Halbnackte Proteste bei Putin-Besuch: Merkel beinahe getroffen
Halbnackte Femen-Aktivistinnen zogen beim Rundgang von Bundeskanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin durch die Messehallen in Hannover blank. Doch Putin blieb souverän.
Protest der nackten Frauen - und die schnellste Reaktion hat der Protokollchef: Als eine Gruppe junger Frauen am Montag auf der Hannover Messe barbusig und schreiend auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zustürmt, schirmt er den Gast unverzüglich ab. Da ist die erste Demonstrantin bereits gefährlich nahe. "Fuck dictator", skandiert sie. Während der Geschmähte mit einem Lächeln auf den Lippen die Daumen nach oben reckt, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Handgemenge beinahe von einem Ellenbogen getroffen.
Wladimir Putin war gekommen um über Handel zu reden
Das plötzliche Chaos am VW-Stand dokumentiert, wie stark die Menschenrechte heute beim Handel zum Thema werden. Nur Augenblicke zuvor hatten Putin und Merkel noch betont, dass der Rubel im bilateralen Handel immer schneller rolle. Dieser sichere 700.000 Arbeitsplätze, sagt Putin, der gekommen war, um über Handel zu reden. Die deutsche Industrie hofft, beim Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2014 und der Fußball-WM 2018 ins Geschäft zu kommen.
Ob denn deutsche Qualität auch zu chinesischen Preisen zu haben sei, will er wissen, als ein Manager das Produkt seines Hauses lobt - bei dem auch garantiert "nichts aus China" stamme. Um ein Lächeln bemüht, lauscht Putin den Präsentationen, tauscht Nettigkeiten aus und nimmt eine rote Kuckucks-Uhr als Geschenk entgegen. Das Thema Menschenrechte scheint zunächst fern - bis der barbusige Protest über die sichtlich nervösen Sicherheitsbeamten hereinbricht.
Am Volkswagenstand stürmen Femen-Aktivistinnen auf die Besucher zu
Merkel und Putin sind gerade aus Volkswagens Ein-Liter-Flitzer XL 1 geklettert. In Russland wolle Volkswagen demnächst 500.000 Autos bauen, hören die beiden noch - und verabschieden sich. In diesem Moment stürmen die fünf Demonstrantinnen los. Oben ohne, mit Sprüchen wie "Fuck dictator" oder "Partners in crime" (etwa: Gaunerbande) auf Brust und Rücken.
Auf ihrer Webseite fordern die Aktivisten der Organisation Femen wenig später alle 150 Millionen Einwohner Russlands auf, Putin ihren Protest ins Gesicht zu schreien - "so wie unsere Sextremistinnen heute in Hannover". Auch Merkel ist Zielscheibe nackten Protests: "Merkel blood on your hands" (etwa: Merkel Blut an den Händen), lautet die gepinselte Botschaft auf dem Rücken einer der fünf jungen Frauen aus Deutschland, Russland und der Ukraine.
Schon im vergangenen Jahr gab es Proteste
Die Kanzlerin ist Protest am Rande der weltgrößten Industriemesse bereits gewohnt. Im Vorjahr war es bei China ähnlich, als das Reich der Mitte mit seiner problematischen Tibet-Politik Partnerland war. Zwar hatte Merkel am Montag vor ihrem Rundgang kurz angesprochen, dass es Differenzen mit Putin bei der Beurteilung einer lebendigen Zivilgesellschaft gebe - ein Thema, das sie auch am Ende des Rundgang erneut aufgreift. Doch den Zwischenfall vor den klickenden Objektiven der Fotografen vermag sie damit nicht zu verhindern.
Putin reagiert gelassen auf die Proteste gegen seine Politik. Sie hätten ihm gefallen, sagt er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Kanzlerin. "Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion." Süffisant setzte er nach: "Ein Dankeschön an die ukrainischen Mädchen". Sie seien hübsch gewesen, aber was sie geschrien hätten, habe er nicht gehört. Grundsätzlich sei solch ein Protest bei der Messe zu erwarten gewesen, bei der das Partnerland zeigen wolle, dass es nicht nur Rohstoffe als Exportgut zu bieten habe. Ein nackter Protest sei zwar unnötig gewesen. "Aber hier ist es sowieso nicht kalt, also kann man das machen."dpa
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