Akten, rund 600 Zeugen, fast 100 Nebenklägern, also Opfer oder Angehörige. Der Prozess geht durcheinander. Selten ist ein Verhandlungstag einem Thema vorbehalten. Teilweise befasst sich das Gericht mit drei Mordfällen gleichzeitig. Die Vernehmung eines Zeugen wird einen Monat später fortgesetzt, wenn sich niemand mehr an die erste Aussage erinnert. Richter Götzl führt das Verfahren souverän und mit hoher Aktenkenntnis. Aber alles ist zwangsläufig Stückwerk. Dieser Prozess ist eine Qual.

Innerhalb weniger Tage führt ein Bankraub auf die Spur einer Mordserie, die das Land erschüttert. Tag für Tag kommen neue Einzelheiten über die Neonazi-Gruppe aus Zwickau ans Licht
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Die Terror-Zelle NSU und ihre Morde
Foto: dapd

Neonazi sagt als Zeuge aus

Ein Beispiel: Am 100. Verhandlungstag soll der Neonazi Thoma R. aus Chemnitz als Zeuge aussagen. Bei ihm schlüpfte das Terror-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende der 90er Jahre unter. „Geklingelt, rein, geschlafen. Zwei bis drei Wochen“, sagt R. Gekannt habe er die drei nicht. Man habe sich gut verstanden und gemeinsame Interessen gehabt.

Welche Interessen, will der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wissen. „Computerspiele und Fahrradfahren.“ Götzl fragt weiter: Welche Rolle hat er in der verbotenen  rechtsradikalen Organisation „Blood & Honour“ gespielt? Was heißt es, dass er zu den „88ern“ gehört hat? „Das ist eine Zahl“, sagt der Zeuge, „die mit irgendwas in Zusammenhang gestellt wird.“ Wofür steht die Zahl? „Das weiß ich nicht.“ Dem Richter platzt fast der Kragen. Es ist nun wirklich kein Geheimnis mehr, dass Neonazis gern mit Zahlencodes operieren.

Die „88“ steht dabei gemäß der Stelle im Alphabet für „HH“ wie „Heil Hitler“. Zudem war die „Acht Acht“ eine Flugabwehrkanone der deutschen Wehrmacht. Richter Götzl droht dem Zeugen Ordnungsgeld und Ordnungshaft an. Die Angehörigen der Mordopfer sind fassungslos. Dieser Prozess ist eine Qual.

Jeder NSU-Prozesstag kostet 150.000 Euro

Aber er ist zwingend notwendig. Es gibt keine Alternative. Und er muss genau so stattfinden. Jeder Tag soll nach Schätzungen 150000 Euro kosten. Bei derzeit 182 angesetzten Terminen macht das 27 Millionen Euro. Die Münchner Polizei muss an jedem Tag durchschnittlich mehr als 50 Beamte abstellen. Doch wie sonst sollte ein Rechtsstaat mit einer ungeheuren Serie von rechtsextremistisch motivierten Morden an Ausländern umgehen? Wie sonst sollte gerade Deutschland 69 Jahre nach dem Ende der Nationalsozialisten ausländerfeindliche Morde behandeln?

Die Empore im großen Schwurgerichtssaal A101 ist immer noch beinahe voll belegt. Schätzungsweise die Hälfte der Besucher sind türkischer Abstammung. Das Interesse ist auch ein Jahr nach dem Start des Verfahrens groß. Damit unterscheidet sich der NSU-Prozess von anderen langwierigen Verfahren. Die Hektik der Anfangstage und die Turbulenzen der Platzvergabe sind vorbei, die Anspannung aber bleibt.

Beate Zschäpe will nicht reden

Beate Zschäpe redet nicht. Sie dreht weiterhin dem Gerichtssaal den Rücken zu. Einmal, am 80. Verhandlungstag, ist kurz ihre Stimme zu hören. Richter Götzl hat gefragt, ob sie noch fit sei, sie habe zeitweise die Augen geschlossen, Zschäpe, 39, antwortet. Doch sie ist nicht zu verstehen, ihr Mikrofon ist aus. Beate Zschäpe ist die einzige Überlebende der mutmaßlichen Terrorzelle.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben sich im November 2011 umgebracht, um nach einem Banküberfall ihrer Verhaftung zu entgehen. Die Bundesanwaltschaft ist sicher, dass das Trio Helfer gehabt haben muss. Vier Männer sind mit Zschäpe angeklagt – entweder wegen Beihilfe zum Mord oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Weil Zschäpe schweigt, muss das Gericht in mühevollster Kleinarbeit versuchen, ein Puzzle mit tausenden Teilen zusammenzusetzen. Wusste Zschäpe von den Anschlägen und Morden des NSU? War sie im juristischen Sinn Mittäterin, weil sie jahrelang die Finanzen der Truppe verwaltet und für die bürgerliche Tarnung nach außen gesorgt hat?

Trotz aller Skandalisierungsversuche hat der Strafsenat das Verfahren ein gutes Stück vorangebracht. Die Aufarbeitung der zehn Mordanschläge ist weitgehend abgeschlossen. Dieser Teil ist für die Angehörigen am belastendsten gewesen, juristisch ist er relativ unkompliziert. Dass Mundlos und Böhnhardt mit ihrer „Ceska“-Pistole neun Menschen ausländischer Herkunft erschossen haben, kann nach der bisherigen Beweisaufnahme kaum noch ernsthaft bezweifelt werden. Im Schutt der letzten gemeinsamen Wohnung lagen zwölf Waffen und Munition – darunter die „Ceska“.

