Das neue Kabinett: Aufsteiger, Absteiger, Umsteiger
Wochenlang wurde geredet, gepokert und gemauert. Jetzt steht das Kabinett. Mit dabei: eine große Gewinnerin und mehrere Überraschungen. Nicht mehr dabei: ein Verlierer aus Bayern.
Sie pokerte hoch. Und sie ging volles Risiko. Ursula von der Leyen drohte lange Zeit die große Verliererin beim Postenpoker zwischen CDU, CSU und SPD zu werden. Ihr Arbeits- und Sozialministerium, das stand von Anfang an fest, wird sie verlieren, das geht an die SPD, ebenso das Außenministerium, das sie auch gerne übernommen hätte. Gleichzeitig machte sie aber auch unmissverständlich klar, dass sie auf keinen Fall in das undankbare und von der Bedeutung her auch zweitklassige Gesundheitsressort abgeschoben werden wollte.
Von der Leyen forderte ein wichtiges Ministerium
Sie verlangte mehr, ein klassisches Ressort, ein wichtiges Ministerium. Und so wurde Ursula von der Leyen in den letzten Tagen beinahe für jedes Ministeramt gehandelt. Mal war sie als „Superministerin“ für Gesundheit, Rente und Pflege im Gespräch, also eine Art Demografieministerin, dann wieder als Chefin eines aufgewerteten Bildungs-, Forschungs- und Internetressorts, sozusagen eine Zukunftsministerin, zuletzt gar als künftige Innenministerin.
Überraschungen im Kabinett
Am Ende kam es völlig anders. Nach einem Wochenende voller Spekulationen und Gerüchte, halber und ganzer Dementis stand am Sonntag das Kabinett der Großen Koalition. Und es gab diverse Überraschungen. Die größte: Ursula von der Leyen wird als erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik an die Spitze des wichtigen Verteidigungsressorts rücken und dort ihren Parteifreund Thomas de Maizière ablösen, der wieder Innenminister wird, was er schon von 2009 bis 2011 war.
Aufstieg zur unbestrittenen Kronprinzessin
Eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen: Die Mutter von sieben Kindern übernimmt damit nicht nur die anspruchsvolle Aufgabe, die bereits beschlossene Reform der Bundeswehr umzusetzen, sondern steigt auch zur unbestrittenen Kronprinzessin von Angela Merkel auf. Thomas de Maizière hingegen, lange ebenfalls als möglicher Nachfolger der Kanzlerin gehandelt, muss den Preis für das Drohnendebakel bezahlen. Eine Degradierung, aber auch eine Chance, im Innenressort wieder an Profil und Statur zu gewinnen.
Pofalla beendet politische Laufbahn
Eine andere Überraschung macht schon am Freitag die Runde. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, ein enger Vertrauter der Kanzlerin und auch schon für diverse Ministerien gehandelt, scheidet aus der Regierung aus, er will mehr Zeit für seine Frau haben und offensichtlich in der Wirtschaft Geld verdienen.
Für Angela Merkel ist dies eine schlechte wie eine gute Nachricht, sie verliert einen loyalen Mitstreiter, aber sie gewinnt einen Platz für Peter Altmaier, der seinerseits sein Umweltministerium an die SPD abgeben muss.
Schäuble bleibt Finanzminister
Die unscheinbare Johanna Wanka, die erst im Februar Annette Schavan abgelöst hat, kann hingegen bleiben, was sie ist, Bildungs- und Forschungsministerin. Neuer Gesundheitsminister wird Generalsekretär Hermann Gröhe – Belohnung für vier Jahre treue Dienste. Und Wolfgang Schäuble war als Finanzminister ohnehin gesetzt.
Ein bisschen drunter und drüber geht es auch bei der CSU. Immer wieder neue Spekulationen machen die Runde, wobei nur einer gesetzt ist: Noch-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der in diesem Jahr zwei überaus erfolgreiche Wahlkämpfe gemanagt hat, wird Minister für Verkehr und Internet, zuständig für die analoge wie digitale Infrastruktur, der zudem die Maut durchsetzen soll.
Ramsauer verliert Ministerposten
Hans-Peter Friedrich hingegen, der als Innenminister eine wenig glückliche Figur machte, muss sich mit einem abgespeckten Agrarressort begnügen. Peter Ramsauer, bei Parteichef Horst Seehofer schon seit langem in Ungnade gefallen, verliert gar seinen Platz im Kabinett. Er ist der wohl größte Verlierer des Wochenendes. Dafür wird der Allgäuer Gerd Müller Chef des Entwicklungsressorts.
SPD zufrieden mit Kabinettsverteilung
Große Freude herrscht dagegen bei der SPD. Sie hat erst gar nicht um das Finanzressort gekämpft, sondern es der Union überlassen, im Gegenzug aber starke Ministerien für sich beansprucht: Sigmar Gabriel wird als Vizekanzler und Wirtschaftsminister auch den kompletten Bereich der Energiepolitik in seinem Hause ansiedeln, Justizminister Heiko Maas, bislang Wirtschaftsminister im Saarland, erhält zusätzlich die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz. Staatssekretär in dem aufgewerteten Ministerium wird ein Fachmann auf diesem Gebiet: Gerd Billen, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband.
"Wir stehen vor einer guten Zeit für die SPD und das Land"
Umweltministerin Barbara Hendricks holt das Bauressort in ihr Haus. Die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles übernimmt das Arbeits- und Sozialministerium, wo ihr überraschend EZB-Direktor Jörg Asmussen als Staatssekretär zur Seite stehen soll. Manuela Schwesig wird Familienministerin und Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal Außenminister. „Diese Kabinettsverteilung entspricht den Wünschen der SPD“, sagt ein sichtlich zufriedener Parteichef Sigmar Gabriel am Sonntagmittag im Willy-Brandt-Haus. „Ich glaube, wir stehen vor einer ausgesprochen guten Zeit für die SPD und das Land.“
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