Die Gesichter einer Affäre
Den bayerischen Abgeordneten soll heute die Beschäftigung von Familienmitgliedern verboten werden. Viele der Politiker fühlen sich allerdings zu Unrecht angeprangert.
Sie war gestern im Landtag in aller Munde – die Verwandtenaffäre. Erst tagten die Fraktionen. Abends trafen sich die Vorsitzenden mit dem Ziel, das Abgeordnetengesetz heute gemeinsam verschärfen zu wollen. Ihr Vorschlag fiel dann deutlich schärfer aus als ursprünglich geplant. Demnach sollen künftig die Abgeordneten keine Familienmitglieder bis zum vierten Verwandtschaftsgrad mehr anstellen können – das betrifft Cousinen und Vettern. Ursprünglich war nur ein Verbot bis zum dritten Verwandtschaftsgrad geplant.
Neues Abgeordnetengesetz: Keine Familienmitglieder bis zum dritten Verwandtschaftsgrad
CSU-Fraktionschefin Christa Stewens erklärte die Verschärfung: Wäre die Anstellung von Cousinen und Vettern noch möglich, wäre das „klassische Vetterngeschäft“ weiter erlaubt. Doch wollen CSU, SPD, Grüne und FDP jeden Anschein der Vetternwirtschaft vermeiden. Auch in einem zweiten Punkt wird das neue Abgeordnetengesetz noch rigider als geplant: Künftig dürfen die Abgeordneten nämlich auch bis zum dritten Verwandtschaftsgrad keine Familienmitglieder anderer Abgeordneter mehr anstellen. Freie- Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte nein zu beiden Verschärfungen: „Das geht uns zu weit. Das wäre ein Riesenberufsverbot für sehr viele Leute. Künftig könnten dann tausende von Menschen in Bayern nicht mehr für Abgeordnete arbeiten.“
Fünf Regierungsmitglieder haben auf Geheiß von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angekündigt, Gelder, mit denen sie Verwandte entlohnt haben, an die Staatskasse zurückzuerstatten oder zu spenden. Teilweise ist dies schon erfolgt. Unter den 17 „Altfällen“, die noch in der aktuellen Legislaturperiode Ehepartner oder Kinder beschäftigten (alle ausnahmslos CSU), sind sechs Abgeordnete aus Schwaben. Nachfolgend eine Dokumentation:
Regierungsmitglieder
Beate Merk
Die Justizministerin erteilte ihrer Schwester zwischen Februar 2010 und Februar 2013 Aufträge für Büroarbeiten. Dafür zahlte die Neu-Ulmerin nach eigenen Angaben monatlich durchschnittlich 1200 Euro. Die Arbeitslöhne habe sie „voll und ganz an die Staatskasse zurücküberwiesen“. Den Gesamtbetrag nannte Merk bisher nicht. Rücktrittsforderungen sind gegen sie nicht laut geworden, da die Beschäftigung eines Bruders oder einer Schwester erlaubt ist.
Franz Pschierer
Der Finanzstaatssekretär (Mindelheim) hat inzwischen alle Zuwendungen, die er in seiner Zeit als Mitglied der Staatsregierung an seine Frau bezahlt hat, beglichen. Sie war in seinem Stimmkreisbüro beschäftigt. Die Summe beläuft sich auf rund 42 000 Euro. Er habe sich, so Pschierer, rechtlich nichts zuschulden kommen lassen.
Ludwig Spaenle
Der Kultusminister aus München hat seine Ehefrau nach seiner Ernennung im Oktober 2008 als Teilzeitkraft weiterbeschäftigt. Er hat nach eigenen Worten die Absicht, 34 000 Euro zurückzuzahlen.
Gerhard Eck
Der Innenstaatssekretär aus Unterfranken gab zu, seiner Frau seit 1998 monatlich 760 Euro netto bezahlt zu haben. Er habe das Honorar – eine Summe nannte er nicht – inzwischen an die Staatskasse zurücküberwiesen. Eck betonte, stets „nach Ehre und Gewissen“ gehandelt zu haben.
Helmut Brunner
Der Landwirtschaftsminister, seit 2008 im Amt, räumte ein, neben seiner Frau auch seine Schwester und die Nichte jahrelang mit einem Minijob beschäftigt zu haben. 13 500 Euro wollte der Minister aus Niederbayern an die Staatskasse zurückzahlen.
Abgeordnete aus Schwaben
Eberhard Rotter
Rotters Ehefrau hat, seit der Abgeordnete im Landtag sitzt (1990), monatlich 1250 Euro netto erhalten für 25 Arbeitsstunden in der Woche. „Das waren 23 Jahre ohne jegliche Beanstandung“, sagt er. Rotter (Kreis Lindau) weiß nach eigenen Worten noch nicht, ob er der Gesetzesänderung heute zustimmen wird.
Peter Schmid
Der Neu-Ulmer Parlamentarier scheidet nach 15 Jahren aus dem Landtag aus. Seiner Frau hat er für die Mitarbeit im Büro, das sich im Keller seines Hauses befindet, bis Herbst 2011 monatlich 350 Euro bezahlt. Danach waren es 1500 Euro, weil die Sekretärin ihre Stunden reduziert hatte und Arbeit umgeschichtet wurde. Ohne die Zuarbeit der Ehefrau ist dem 66-Jährigen nach eigenen Worten „eine geregelte Abgeordnetentätigkeit nicht mehr möglich“.
Max Strehle
Er räumte ein, seiner Frau, die sich um das Abgeordnetenbüro ihres Mannes kümmerte, ein Bruttogehalt in Höhe von 2500 Euro gezahlt zu haben. Er habe damit den für Landtagsmitglieder geltenden Pauschalbetrag von 7425 Euro „zu einem großen Teil nicht in Anspruch genommen“, sagte Strehle (Landkreis Augsburg), der dem Parlament seit 1982 angehört. „Ich habe mich immer an die geltenden Richtlinien gehalten.“ Erst vor kurzem seien seine Unterlagen vollständig geprüft worden. Strehle: „Es gab absolut nichts zu beanstanden.“
Georg Schmid
Der Donauwörther trat als CSU-Fraktionschef im Landtag und CSU-Kreisvorsitzender zurück. Bei der Landtagswahl am 15. September wird Schmid, der dem Parlament seit 1990 angehört, nicht mehr kandidieren. Dem 60-Jährigen wird vorgeworfen, seine Frau möglicherweise als Scheinselbstständige beschäftigt zu haben.
Georg Winter
Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses trat der Politiker aus Höchstädt (Kreis Dillingen) zurück. Das Landtagsamt beanstandete, dass Winter 1990 seine beiden damals 13 und 14 Jahre alten Söhne illegal angestellt hatte. Er beschäftigte darüber hinaus seine Frau. Inzwischen hat Winter den gesamten Betrag für die Kinder nach eigenen Angaben „vollumfänglich“ zurücküberwiesen. Sein Mandat will er behalten und im Stimmkreis Augsburg-Land/Dillingen antreten.
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