Drittes Hilfspaket - Wer fällt Angela Merkel in den Rücken?
Der Bundestag stimmt am Freitag über neue Griechenlandhilfen ab. Kanzlerin Merkel zittert um die Unterstützung aus den eigenen Reihen. Die Vertrauensfrage will sie nicht stellen.
Sie hat kaum geschlafen – aber das sieht man ihr nicht an. Nach der langen Nacht von Brüssel hat Angela Merkel vielleicht etwas von ihrer Kondition verloren, nicht aber ihren Humor. Als ein Journalist sie in Brüssel fragt, ob die Übereinkunft für Griechenland eine ähnlich harte Zäsur sei wie der Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg für Deutschland, stutzt die Kanzlerin nur kurz. Dann sagt sie: „Ich beteilige mich nicht an historischen Vergleichen, vor allem nicht, wenn ich sie nicht selber angestellt habe.“
Dass das, was sie da gerade mit ausgehandelt hat, die Deutschen finanziell überfordert oder sie in ihrem Groll auf die Griechen noch bestärkt, glaubt Merkel nicht. Aus voller Überzeugung, beteuert sie, empfehle sie dem Bundestag, den Weg für die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket frei zu machen. Mit der Vertrauensfrage verknüpfen, wie es unter anderem der grüne Fraktionschef Anton Hofreiter fordert, will sie das allerdings nicht.
Die Kanzlerin kann auf die Vertrauensfrage verzichten
Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der die rot-grüne Koalition bei der Entscheidung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im November 2001 mit der V-Frage demonstrativ zur Loyalität zwang, kann sie auf eine breite Mehrheit bauen. Selbst wenn die mehr als 100 Abgeordneten der Union, die die Geduld mit Griechenland schon verloren haben, in seltener Einigkeit mit der Linkspartei mit Nein stimmen sollten, ist die Kanzlerin noch auf der sicheren Seite. Bei Schröder kam es damals auf jede Stimme an, bei ihr nicht.
Noch in dieser Woche, vermutlich am Freitag, werden sich die Abgeordneten des Bundestages zu einer Sondersitzung treffen, bei der sie Finanzminister Wolfgang Schäuble formell zu Verhandlungen über das neue Hilfspaket ermächtigen. Sobald deren Ergebnis feststeht, muss das Parlament dann noch einmal zusammentreten, um auch dieses abzusegnen.
Die vereinbarten Auflagen für Griechenland seien nötig gewesen, sagt Vizekanzler Sigmar Gabriel. „Ohne diese harten Bedingungen geht es nicht.“ Viele Kritiker in der Union allerdings überzeugt auch der Kompromiss vom Montagmorgen noch nicht. „Ich bin sehr skeptisch“, sagt etwa der Würzburger CSU-Abgeordnete Paul Lehrieder. Ob er wieder mit Nein stimme, betont er im Gespräch mit unserer Zeitung, wisse er noch nicht. „Aber in jedem Fall befinden wir uns auf einem sehr riskanten Weg.“ Der Vorsitzende des Familienausschusses spricht von Konkursverschleppung und fragt sich, ob die Erlöse aus der Privatisierung von Flughäfen, Häfen und anderen Staatsbetrieben mit 50 Milliarden Euro nicht viel zu hoch angesetzt sind.
Nein-Stimmen als Misstrauen gegenüber Merkel
Im Parteivorstand der CDU bleiben der Kanzlerin, frisch aus Brüssel zurück, solche Debatten erspart. Mit langem Beifall, erzählt Generalsekretär Peter Tauber später, sei das Verhandlungsergebnis dort gewürdigt worden. Es sei gelungen, Europa zusammenzuhalten, sagt Fraktionschef Volker Kauder, der nun viele Gespräche mit den Kritikern dieses Kurses wird führen müssen.
Je mehr Abgeordnete der Union das Paket ablehnen, das weiß ein parlamentarischer Haudegen wie er, umso schneller wird das Abstimmungsergebnis als Misstrauensbeweis gegenüber der Kanzlerin und CDU-Chefin interpretiert werden. Einer der Wortführer des Widerstandes, der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, hat bereits angekündigt, er bleibe bei seinem Nein.
Die CSU-Landesgruppe, in der die Skepsis besonders tief sitzt, hat wegen der Sondersitzungen von Parlament und Fraktionen ihre für heute und morgen geplante Klausur im fränkischen Kloster Banz abgesagt. Anders als bei der Schwesterpartei wird in einer Telefonkonferenz des CSU-Vorstandes auch heftige Kritik an den Brüsseler Beschlüssen geübt, namentlich von den früheren Ministern Peter Ramsauer und Hans-Peter Friedrich. Parteichef Horst Seehofer dagegen, früher ebenfalls ein Zweifler, ist inzwischen ganz auf Merkel-Linie: „Mir gefällt das Ergebnis.“
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