Die Hoffnung der SPD heißt Andrea Nahles
Nach dem Schock über die Wahlschlappe suchen die Sozialdemokraten den richtigen Kurs. Sie bleiben dabei , in die Opposition gehen zu wollen. Schulz kritisiert Merkel scharf.
Nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl leckt die SPD ihre Wunden. Beginnt, ganz zaghaft, mit der Suche nach den Gründen für das Debakel und der personellen wie inhaltlichen Neuausrichtung. Jetzt bloß keine Fehler machen, die die Partei noch tiefer nach unten ziehen könnten, scheint die Devise.
Am Montagmorgen bauen Arbeiter vor dem Willy-Brandt-Haus die Zelte ab, in denen am Vorabend die wohl traurigste Wahlparty in der sozialdemokratischen Nachkriegsgeschichte stattfand. Nur 20,5 Prozent der Stimmen erhielt die SPD, so wenig wie nie bei einer Bundestagswahl – über die Konsequenzen, die das haben soll, beraten Präsidium und Vorstand stundenlang in der Parteizentrale. Ein sichtlich erschöpfter Martin Schulz tritt am Nachmittag vor die Presse und verkündet den bislang einzigen konkreten Beschluss: Die Parteispitze habe Andrea Nahles, die im Moment noch Arbeitsministerin ist, für den Fraktionsvorsitz vorgeschlagen. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann strebe dieses Amt nicht mehr an.
Martin Schulz: Andrea Nahles soll Fraktionsvorsitzende werden
Der geschlagene Kanzlerkandidat bekräftigt, was er bereits am Vorabend angekündigt hatte: Dass die SPD nicht mehr für eine Große Koalition mit der Union von Angela Merkel zur Verfügung stehe und ihre Rolle in den kommenden Jahren in der Opposition sehe. Er gehe fest davon aus, dass eine Koalition von CDU/CSU, Grünen und FDP, für die Bundeskanzlerin Merkel klare Präferenzen habe erkennen lassen, zustande kommen werde. Auf mehrfache Nachfrage schließt er aus, dass sich die SPD umstimmen lassen könnte, sollte es mit der sogenannten Jamaika-Koalition nicht klappen: "Das Wahlergebnis zeigt eindeutig, dass die Deutschen keine Fortsetzung der Großen Koalition gewollt haben." Er übernehme die Verantwortung für die Wahlschlappe, wolle aber Parteichef bleiben und sich mit Andrea Nahles die Führungsarbeit teilen. Nahles stehe "als erfahrene Politikerin und junge Frau" für den nötigen Generationswechsel bei der SPD.
Schulz kündigt eine umfassende Aufarbeitung der Schlappe an. Nach den Wahlniederlagen von 2009 und 2013 sei dies versäumt worden. "Ich verspreche, dass wir dieses Mal nicht einfach zur Tagesordnung übergehen werden", sagt Schulz. Beim Parteitag vom 7. bis 9. Dezember werde die Partei ihren künftigen Kurs beschließen, davor werde in zahlreichen Gremien und bei acht Regionalkonferenzen die Basis befragt, wie Sozialdemokratie künftig aussehen soll. Genau darüber ist sich die Parteispitze aber offenbar alles andere als einig. Martin Schulz weicht Fragen nach der künftigen inhaltlichen Ausrichtung der SPD großräumig aus.
Martin Schulz kritisiert Angela Merkel scharf
Wie es in Parteikreisen heißt, klaffen die Meinungen über den richtigen Weg aus der Misere in der erweiterten Führungsebene weit auseinander. Ob etwa ein Linksruck, den der linke Flügel nun vehement einfordert, wirklich den drohenden Sturz in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern mag, ist umstritten. Einen Überbietungswettbewerb um soziale Wohltaten mit der Linkspartei könne die SPD wohl kaum gewinnen, glaubt ein Insider. Auch im Willy-Brandt-Haus sind die Umfragen bekannt, nach denen SPD und Linke zusammen fast eine Million Wähler an die AfD verloren haben. So ist Martin Schulz zwar scharf in seinen Aussagen gegenüber der AfD als Partei, nicht aber gegenüber denen, die sie gewählt haben.
"Dass sich ganze Schichten, ganze Landstriche in Deutschland abgehängt fühlen, darf uns als SPD nicht egal sein", sagt er. Seine Partei werde angesichts der Herausforderungen von Digitalisierung, demografischem Wandel und Migration überzeugende Antworten liefern. Grundlage für die inhaltliche Diskussion sei das Programm zur Bundestagswahl. Deutlich wird, dass die SPD gegenüber der alten und wohl auch neuen Kanzlerin nun voll auf Konfrontation setzt. "Ich mache Angela Merkel sehr persönlich für den Zustand der deutschen Demokratie verantwortlich", gibt Schulz den künftigen Ton vor.
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