Flüchtlingskrise: Am Ende wird eher Seehofer Recht behalten
In der Union tobt ein erbitterter Richtungskampf. CSU-Chef Horst Seehofer dringt auf Begrenzung und Kontrolle der Zuwanderung. Ob es beim Nein der Kanzlerin bleibt?
Ehe die Flüchtlingskrise über das Land hereinbrach, waren Angela Merkel und Horst Seehofer ein Team. Hie und da ein paar der üblichen Rempeleien und Rangeleien – das war’s dann. Dank Merkels immenser Popularität brauchte sich die Union sowieso keine Sorgen über ihre nahe Zukunft zu machen. Aus und vorbei.
Seit Jahrzehnten war das Verhältnis von CDU und CSU nicht so zerrüttet. Man muss schon ins Jahr 1976 zurückgehen, um auf einen Fall von ähnlicher Tragweite zu stoßen. Damals kündigte Strauß die Fraktionsgemeinschaft im Bundestag auf; für ein paar Wochen drohte der Union die Spaltung. Und heute? Heute klingt Seehofer bei seinen scharfen Attacken gegen Merkel so, als ob er für den äußersten Fall auch den Rückzug seiner Minister aus der Regierung erwäge.
Seehofer dringt auf Begrenzung des Flüchtlingsstroms
Es wäre das Ende der Union. Dazu wird es nicht kommen, weil es dann nach einem CDU-Einmarsch auch vorbei wäre mit der dominierenden Position der CSU in Bayern. Merkel weiß das und lässt Seehofer, der um eine Kurskorrektur fleht, kühl abtropfen. Noch sitzt sie ja am längeren Hebel, zumal Seehofer den Oppositionsführer nicht ewig spielen kann. Bei allem Zorn über Merkels Politik der offenen Tür: Sie ist auch die Kanzlerin der CSU. Ihre Demontage ist nicht im Interesse der CSU. Schwerer interner Streit schadet der ganzen Union.
Worum geht es in diesem Richtungskampf? Die Koalition der Gutwilligen, die von Merkel über Grüne und Linke bis hin zu Kardinälen reicht, führt die CSU als rückwärtsgewandte, auf Abschottung setzende, mit rechten Parolen zündelnde Partei vor. Richtig daran ist: Die CSU will, indem sie lautstark eine Begrenzung der Zuwanderung fordert, auch die rechte Flanke der Union abdichten – mitsamt dem Risiko, populistische Bewegungen salonfähig zu machen. Und natürlich ergreift der Machtpolitiker Seehofer auch die Chance, seine Position als CSU-Chef zu festigen. Im Kern jedoch geht es ihm um die Sache. Er handelt im Interesse Bayerns, das die Hauptlast des Zustroms trägt und erschöpft ist.
Während andere nur reden und die „Willkommenskultur“ preisen, packt Bayern die Integrationsaufgabe an. Seehofer steht für eine Politik, die den Zustrom steuern und auf ein verkraftbares Maß reduzieren will – mit allen menschlichen Härten, die das bedeutet. Merkel zieht aus dem katastrophalen Verlust der Kontrolle über das Staatsgebiet den Schluss, dass es nur noch auf das bestmögliche Management des Unabwendbaren ankomme und alles irgendwie schon gut werde – eine Art von politischem Offenbarungseid.
Realitäten erzwingen eine "Obergrenze" für Flüchtlinge
Die Kanzlerin dekretiert die nachhaltige Veränderung des Landes, ohne dass das Volk je nach seiner Meinung dazu gefragt worden wäre. Seehofer („So schaffen wir das nicht“) pocht auf die Kontrolle der Zuwanderung und auf die Einhaltung geltenden Rechts. Wagen wir die Prognose, dass am Ende, wenn dieser Zustrom anhält, eher Seehofer recht behalten wird – so wie schon bisher mit Vorschlägen, die zunächst als „geistige Brandstiftung“ gerügt, dann aber vom Bund und anderen Ländern übernommen wurden.
Deutschland muss und kann mit dieser Krise, die ja langfristig auch große Chancen birgt, fertig werden. Merkels „Plan“, der auf Zuversicht gebaut ist und voller außenpolitischer Initiativen steckt, reicht dazu nicht. Es fehlt an jedem ernsthaften Versuch, die Kontrolle über die Grenzen zurückzugewinnen und die Flüchtlingszahl einzudämmen. Die Welt verneigt sich vor Merkels nobler Gesinnung. Doch die Realitäten sprechen dafür, dass es eine faktische „Obergrenze“ für Flüchtlinge gibt – und zwar eine, die sich nach Leistungsfähigkeit, Aufnahmebereitschaft und innerem Zusammenhalt des Landes bemisst.
Die Diskussion ist geschlossen.
Herr Roller suggeriert zum wiederholten Mal seinen Lesern, dass Herr Seehofer und seine CSU die Einzigen sind, die den derzeitigen Flüchtlingsstrom begrenzen wollen und auch Mittel und Wege kennen, um dieses Ziel kurzfristig zu erreichen.
