Chef der Arbeitsagentur sieht Chancen für die Weltbild-Mitarbeiter
Reinhold Demel, Chef der Agentur für Arbeit, ist trotz der Insolvenz zuversichtlich in Sachen Weltbild. Dabei ist der Verlag nicht das einzige Sorgenkind.
Mit einem Schlag sind all die positiven Zahlen der letzten Monate Makulatur. Die Weltbild-Insolvenz, die für alle so überraschend kam, könnte zur großen Bewährungsprobe für den Arbeitsmarkt in der Region werden. 2200 Mitarbeiter der Verlagsgruppe sind betroffen. Sie hoffen auf eine Zukunft in ihrem Unternehmen. Doch viele fürchten den Verlust ihres Arbeitsplatzes.
Herr Demel, 2012 war für den Arbeitsmarkt in der Region ein Rekordjahr, auch das vergangene lief gut. Noch vor wenigen Wochen prognostizierten Sie ein ebenso gutes 2014. Wie sehen Sie das nun nach der Weltbild-Insolvenz?
Demel: Der Arbeitsmarkt in der Region ist gut. Über alle Branchen gab es in den vergangenen Jahren einen Beschäftigtenzuwachs. Ich sehe da durchaus Chancen, sollte es bei Weltbild zu Entlassungen kommen.
Als Manroland pleiteging und mehr als 700 Menschen entlassen wurden, konnten über 60 Prozent in andere Jobs vermittel werden. Die Mitarbeiter kamen aber vor allem aus dem technischen Bereich. Bei Weltbild sieht das anders aus ...
Demel: Ja, im Bereich Metall und Elektro sind die Möglichkeiten tatsächlich größer. Bei Weltbild haben wir viele Mitarbeiter im Verwaltungsbereich. Da ist der Bedarf in der Region derzeit nicht so groß. Aber es gibt auch eine nicht unbeträchtliche Zahl von Versandmitarbeitern. Deren Vermittlungschancen zu anderen Logistikunternehmen sind durchaus gegeben.
Weltbild ist aber nicht das einzige Sorgenkind. Auch bei Osram oder Böwe Systec fallen Stellen weg...
Demel: Der Arbeitsmarkt kann diesen Stellenabbau verkraften. Die Region ist breit aufgestellt, wir haben einen guten Mix aus großen und kleinen Unternehmen, aus verschiedenen Branchen. Es gibt keine Abhängigkeit von einem Arbeitgeber wie beispielsweise in Ingolstadt von Audi. Wir haben fast 25 Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten. Wenn es da irgendwo einen Einbruch gibt, dann lässt sich das gut auffangen.
Zuletzt war Amazon der große Jobmotor in der Region. Aber auch da läuft es nicht mehr ganz so gut. Wie geht es Ihrer Meinung nach im Logistikzentrum in Graben weiter?
Demel: In der Spitze waren hier über 5000 Menschen tätig. Diese Zeiten sind vorbei. Die Mitarbeiterzahl wird sich meiner Meinung nach im Saisongeschäft im Bereich 3000 einpendeln, im Routinegeschäft werden es wesentlich weniger sein.
Amazon investiert kräftig in Osteuropa. Könnte der Standort Graben irgendwann ganz wegbrechen?
Demel: Nein, ich bin mir sicher, dass der Standort erhalten bleibt. Aber es ist richtig, dass die Abteilung für das Retourengeschäft nach Osteuropa verlagert wurde. Dadurch sind hier Arbeitsplätze weggefallen, die der Region gutgetan hätten.
Nach wie vor sind 14 000 Menschen in der Region arbeitslos. Gleichzeitig beklagen viele Firmen den Fachkräftemangel. Wie passt das zusammen?
Demel: Wer Fachkräfte sucht, sucht qualifizierte Mitarbeiter. Wer sich das Profil unserer Arbeitslosen ansieht, der sieht, dass die Hälfte ohne Schul- und Berufsschulabschluss ist. Deswegen war es gut, dass Amazon gekommen ist, weil gerade diese Menschen hier Arbeit fanden und einen anständigen Lohn von derzeit etwa 10,40 Euro bekamen. Da zogen Leiharbeitsfirmen, die nur um die 7,50 Euro gezahlt haben, nach.
Das heißt aber auch, dass es derzeit kaum möglich ist, diese Menschen ohne Qualifikation in Arbeit zu bringen. Die Arbeitslosigkeit wird also nicht weiter sinken?
Demel: Das ist richtig. Gerade im Bereich der Geringqualifizierten ist kein Arbeitgeber in Sicht, der in größerem Umfang einstellt. Die Arbeitslosigkeit kann also nicht weiter abgebaut werden wie 2012. Die bisherige Dynamik wird sich nicht fortsetzen.
Aber müssen dann nicht auch Sie als Arbeitsagentur umdenken? Nur vermitteln macht doch keinen Sinn mehr, oder?
Demel: Ja, wir müssen die arbeitsmarktpolitischen Instrumente umstellen. Da sind wir auch schon dabei. Es geht mehr in Richtung Weiterbildung und Qualifizierung. Wir hatten 2013 mehr als 2000 Menschen in beruflicher Weiterbildung, im Jahr zuvor waren es nur gut 1500.
Es scheint so, als hätte sich Ihre Klientel in den vergangenen Jahren geändert. Gibt es heute mehr Leute, die kaum noch in Arbeit zu vermitteln sind?
Demel: Unsere Klientel hat sich nicht direkt verändert. Aber in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit waren unter unseren Kunden eben auch viele gute Kräfte. Sobald die Wirtschaft einstellt, sind sie als Erste wieder in Arbeit. Geblieben sind nun eben die eher schwieriger zu Vermittelnden.
Wir haben viel über Geringqualifizierte gesprochen. Was Augsburg lange fehlte, waren Jobs für Akademiker. Durch die Entwicklungen rund um den Innovationspark scheint sich da derzeit einiges zu tun. Spüren Sie das bereits?
Demel: Signifikant merken wir das noch nicht. Aber es sind sicherlich einige Hundert Jobs in diesem Bereich entstanden. Man spürt, dass sich in Augsburg derzeit ein neuer Geist entwickelt. Das tut der Region und ihrem Arbeitsmarkt gut. Und es erhöht die Attraktivität. Vielleicht kann man dadurch ja noch weitere Firmen locken.
Angenommen, zu Ihnen kommt ein junger Mensch, der einen krisensicheren Job in der Region sucht, zu welcher Ausbildung würden Sie ihm aktuellraten?
Demel: Ich würde ihm auf jeden Fall zu einem technischen Beruf raten.
Ist ein Studium sinnvoll?
Demel: Das kommt auf den Einzelfall an. Der alte Grundsatz, dass allein ein Studium der erfolgsbringende Weg ist, ist überholt. Heute gibt es viele Möglichkeiten, die Durchlässigkeit in allen Bereichen ist da. Das Handwerk bietet gute Perspektiven. Aber auch in der Industrie sind Facharbeiter gesucht.
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