NSU: Zeugin berichten von Zschäpe als Neonazi

Beate Zschäpe hat diese Wohnung in Brand gesteckt, nachdem sich ihre beiden Freunde getötet hatten. Auch daran gibt es keine begründeten Zweifel. Und doch muss das Gericht auch diese Tat bis ins Detail genau klären. Die Frage ist: Hat Zschäpe noch an der Tür der alten Nachbarin geklingelt, bevor sie das Feuer legte? Oder nahm sie deren Tod in Kauf – und den zweier Handwerker, die bei der Explosion nur zufällig nicht im Haus waren?

Für die Bundesanwaltschaft war dies ein dreifacher Mordversuch. Doch die alte Nachbarin gilt seit längerer Zeit als dement. Eine Befragung per Video bricht das Gericht ab, weil sie den Fragen kaum folgen kann. Dieser Prozess ist eine Qual.

Die Version, dass Beate Zschäpe eine stille Mitläuferin in der Neonazi-Gruppe war, scheint mittlerweile auch passé. Ein Indiz dafür: Mehrere Zeugen sagen aus, dass Zschäpe im Urlaub auf Fehmarn eine Art Mama des Trios gewesen sei und auch die Urlaubskasse verwaltet habe. Sie war eher gleichberechtigtes Mitglied des Trios. Aber auch das ist nicht einfach herauszuarbeiten. Sie schweigt, die beiden Männer sind tot.

Mordanschlag auf Polizisten bleibt Rätsel

Rätselhaft bleibt der Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn. Die Attentäter erschossen 2007 die Beamtin Michèle Kiesewetter und verletzten deren Kollegen lebensbedrohlich. Kiesewetter stammte aus Oberweißbach in Thüringen. In der Nähe hatte der Schwager des als NSU-Unterstützer angeklagten Ralf Wohlleben ein Lokal. Doch es gibt keinerlei Beleg für eine Verbindung zwischen der Polizeibeamtin und dem Trio. Die Bundesanwälte gehen daher davon aus, dass die Polizisten Zufallsopfer waren – ausgewählt aus Hass auf den Staat. Eine bessere Erklärung für den Mord am helllichten Tag hat bislang niemand gefunden.

Momentan versucht das Gericht, Licht in das Umfeld des NSU und die thüringische Neonazi-Szene zu bringen. Die Bombenanschläge in Köln sind bisher nur gestreift worden. Die zahlreichen Banküberfälle, die die beiden Uwes verübt haben sollen, um das Leben im Untergrund zu finanzieren, sind noch gar nicht behandelt worden.

NSU-Prozess: Angehörige warten weiter

Es zieht sich. Aber für die Familien der Opfer ist die Frage, wann das Urteil gesprochen wird und wie es ausfällt, nicht mehr entscheidend. Sie warten schon so lange. Sie waren teils über Jahre hinweg selbst Verdächtigungen ausgesetzt. Es ist bedrückend, wenn der Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer sagt, viele Angehörige seien frustriert. Sie glaubten nicht mehr, dass die Hintergründe aufgeklärt würden.

In solchen Worten tritt ein Missverständnis, oder besser, ein Interessenkonflikt zutage: Die Nebenkläger wollen wissen, wie diese Neonazi-Zelle entstehen konnte, warum sie nicht früher entdeckt wurde und welche Rolle der Verfassungsschutz dabei gespielt hat. Nun geht es in einem Strafprozess streng genommen nur um eines: Schuld oder Unschuld der Angeklagten.

NSU-Prozuess wirft politische Fragen auf

Doch es ist nicht wegzudiskutieren, dass dieser Fall auch politische Fragen aufwirft. Für das Gericht ist dies ein Eiertanz: Was muss unbedingt juristisch aufgearbeitet werden? Und was spielt für den Prozess eigentlich keine Rolle – muss aber aus Gründen der, sagen wir, gesellschaftlichen Hygiene, zur Sprache kommen. Das Gericht ist in der Zwickmühle zwischen den Verteidigern und den Angehörigen. Wortgefechte sind an der Tagesordnung.

Der ehemalige hessische Verfassungsschützer Andreas T. versinnbildlicht die Gratwanderung. Er saß 2006 im Hinterzimmer von Halit Yozgats Internetcafé, als der Türke erschossen wurde. T. behauptet bis heute, nichts mitbekommen zu haben. Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt. Er hat mehrfach als Zeuge ausgesagt – doch seine Rolle ist ungeklärt.

Das Leid der Hinterbliebenen

Auf jeweils sehr unterschiedliche Weise schmerzhaft sind Wortmeldungen der Eltern der mutmaßlichen NSU-Mörder und der Opfer-Angehörigen: Wenn zum Beispiel Vater Mundlos als Zeuge herzhaft in einen Apfel beißt und sagt: „Ich bin in diesem Verfahren nicht nur Zeuge, sondern Verletzter.“

Oder aber eben, wenn der Vater eines Mordopfers in den Gerichtssaal ruft: „Ich bin Ismail Yozgat, der Vater des 21-jährigen Halit Yozgat, des Märtyrers, der am 6. April 2006 durch zwei Schüsse erschossen wurde und in meinen Armen gestorben ist.“ In solchen Momenten wird das Leid der Hinterbliebenen greifbar. Sie erinnern daran, dass die Gefühle der Angehörigen nicht so einfach vor Gericht abzuhandeln sind. Dieser Prozess ist und bleibt eine Qual.

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