Beides ist falsch: Die Bundeskanzlerin und auch die mitregierende SPD haben nie eine schrankenlose Zuwanderung propagiert, sondern immer klargemacht, dass Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann und baldmöglichst zu geordneten Verhältnissen zurückkehren muss. Allerdings ist dies nicht kurzfristig mit einem Aufnahmestopp zu erreichen, sondern über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU, die Schaffung besserer Bedingungen in den Flüchtlingslagern in der Türkei und im Libanon und durch die Eindämmung des Krieges in Syrien. All dies braucht Zeit, weil dazu schwierige Verhandlungen mit Ländern inner- und außerhalb der EU notwendig sind.
Seehofer dagegen konkurriert populistisch mit der AfD um angeblich einfache und schnelle Lösungen. Die Idee mit den Transitzonen ähnelt der unsäglichen Ausländermaut: Praktisch nicht umsetzbar und rechtlich nicht zu halten. Seehofer beabsichtigt damit lediglich, die CDU und die SPD vor sich herzutreiben und die Hohheit über den Stammtischen wiederzugewinnen. Wenn es dann (wie schon so oft in letzter Zeit) nicht funktioniert, sind natürlich wieder die Anderen Schuld. Dass die AfD und die Rechtsradikalen dadurch gestärkt werden, scheint er nicht zu bemerken.
Herr Roller, warum machen Sie bei diesem durchsichtigen Spiel mit? Sind Sie als "unabhängiger" Journalist nicht der Wahrheit verpflichtet statt den vermeintlichen Interessen einer Partei?
Herr Roller Sie haben Recht. Aber es fehlt noch was. Der Hinweis für Alle Politiker die sich in dieser Sache so sehr zu Wort melden: Redet nicht was war oder könnte, wer die Schuld trägt und so weiter.
Setzt Euch (Politiker) Alle zusammen und bringt sachliche und vollziehbare Vorschläge ohne Parteipolitik. Die Flüchtlingslage ist jetzt und verlangt ohne langes Geschwätz Taten. Besserwisser und Profilierungssüchtige sollen Pause machen.
Mögen Sie sich beharken, die Kanzlerin und der bayerische Ministerpräsident. Das ist dann die Frage nach der Richtlinienkompetenz, die der Bayer nicht akzeptiert und es ist die Frage, wie demontiere ich meine eigene Regierung am besten und schnellsten.
Aus dem Lautsprecher-Tröten Westerwelle nichts gelernt?
Auch dieser Rollersche Kommentar geht wieder an den Tatsachen vorbei:
Die Ursachen, die seit Jahren z.B. Syrier aus ihrer Heimat vertreiben: 4 Millionen Flüchtlinge außer Landes geflohen und 9 Millionen Flüchtlinge, vagabundierend auf dem Gebiet Syriens.
Die Ursachen, das Zusammenbrechen ganzer Staaten und Regionen, es interessiert wohl nicht. Ebenso wie die internationale Verantwortung für das letztlich geduldete Desaster.
Was haben Merkel und Seehofer in den letzten Monaten getan, um die Außengrenzen der EU wieder zu normalisieren? In Griechenland, Italien. Bis hin zu Ungarn. M it anderen Worten: wann arbeiten die Staaten der „Wertegemeinschaft“ EU endlich wieder daran, sich vertragsgetreu zu verhalten?
Statt dessen wird die Sau „Obergrenze“ durchs Dorf getrieben. Und als Hilfsmittel werden nun Internierungslager in Kombination mit Verhaftung der Flüchtlinge als Lösung des Problems gefordert. Eine sehr bizarre Verweigerung notwendiger politischer Arbeit.
Seehofer könnte mit Recht weit größere Solidarität der bundesdeutschen Länder einfordern. Dasselbe gilt für Deutschland in Richtung EU. Und für Europa in Richtung der Staaten, die z.B. den nicht mehr überschaubaren Konflikt in Syrien befördern.
Stattdessen findet als Ersatz zur Problemlösung die öffentliche Demontage der Kanzlerin statt. Das nenne ich politische Weisheit.
„Begrenzung der Zuwanderung“. Was ist das und wie funktioniert das? Seehofer hat gestern wieder eingestanden, ein Konzept dazu müsse erst erarbeitet werden!
Ich empfinde es als Hochstapelei, Herr Roller, von Seehofer als das Problem Anpackenden zu sprechen. Das Gegenteil ist der Fall.
Und es ist eine durch nichts unterlegte Behauptung, Seehofers Kritiker wollten eben nicht den Flüchtlingszustrom steuern und auf ein verkraftbares Maß reduzieren.
