Der Strompreis-Irrwitz
Sinkende Großhandelspreise kommen die Privatkunden teurer statt billiger. Die Regierung treibt die Kosten nach oben. Altmaiers Pläne richten sich auch gegen die FDP.
Umweltminister Peter Altmaier macht Tempo. Vor 14 Tagen legte er seine Vorschläge zur Strompreisbremse seinen Länderkollegen vor, heute Nachmittag folgt das nächste Treffen und spätestens in drei Wochen soll ein Kompromiss stehen. Nicht nur die rot-grüne Mehrheit der Länderregierungen muss der CDU-Politiker überzeugen. Auch innerhalb der Union gibt es Kritik an Altmaiers Plänen, unter anderem mit einem „Energie-Soli“, rückwirkend gesetzlich garantierte Vergütungen für Ökostromproduzenten zu senken und aktuellen Investoren fünf Monate keine Garantiepreise zu zahlen.
Solche rückwirkenden Änderungen zerstörten das Vertrauen der investitionswilligen Bürger und Unternehmen, kritisieren nicht nur die Grünen, sondern auch die CSU. Tatsächlich stoppte diese Woche die Stadt München, die bis 2025 als erste Millionenstadt der Welt komplett auf Ökostromversorgung setzen will, alle weiteren Investitionspläne, solange fest zugesagte Bedingungen „in einem anstehenden Wahljahr nach Belieben geändert werden“, wie Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach kritisierte.
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, in dem 1800 meist Energieversorger von Stadtwerken bis hin zum Stromriesen EnBW organisiert sind, warnt, dass seit Altmaiers Ankündigung die Banken sofort ihre Kreditbedingungen für Finanzierungen von Wind- und Solarparks verschärft hätten.
Der Umweltminister kämpft mit hausgemachten Problemen
Vor allem aber kämpft Altmaier mit Problemen, die sich die Bundesregierung in den vergangenen dreieinhalb Jahren selbst eingebrockt hat. So will Altmaier die Ausnahmeregelungen für Industrieunternehmen wieder um eine halbe Milliarde Euro zurückführen, die FDP-Chef Philipp Rösler als sein Kabinettskollege erst 2012 gewaltig ausgeweitet hat: Die Zahl der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen könnte sich gemessen an den Anträgen in diesem Jahr von 734 auf 2057 verdreifachen.
Auf Initiative der FDP kommen nun nicht mehr nur große Industrieunternehmen mit mehr als zehn Gigawattstunden Jahresverbrauch in den Genuss der Vergünstigung, sondern bereits mit einer Gigawattstunde. Die betroffenen Unternehmen müssen dabei nicht mehr nur wie ursprünglich festgelegt im internationalen Wettbewerb stehen. Laut Bundesregierung reicht es, wenn sie in Deutschland ausländische Konkurrenten haben.
Die steigende Zahl der Ausnahmen finanzieren allein die Privatverbraucher und die verbleibenden Unternehmen mit der Ökostromumlage.
Sinkende Börsenstrompreise verteuern die Ökostromumlage
Zu den weiteren hausgemachten Problemen der Bundesregierung gehört der sinkende Börsenstrompreis, der die Ökostromumlage zusätzlich in die Höhe treibt.
So sank der Börsenpreis für eine Megawattstunde Grundlaststrom binnen zwei Jahren von gut 60 auf knapp 45 Euro. Experten schätzen, dass bis zur Hälfte des Preisrückgangs auf den rapiden Preisverfall der sogenannten Kohlendioxid-Zertifikate zurückzuführen ist, die einst von der Politik als eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen den Klimawandel eingeführt wurden.
Der Preis für diese Verschmutzungsrechte brach durch Spekulationen binnen weniger als zwei Jahren von 18 auf unter vier Dollar pro Zertifikat ein. Die EU-Kommission will seit langem ähnlich wie bei Staatsanleihen in den Markt korrigierend eingreifen. Doch vor allem zwei Stellen blockieren: die polnische Regierung, die ihre alten Kohlekraftwerke schützen will, und der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der die deutschen Unternehmen vor Mehrbelastungen verschonen möchte.
"Kohlkraftwerke rentabler als umweltfreundliche Gaskraftwerke"
Der bayerische Umweltminister Marcel Huber, der zu den Kritikern vieler Punkte von Altmaiers Strombremse gehört, fordert Rösler zum Einlenken auf: „Wir können nicht einfach dabei zuschauen, wie die Börsenpreise für die Kohlendioxid-Zertifikate massiv verfallen“, betont der CSU-Politiker. „Das führt zu der paradoxen Situation, dass jetzt alte Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke rentabel sind, während sich der Betrieb hochmoderner, umweltfreundlicher und flexibler Gaskraftwerke kaum noch rechnet.“
Erst vergangenen Dezember hatte der Energieriese Eon gedroht, das hochmoderne Gaskraftwerk in Irsching bei Ingolstadt abzuschalten. Inzwischen fordert auch Eon ein Eingreifen in den Zertifikatehandel, ebenso wie CSU-Minister Huber: „Wir müssen in den Markt eingreifen und CO2-Zertifikate vorübergehend dem Handel entziehen, damit der Preis wieder steigt“, betont er. „Das ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um unsere Klima-
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