Bayerns Wirtschaft fürchtet den Brexit
Die Brexit-Abstimmung ist für bayerische Firmen von enormer Bedeutung: Das Vereinigte Königreich ist der zweitgrößte Exportmarkt des Freistaats. Welche Folgen ein Brexit hätte.
Die Nachrichten wird Bernhard Pritschet am Donnerstagabend mit Spannung verfolgen. „Es treibt einem die Sorge ins Gesicht, wenn man hört, was passieren könnte“, sagt er. Pritschet ist kaufmännischer Leiter der Firma Keimfarben in Diedorf, einem weltweit tätigen Hersteller von Mineralfarben. Was Pritschet Sorgen macht, ist der mögliche Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Der Brexit. Am Donnerstag entscheiden die Briten in einem Referendum darüber. „Wir hoffen, dass es nicht so weit kommt“, betont Pritschet.
Denn für Keimfarben könnte ein Austritt Großbritanniens aus der EU negative Folgen haben. Das Unternehmen ist wirtschaftlich eng mit Großbritannien verflochten. In Shropshire in Westengland hat es eine Tochtergesellschaft. Diese trage deutlich zum Umsatz von Keimfarben bei, erläutert Pritschet. Kommt es zum Brexit, befürchtet er einen Einbruch beim Umsatz.
Denn im Falle von Großbritanniens Austritt aus der EU dürfte das Pfund an Wert verlieren. Die Waren, die die britische Tochtergesellschaft vom deutschen Mutterunternehmen kauft, würden mittelfristig teurer. Dadurch würde entweder die Gewinnspanne in Großbritannien kleiner, erklärt Pritschet. Oder die Tochtergesellschaft müsse die Preise erhöhen – was sich negativ auf die Verkaufszahlen auswirken könnte. Das ist jedoch nicht alles: Insgesamt würde der Waren- und Geldaustausch schwieriger, sagt er.
Brexit: Viele Firmen in Bayern sind besorgt
Pritschet ist nicht der Einzige, dem ein möglicher Brexit Sorgen bereitet. Viele bayerische Unternehmen dürften hoffen, dass es nicht so weit kommt. Denn Großbritannien ist nach den USA – und noch vor China – der zweitgrößte Exportmarkt Bayerns. 2015 exportierten bayerische Unternehmen nach Angaben des Landesamts für Statistik Waren im Wert von 15,5 Milliarden Euro nach Großbritannien – 8,6 Prozent ihrer Gesamtausfuhren. Nicht nur vor diesem Hintergrund betont Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft: „Wir hoffen, dass sich der britische Pragmatismus durchsetzt und die Bürger Großbritanniens für den EU-Verbleib stimmen.“
Es ist eine Hoffnung, die auch Frank Dollendorf, Leiter des Bereichs Außenwirtschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern, hat. Die bayerischen Exporte nach Großbritannien hätten 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent zugenommen, erläutert er: „Da ist relativ viel Dampf im Geschäft.“ Dollendorf befürchtet teurere Exporte, Währungsturbulenzen, Probleme mit Aufenthaltsgenehmigungen sowie im Dienstleistungsverkehr, sollte es zum Brexit kommen. „Viele Unternehmen haben noch keinen Plan B erarbeitet“, sagt er.
Gleichwohl betont Dollendorf, dass die meisten Folgen eines Brexits am Tag nach dem Referendum noch nicht zu spüren sein werden: „Es wird weiterlaufen wie bisher, wenn auch mit großer Ernüchterung.“ Denn sollten die Briten für einen Austritt stimmen, beginnen zwischen Großbritannien und der EU zunächst Verhandlungen. Dass ein Brexit auch Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Bayern haben könnte, will Dollendorf nicht ausschließen. „Dass das Geschäftemachen teurer wird, wird sich bemerkbar machen“, sagt er.
Brexit hätte auch in Schwaben Folgen
Folgen hätte ein Brexit auch in Schwaben. Die IHK Schwaben hat rund 600 Firmen befragt, die im Ausland aktiv sind. Das Ergebnis: Etwas mehr als die Hälfte von ihnen befürchtet, dass sich ein Brexit auf die eigenen Geschäfte auswirken könnte. Betroffen wären aus Sicht von Axel Sir, Leiter des Geschäftsfelds International, vor allem Maschinenbauer, die Ernährungsindustrie, Kfz-Zulieferer, Kunststoffhersteller und Logistikunternehmen. Panik sei unter schwäbischen Unternehmen nicht ausgebrochen, betont Sir. Doch Sorgen bestünden. „Wir haben keine so preissensiblen Produkte, dass Märkte wegbrechen“, sagt er. „Aber es ist schwierig, wenn das gute Made in Germany teurer wird.“
Mehr Sorgen als mögliche Zollkosten bereitet Sir jedoch, dass sich die Auslieferung von Waren durch zusätzliche Bürokratie verzögern könnte. „Keiner kauft eine Maschine, wenn er 48 Stunden auf ihre Reparatur warten muss“, betont Sir. Ausfuhr- und Einfuhrerklärungen, wie sie nach einem Brexit notwendig wären, nennt der IHK-Experte „Gift“, den Binnenmarkt „einen Segen“.
Folgen fürchtet auch Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. Zwar seien nur rund sechs Prozent der schwäbischen Firmen im Ausland aktiv. Allerdings arbeiteten viele „als verlängerte Werkbank der Industrie“, sagt er. „Daher könnte ein Ausstieg Großbritanniens aus der EU Folgen in Form von erschwerter Geschäftsabwicklung oder Umsatzeinbrüchen haben.“
Noch haben Bayerns Unternehmen die Hoffnung aber nicht aufgegeben. „Großbritannien ist und bleibt auch nach dem Referendum ein wichtiger Teil im europäischen Stückgutnetz“, erklärt Bernhard Simon, Geschäftsführer von Dachser. Das Logistikunternehmen mit Sitz in Kempten hat drei Niederlassungen in England. Rund 360 Mitarbeiter sind dort angestellt. Dachser sei ein Unternehmen, „das in einem geeinten Europa der offenen Grenzen gewachsen“ sei, sagt Simon. „Deshalb sind wir der Überzeugung, dass ein Rückfall in Nationalismus und Kleinstaaterei politisch und wirtschaftlich der falsche Weg ist.“
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"Brexit" und das Pfund wird schwächer ... damit steigt die Wirtschaftskraft von GB ... und der Export aus GB steigt ... und der Import nach GB fällt, deshalb wird dann wieder das Pfund steigen .... alles nur eine Frage der Zeit/abschnitte.
Es wird nicht so heiß gegessen wies gekocht wird. Deutschland und China haben auch einen großen Warenaustausch, ohne das China in der EU ist. Weniger Ausfuhr bedeutet auch, weniger Einfuhr, das Ganze ist ja keine Einbahnstraße.