Einen solchen Erfolg erreicht man, wenn man an die Bekämpfung des Flüchtlingsstromes geht, ebenso wie an die Wiederherstellung von Normalität in der EU. Das hat etwas mit Solidarität zu tun, die Deutschland mit den politischen Protagonisten noch Ende 2013 verweigert hatte. In Hochmut darauf bestanden, die Außengrenzen der EU müssten die betreffenden Länder schützen. Das gehe Deutschland nichts an. Mit anderen Worten: rechtzeitige Hilfe vor Ort (z.B. in Syrien, den Nachbarstaaten, in Italien, Griechenland) hätte den Flüchtlingsstrom bekämpfen können.
Seehofer selber ist mit seiner bayerischen Minister-Mannschaft in Berlin mitverantwortlich für die jetzigen Zustände. Er war und ist NICHT% der Heilsbringer, als den Sie, Herr Roller, ihn versuchen, wieder einmal darzustellen.
Die Konsequenz der Seehoferschen Demontage ist zu besichtigen: es fackelt sich mittlerweile lustig in Deutschland. Geduldet?
Und nun sollen also noch die Flüchtlinge -als Willommenskultur- verhaftet werden und in Internierungslager gesteckt werden. Ohne dass auch nur ein einziger Punkt an Ursachenbekämpfung der Fluchtbewegungen sichtbar wird.
Ganz schlimm ist in meinen Augen aber Ihr Satz, Herr Roller, „...Die Kanzlerin dekretiert die nachhaltige Veränderung des Landes, ohne dass das Volk je nach seiner Meinung gefragt worden wäre.“
Ja Herr Sauer, wann ist das Volk gefragt worden ob es die gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüche mittragen will. Falls es gefragt werden sollte, ist der Ausgang unsicher. Die großen Jubler bei der Begrüßung der Flüchtlinge, sind auch schon ruhiger geworden und die Akzeptanz in den Umfragen fällt ständig. Bisher hält die Solidaridät mit den armen Menschen die kommen noch, aber bei anhaltend hoher Zahl der Ankommenden wird sich zeigen wie es weiter geht, vor allem wenn in den privarten Bereich eingegriffen werden sollte. Eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland wird höchste Zeit und die Politik soll sich endlich etwas einfallen lassen. Bei einer Aussage muß ich Ihnen zustimmen: Es mangelt an Solidarität der anderen Bundesländer gegenüber Bayern und der EU gegenüber Deutschland.
War ich missverständlich?
Der von mir zitierte Rollersche Satz (Die Kanzlerin dekretiert die nachhaltige Veränderung des Landes, ohne dass das Volk je nach seiner Meinung gefragt wurde) suggeriert, die Kanzlerin habe keine politische Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz.
Das ist eine Unerhörtheit und sachlich natürlich falsch. Die AZ in Person ihres Chefredakteurs als Verfechterin von Plebisziten? Ich vermag es nicht zu glauben.
@Wolfgang L. Beschreibt richtigerweise den weiteren großen Fehler von Herrn Roller: nämlich seine Unterstellung, und um eine solche handelt es sich m.M. nach, die Kritiker des Dauer-Ausrasters Seehofer würden einer schrankenlosen, unkontrollierten Zuwanderung von Flüchtlingen und potentiellen Asylanten das Wort reden.
Auch das ist falsch.
Im Prinzip hat die Kanzlerin mit dem Satz Asyl hat keine Obergrenze (wo Sie recht hat) das Wort zur unkontrollierten Zuwanderung geliefert. Bei der ganzen Diskussion wird vergessen, dass 90% der Asylanten keine Anspruch hätten, denn Sie kommen aus sicheren Drittländern wie der Türkei, dem Li9banon oder aus Jordanien.
Weder die Türkei noch der Libanon oder Jordanien sind sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Sie sind auch keine sogenannten sichere Drittstaaten.
Sichere Herkunftsstaaten sind:
Bosnien und Herzegowina
Mazedonien
Serbien
Ghana
Senegal
die Staaten der EU
Als sichere Drittstaaten gelten:
die Staaten der EU
Norwegen
Schweiz
Die von Ihnen genannten Länder Türkei, Libanon und Jordanien tragen die Hauptlast der syrischen Flüchtlinge in Millionenhöhe – ohne irgendeine Hilfe der EU zu erhalten.
Erst jetzt denkt Kanzlerin Merkel darüber nach, Gespräche in Sachen Flüchtlingen mit der Türkei zu führen.
Ihre Behauptung zu den Asylanten ist grundfalsch.
So falsch dürfte ich nicht liegen. Bei einer Anerkennungsquote von ca.2%. Politische Verfolgung i. S. von Art. 16 a Abs. 1 GG liegt hiernach vor, wenn dem Einzelnen durch den Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zuzurechnen sind, in Anknüpfung an seine Religion, politische Überzeugung gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen,
Die Flüchtlinge aus Syrien sind Kriegsflüchtlinge, keine politisch verfolgten im Sinne des GG. Klar haben sie Anspruch auf Schutz durch die Genfer Flüchtlingskonvention.