Seehofer am Ziel seiner Träume - aber noch nicht zufrieden
Nach dem Parteitag sieht sich Seehofer endlich am Ziel. Er schwärmt über die CSU, schimpft auf die EU-Kommission und bereitet sich auf harte Tage und lange Nächte in Berlin vor.
Es ist geschafft. Horst Seehofer genießt den Moment. Er setzt sich in die kleine Runde Journalisten, die nach Ende des CSU-Parteitags noch ausgeharrt haben, bis er seinen Marathon an Fernsehinterviews hinter sich gebracht hat. Er weiß, dass er jetzt zu den ganz Großen in der CSU gehört. Der Parteitag hat ihn am Vormittag mit 95,3 Prozent der Stimmen wieder zum Vorsitzenden gewählt – das ist ein Maß an Zustimmung und Dankbarkeit, die vor ihm nur Franz Josef Strauß (99 Prozent) und Edmund Stoiber (97 Prozent) zuteil wurde.
Seehofer führte CSU zu alter Stärke
Doch Seehofer schlachtet den Moment des Triumphes nicht weiter aus. In seiner Rede vor dem Parteitag hatte er schon ausführlich dargelegt, dass er offenkundig recht gehabt und in den vergangenen Jahren alles richtig gemacht habe. Jetzt klingt er eher erleichtert wie einer, der sich endlich befreit fühlt von einer großen Last: „Ich bin jetzt einfach zufrieden. Das war jetzt der Schlusspunkt zu 2008.“ Damals hatte Seehofer eine niedergeschlagene Partei übernommen, die drauf und dran schien, ihren Status als beherrschende Volkspartei in Bayern zu verlieren.
Und dann bricht aus ihm heraus, was ihn an diesem Tag offenbar am meisten berührt hat: die demonstrative Anteilnahme der Partei am Schicksal des krebskranken früheren Staatssekretärs Markus Sackmann. Die 750 Delegierten hatten Sackmanns Bewerbung um einen Sitz im Vorstand mit spontanem, lang anhaltenden Applaus bedacht und ihn mit Riesenvorsprung vor all seinen Mitbewerbern erneut zum Beisitzer gewählt. „Da zeigt sich“, so sagt Seehofer über seine CSU, „das ist nicht nur ein politischer Zweckverband, das ist eine Familie, da herrscht noch Humanität.“
Seehofer schimpft auf EU-Kommissare
Ein Schluck Kaffee. Ein neues Thema. Ein anderer, ein angriffslustiger Seehofer. Dass er bei den Delegierten den konservativen Europa-Skeptiker Peter Gauweiler als neuen stellvertretenden Parteivorsitzenden durchgebracht hat, hat viel mit den bevorstehenden Wahlen zum Europa-Parlament und seiner Verärgerung über die EU-Kommission zu tun. Auch da bricht etwas aus ihm heraus: Wut.
Seehofer schimpft auf „Zentralismus, Bürokratismus und selbstherrliche Kommissare, die keiner Kontrolle unterliegen.“ Er sagt: „Ich bin einfach wütend auf manchen Kommissar.“ Er kritisiert Brüsseler Regelungen, die der bayerischen Wirtschaft schaden: „Die EU-Kommission befördert nicht Wachstum, sondern beschädigt Wachstum.“ Und er beteuert, dass es ihm dabei „nicht um Eitelkeit oder Macht, sondern um die Arbeitsplätze der Menschen“ geht.
Gauweiler ist für Seehofer offenbar der richtige Mann, um im Europa-Wahlkampf für die CSU den EU-Kritiker zu geben und einen Kontrapunkt zur rechten Konkurrenz durch die Alternative für Deutschland (AfD) zu setzen. Der schwäbische CSU-Bezirksvorsitzende und Chef der CSU-Europa-Gruppe, Markus Ferber, soll, wie Seehofer beim Parteitag ankündigte, erneut Spitzenkandidat der CSU für die Europa-Wahl sein. Und Gauweiler soll im Bundestag bleiben. Doch in welchem Verhältnis der konservative Gauweiler und der liberale Ferber agieren sollen, ist unklar. Seehofer will offenbar beide Flügel besetzt halten.
Der Kaffee ist ausgetrunken. Seehofer greift zum Multivitaminsaft. Das kann mit Blick auf den Endspurt in den Koalitionsverhandlungen kommende Woche nicht schaden. Seehofer rechnet mit harten Tagen und langen Nächten.
Betreuungsgeld wird bleiben
In seiner Rede hatte der CSU-Chef am Vormittag noch einmal einige Pflöcke eingerammt. Er fordert von der Großen Koalition eine solide Finanzpolitik ohne neue Schulden und eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Die Mütterrente sei „ein Gebot der Gerechtigkeit“. Die CSU werde nicht gestatten, „dass auch nur ein Euro bei den bestehenden Familienleistungen gestrichen oder abgebaut wird“. Das Betreuungsgeld werde bleiben.
Der Mindestlohn, den die CSU immer gewollt habe, werde kommen, aber wohl mit einigen Ausnahmen, um keine Arbeitsplätze zu gefährden. Bei der Pkw-Maut habe sich die CSU mit ihrer Hartnäckigkeit durchgesetzt, „und dabei bleibt es auch“.
In der kleinen Runde weist Seehofer dann darauf hin, worin aus seiner Sicht das Hauptproblem beim Abschluss der Koalitionsgespräche liegt: bei einer „Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich“. Doch er fühlt sich gestärkt. Der Parteitag habe gezeigt, wo die Unterschiede liegen: Die SPD müsse erst noch ihre Mitglieder befragen, die CSU sei sich schon jetzt einig. Die Geschlossenheit sei so groß, dass der Leitantrag des Vorstands zum Kurs in der Bundespolitik nicht mal mehr diskutiert wurde.
„Erfolg ist dort, wo Einigkeit ist“, hatte Seehofer den Delegierten zugerufen und betont: „Das ist kein Widerspruch zur Dialogpartei.“
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